Tag des Bieres:Feminin, gemixt, mit Algenextrakten

Weil die Deutschen immer weniger Bier trinken, müssen sich die Brauer etwas einfallen lassen - eine Bestandsaufnahme zum Tag des Bieres

Sebastian Herrmann

Das Reinheitsgebot ist das Grundgesetz des Deutschen Zechers. Nichts als Hopfen, Wasser und Malz gehört ins Bier, verfügte der bayerische Herzog Wilhelm IV. am 23. April 1516 in Ingolstadt. Und noch heute - 491 Jahre später - kommentiert der durchschnittliche deutsche Biertrinker dieses Lebensmittelgesetz mit einem zustimmenden Prost. Auch der Verband der Deutschen Brauer müht sich wacker, den Mythos Reinheitsgebot zu zementieren und begeht an diesem Montag den Tag des Deutschen Bieres. Aber gibt es Grund zu feiern?

bier

23. April, der Tag des Bieres.

(Foto: Foto: ddp)

Eigentlich nicht, denn in Deutschland wird immer weniger Bier getrunken. Lag der jährliche Bierkonsum pro Einwohner 1991 noch bei etwas über 141 Liter, meldet das Statistische Bundesamt für das Weltmeister-Jahr 2006 nur noch überschaubare 111,6 Liter je Einwohner. Und das war sogar eine gute Flasche mehr pro Jahr als noch 2005. Deutschland, Land der 1284 Brauereien, verliert seine Biertrinker. Längst haben sich die Tschechen auf den internationalen Bierthron getrunken und Deutschland auf Platz zwei geprostet. Die Hersteller aber steuern längst dagegen. Neue Trends, neue Produkte, neue Emotionen braucht der Getränkemarkt.

1. Neue Konsumenten erschließen

Eine große Konsumentengruppe hat sich lange Zeit hartnäckig dem Genuss von Bier verweigert. "Frauen", sagt Peter Hahn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, "die trinken im Schnitt nicht so viel Bier wie Männer." Den Grund der weiblichen Abstinenz haben Marketing- und Marktforschungsabteilungen der großen Brauereikonzerne längst ermittelt: unterschiedliche Geschmacksvorlieben. Offenbar mögen viele Frauen bitteres Bier wie Pils nicht so gerne wie Männer. Am schnellsten reagierte die Marke Beck's, die zu einem der weltgrößten Bierbrauer, der brasilianisch-belgischen InBev-Gruppe gehört, und schmiss Beck's Gold auf den Markt. Das Rezept ist einfach: am bitteren Hopfen sparen und in eine schicke Verpackung investieren. Oft als "Frauenbier" verspottet, ist die milde Marke ein Renner. Die Konkurrenz hat längst nachgezogen. Eine Auswahl: Bit Sun, Flensburger Gold, Fürstenberg Gold, Kulmbacher Gold, Paderborner Gold. Beleidigt sind jetzt nur die Hopfenbauern, die über rückläufige Absätze mosern.

2. Produktpalette diversifizieren

Auf die Jugend ist auch beim Trinken kein Verlass: Flatrate-Saufen, aber die Hände vom Bier lassen - die Zukunft der Brauer scheint wenig rosig. Deshalb rät Verbandschef Hahn: "In rückläufigen Märkten kann man seinen Kuchenanteil nur durch neue Produkte vergrößern." Besonders geeignet ist dazu das Prinzip Apfelschorle: Was früher noch von Hand zusammengemischt werden musste, wird nun fertig verpackt, mit einem bunten Etikett beklebt und verkauft. Mit Radler oder Alsterwasser fing es Ende der achtziger Jahre an. Aktuell wird mit Produkten wie Mixery Lemon, Mixery Kirsch, Bier plus Energy Drink oder Bier mit Tequila und Limo um trendbewusste junge Biertrinker geworben. Mit Erfolg: Peter Hahn beziffert den Anteil der Mischgetränke am Biermarkt mit etwa drei Prozent. Und wer da nicht zugreift, den ködert die Bierbranche mit Exotik-Produkten wie etwa den Hanf-Bieren Cannabia oder Spirit of Hanf.

3. Emotionen wecken

Segelboot oder den Tatort sponsern, das können nur die Großen, da mischen die vielen hundert Kleinbrauereien nicht mit. Doch die echten Trends kreiert ein altmodisches Konzept: "Bier braucht Heimat", lautet der Slogan. Anders ausgedrückt: Bier ist Heimat. Und selbst wer der Enge des Schwarzwalds in die Hauptstadt Berlin entflohen ist, kann nicht von seinem Heimatbier lassen. Beispiel: Tannenzäpfle von der Badischen Staatsbrauerei Rothaus. Vor etwa 15 Jahren schenkten gerade mal zwei Szenebars in Berlin die kleinen Flaschen aus, auf denen das schrullige Reformhaus-Mädchen Birgit mit roten Backen die Seele der Exil-Badener wärmte. Mittlerweile hat das Schwarzwaldbier die Bars der Republik erobert - über den Umweg Berlin. Der nächste Kandidat: Augustiner Bräu aus München. Die haben auch schrullige Etiketten, verzichten auf Werbung und werden ebenfalls in Berlin ausgeschenkt.

4. Die Wellness-Welle reiten

Seit Jahren verkünden Institute aus Bordeaux, dem Burgund oder dem Chianti angeblich wissenschaftliche Beweise für die gesundheitsfördernde Wirkung des Rotweins. Trinken und gesund werden, die perfekte Mischung. Einige Bierhersteller versuchen dieses Konzept zu kopieren und dabei zu kaschieren, dass sie ein alkoholisches Getränk verkaufen. Die Homburger Brauerei Karlsberg bietet das angeblich besonders gesunde Apothekenbier "Karla" an. Die Konkurrenz aus Brandenburg rührt Hopfen, Malz, Wasser, Algenextrakte und sogenannte Flavonoide zu einem Anti-Aging-Bier zusammen. Ein vielversprechender Ansatz, denn laut Verbandsboss Hahn vergreist der durchschnittliche deutsche Biertrinker. Eine bayerische Brauerei stellt Xanthohumol-Bier her. Das ist ein Stoff, der angeblich entzündungshemmend wirkt. Das besondere: Xanthohumol ist in Hopfen enthalten, steckt also in jedem Bier. So lange es schmeckt.

5. Auf besondere Klasse setzen

Der Kritiker-Papst der Szene heißt Michael Jackson. Er selbst nennt sich "The Beer Hunter", trägt gerne absurde Motivkrawatten und verwendet in seinen Büchern Begriffe wie "pfefferige Hopfigkeit", Aroma von "Anissamen" oder "birnenbrandige Fruchtigkeit". Mit derlei Vokabular operiert auch Wolfgang Stempfl, Geschäftsführer der Gräfelfinger Doemens-Akademie, die als einziges deutsches Institut Bier-Sommeliers ausbildet. Sein Anliegen: "Bier optimal positionieren." Weg vom Proll-Image, hin zum Edel-Getränk. Hier ein wichtiger Gesprächshappen: "Reszenz" bezeichnet die Spritzigkeit eines Bieres, am meisten davon hat Weizenbier. Bleibt die Frage, wie sich hochklassiger Genuss und jugendliche Trendbiere vertragen. Am Ende wird wohl doch wieder alles nur auf Hopfen, Malz und Wasser hinauslaufen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: