SZ-Serie: Slam drüber:Poetischer Ungehorsam

Die "Stützen der Gesellschaft" im Fraunhofer-Theater

Von Sophie Garbe

In Zylinder, Fliege und Hosenträgern treten sie auf die Bühne. Als "Stützen der Gesellschaft" gilt es schließlich, sich angemessen zu präsentieren. Ebendiesem Auftrag, die Gesellschaft zu stützen, hat man sich nämlich im Fraunhofer-Theater verschrieben. Vier Größen der Slam-Szene laden dort einmal im Monat zu einer literarischen Soiree. Gleich neben dem altbekannten Fraunhofer-Wirtshaus versteckt sich der Eingang zum Theater im Hinterhof, die Karten werden am selben Tresen ausgegeben, an dem sich das bunt gemischte Publikum ein Helles bestellen kann, und der Saal mit seinen roten Polstersesseln fasst wohl kaum 60 Personen. Ein guter Ort für einen intimen Leseabend also.

Ein Poetry Slam im üblichen Sinn erwartet die Zuhörer hier nämlich nicht - eher eine Art Zusammenkunft der Slam-Hautevolee. Als Moderatorin führt die mehrfach ausgezeichnete Slam-Poetin Fee durch den Abend. Zum Ensemble gehören zudem Alex Burkhard, der Autor Frank Klötgen mit seinem unverzichtbaren Hermelinkragen und der Kabarettist Sven Kemmler, der an diesem Abend Ende März jedoch verhindert ist. Dazu kommen wechselnde Gäste, diesmal hat sich der Autor Michael Bittner der Runde angeschlossen.

Auf Struktur wird dabei nicht sonderlich viel Wert gelegt. Vielmehr gestaltet sich der Abend als eine Mischung aus Plausch zwischen Freunden und buntem Textreigen. Da wird von der emotionalen Achterbahnfahrt eines Umzuges erzählt, über Pärchen gelästert, die "nicht gerade Werbung für die Liebe machen", oder einfach gemeinsam mit dem Publikum Tee getrunken. Neben dieser bunten Mischung haben es jedoch auch ein paar regelmäßige Kategorien ins Programm geschafft, so zum Beispiel die Vorstellung einer "Ex-Stütze" der Gesellschaft.

Diesmal ist dabei die Wahl auf Pumuckl gefallen. Dessen lyrisches Werk analysiert Frank Klötgen, ganz in Loriot-Manier, aus Sicht der Literaturkritiker. Zeilen wie "Ich bin jetzt allein zu Haus', der Mond schaut wie ein Knödel aus" werden da schon mal als Zeichen von Pumuckls "poetischem Ungehorsam" gedeutet. Es ist also wohl nicht verwunderlich, dass sich Michael Bittner letztlich zu dem Kommentar veranlasst sieht, dass dies vielleicht der bizarrste Leseabend sei, auf dem er bisher war. Aber als "letzte Stütze des Abendlandes" gilt es schließlich auch, das Publikum aufzurütteln. Zur Not eben mit etwas Exzentrik und poetischem Eigensinn.

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