Szene:Unverborgen

Wolfgang Balk verabschiedet sich mit einem großen Fest von dtv. Zwanzig Jahre lang hat er als Verleger gewirkt und den Taschenbuchverlag umgebaut. Jetzt freut er sich auf ein Leben mit Büchern, aber ohne Buchhaltung.

Von Christopher Schmidt

Die Welt der Bücher wird von zwei Völkern bewohnt, den TBlern und den HClern. Die TBler, das sind die Taschenbuch-Verleger, ihnen gegenüber stehen die HCler, die Hardcover-Verleger, und beide kommen nicht immer gut miteinander aus. Ein Mann, der den Separatismus der Branche konsequent unterlaufen und beide Völker zum dtvler vereinigt hat, ist Wolfgang Balk. Als Geschäftsführer des dtv in München erfand er die Reihe "Premium", um die Erstausgaben, die es immer schon im Taschenbuchbereich gegeben hatte, deutlicher herauszustellen, durch eine gehobene Ausstattung und durchaus auch durch einen höheren Preis. Aber eigentlich waren die Premium-Bände nur die Transitzone des größten deutschen Taschenbuchverlags auf dem Weg zum Hardcover.

Nach zwanzig Jahren wurde Balk, der den Verlag nicht nur geprägt, sondern von Grund auf umgebaut hat, nun mit einem großen Fest in den Ruhestand verabschiedet. Und alle waren gekommen, die Freunde und Weggefährten, alles, was im Verlagswesen Rang und Namen hat: Michael Krüger und Joachim Unseld, Antje Kunstmann, Jo Lendle und Helge Malchow. Das Kürzel dtv, es stand also an diesem wehmütigen Abend für Deutscher Taschentuch Verlag. Er sei stets Epikurs Rat "Lebe im Verborgenen" gefolgt, sagte ein gewohnt bescheidener Wolfgang Balk. Doch sein Lebensmotto werde von dieser Feier gründlich konterkariert. "Viele kennen ihn, aber keiner kennt ihn ganz", so hatte ihn zuvor Hans Magnus Enzensberger charakterisiert und Balks Karriere als frei von ödipalen Konflikten beschrieben. Einen Vatermord gab es in diesem berufliche Werdegang nicht, und schon gar nicht hat Balk seine Kinder gefressen. Er hat vielmehr als vorausschauender Exit-Stratege frühzeitig eine Nachfolgeregelung getroffen. Zum 1. Januar 2016 wird Claudia Baumhöver die Geschäfte übernehmen.

Seine Arbeit als Verleger hat Wolfgang Balk vor allem als Handwerk verstanden. Künstler hatte er eigentlich werden wollen, sich dann aber für einen bürgerlichen Beruf entschieden. Er machte eine Buchhändlerlehre beim Carl Hanser Verlag, radelte jeden Morgen durch die halbe Stadt, um pünktlich um 7.30 Uhr einzustempeln. Denn damals habe noch die Stechuhr regiert. "So gegen elf schlenderten dann Michael Krüger und die anderen beneideten Lektoren locker in den Verlag", erzählt Balk. Später nahm er ein Studium auf, jobbte bei Hugendubel, vertiefte seine Kenntnisse als Vertriebsleiter bei Hirmer. Einige Jahre war Balk Cheflektor bei S. Fischer in Frankfurt, bevor er nach München zurückkehrte und beim dtv an ein paar "Stellschrauben" drehte, wie er das nennt. Konkret haben sich Umsatz und Mitarbeiter unter seiner Ägide nahezu verdoppelt.

Dabei ist Balk eigentlich kein Zahlenmensch, sondern in erster Linie ein leidenschaftlicher Büchermensch. Als er, noch als Lehrling, erstmals eine Zeitschrift mit dem Namen Börsenblatt auf dem Tisch liegen sah, sei er fast erbost gewesen. Literatur und Geld, das passte in seinen Augen nicht zusammen. Für die Zukunft, in der er sich vornehmlich den schönen Dingen widmen will, wünschte ihm Hans Magnus Enzensberger denn auch weiterhin ein Leben mit vielen Büchern. Aber ganz ohne Buchhaltung.

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