"Tal der Wölfe":Explodierende Emotionen

Ein Actionfilm rechnet mit Amerika ab, die meisten türkischen Zuschauer sind begeistert.

Martin Kuhna

Als der türkische Held dem Amerikaner einen Krummdolch ins Herz stößt, lacht der Kinosaal. Agent Polat Alemdar dreht die Klinge knirschend in der Brust des Feindes. Sam, despotischer Unterdrücker des Irak, stirbt. Die Rache ist vollendet.

500 Türken im Dortmunder Kino klatschen Beifall. Auch wer "Tal der Wölfe" als perfides Hetz-Kino empfindet, ist in dem Moment erleichtert, dass der Kerl tot ist. So gut funktioniert die simple Dramaturgie allemal.

Als "Nationalismus, über den eine volle Kanne islamische Sauce gekippt wird", bezeichnete die Zeitung Milliyet den teuersten und erfolgreichsten Film der türkischen Kinogeschichte. Derzeit ist "Tal der Wölfe" in Deutschland zu sehen.

"Ein echter Knüller"

Zeitungen schicken Mitarbeiter und Experten in die Vorstellungen. Schließlich möchten alle wissen, ob die türkische Jugend am Ende des Films tatsächlich "Allah ist groß!" ruft, wie es Spiegel online in Berlin-Wedding hörte. "Jubel über Filmmord an Amerikaner", titelte gestern eine Münchner Lokalzeitung. Die FAZ spricht von einer "Hasspredigt" gegen den Westen. Angst geht um.

"Tal der Wölfe" war eine sehr erfolgreiche TV-Serie in der Türkei, die man sich per Satellitenschüssel auch in deutsche Wohnzimmer holen konnte. "Die Serie hat uns gut gefallen", sagt ein Zuschauer im Foyer des Cine-Star-Kinos am Dortmunder Hauptbahnhof, "jetzt wollen wir mal sehen, wie der Film ist." Dafür tauschen türkische Familien ihr Wohnzimmer auch mal mit einem amerikanischen Multiplex: Umweht von Popcornduft sehen sie, wie der türkische Held mit dem US-Bösewicht blutig abrechnet.

195.000 Besucher hatte der Film deutschlandweit in der ersten Woche, trotz der geringen Zahl von 65 Kopien. Platz sechs der Filmhitparade, sagt Sven Dieckmann, Chef-Filmeinkäufer bei Cine-Star: "Ein echter Knüller."

16 Häuser seines Unternehmens spielen "Tal der Wölfe". Das Dortmunder Kino zeigt den Film sogar in zwei Sälen. Theaterleiter Frank Barenberg ist zufrieden: "Fast jede Vorstellung ist ausverkauft."

Religiosität und verletzter Nationalstolz

Gemischte Gefühle habe er wohl gehabt, vor allem wegen des Streits um die Mohammed-Karikaturen. Er hat vorsichtshalber mehr türkischsprechendes Personal an Kassen und Saaltüren postiert, aber Irritationen registrierte der Theaterleiter nur wegen der FSK-Altersfreigabe.

Explodierende Emotionen

In der Türkei ist "Tal der Wölfe" ab zwölf Jahren frei, in Deutschland ab 18. "Da gab es schon mal Ärger an der Kasse", sagt Barenberg, wenn Familien zum Teilrückzug gezwungen waren. Seit Donnerstag hat die Freiwillige Selbstkontrolle die Altersbegrenzung auf 16 Jahre heruntergesetzt.

Bereitwillig erklären die Dortmunder Türken, warum sie ins Kino gekommen sind. Oft streuen sie beruhigende Hinweise ein: "Ich bin Deutscher. Und meine Söhne sind Deutsche", sagt ein Geschäftsmann, der in Schlips und Kragen vom Termin ins Kino geeilt ist. Eine Frau in Kopftuch und dunkler Kleidung versichert: "Ich lebe seit 36 Jahren in Deutschland, hier ist meine Heimat." Weniger beruhigend ist, was die Zuschauer vom Film erwarten und nach eigenen Worten auch zu finden glauben: "Die Wahrheit".

"Ich glaube, so schlimm sind die wirklich"

Drei junge Mädchen hinter großen Pepsi-Bechern wünschen sich, dass der Film "Rekorde macht". Warum? "Weil wir an den Islam glauben", sagt eine - ohne Kopftuch, westlich gekleidet. Und dann verheddert sie sich: In Deutschland wisse man doch, was mit den Juden passierte, und darüber werde in den Schulen offen gesprochen, "obwohl der Hitler ja Christ war". Und der Bush sei doch auch Christ, und da müsse sie auch endlich mal gezeigt werden, die Wahrheit. Religiosität, verletzter Nationalstolz und unverstandene Geschichte mischen sich zu schwindelerregender Verwirrung.

Aufgehängt ist die wüste Story an einer realen Begebenheit: Einige Wochen nachdem die amerikanischen Truppen in Bagdad einmarschierten, verhaftete eine US-Einheit im Nordirak türkische Offiziere und führte sie mit einem Sack über dem Kopf ab. "Hundertprozentig die Wahrheit", sagt später ein Mann, der sich vor dem Film noch betont unpolitisch gezeigt hatte. "Sehr gut", sagt ein anderer. "Ich glaube, so schlimm sind die Amerikaner wirklich."

Dass der Oberschurke eine ganz unwahrscheinliche Klischee-Mischung aus Saddam Hussein, psychopathischem US-Offizier und musikliebendem SS-Mann ist, fällt ihm nicht auf. Er sagt: "Das hat man ja alles auch in den Nachrichten gesehen: Abu Ghraib, der Angriff auf die Moschee und auf die Hochzeit." Eine junge Frau kritisiert: "Es müsste mehr politischer Hintergrund gezeigt werden."

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat gestern an die Kinobetreiber appelliert, "Tal der Wölfe" aus dem Programm zu nehmen. Wer diesen Film zeige, unterstütze den Hass auf jüdische Menschen und die Attacken auf Werte der westlichen Zivilisation, sagte Zentralrats-Vizepräsidentin Charlotte Knobloch. Nach Angaben des Verleihs kommt im März die deutsche Fassung des Films in die Kinos. Die Diskussion kann also weitergehen.

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