SZ-Serie: Schätze und Schätzchen:Institution mit Glaubwürdigkeit

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1211 nichtstaatliche Museen gibt es in Bayern, ihnen hilft ein Kompetenzzentrum mit Rat und Geld

Interview von Sabine Reithmaier, München

1400 Museen gibt es in Bayern, davon sind 1211 nichtstaatlich, haben also private oder kommunale Träger. Die meisten gibt es in Oberbayern (358), die geringste Dichte weist Niederbayern (124) auf. Rat und Hilfe können sich Museumsbetreiber in München holen. Dort leitet Astrid Pellengahr seit eineinhalb Jahren die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern, ein "Kompetenzzentrum mit besonderem Wissen", wie sie selbst die Einrichtung nennt.

SZ: Wie viele von den nichtstaatlichen Häusern kennen Sie inzwischen?

Astrid Pellengahr: Eine konkrete Zahl kann ich nicht nennen. Aber wenn ich für unser gesamtes Team von der Landesstelle spreche, kennen wir fast alle. Und zwar sogar sehr gut.

Dann finden Sie vermutlich auch nicht, dass wir zu viele Museen haben?

Zu viele nicht, aber viele. Der Zuwachs begann in den Siebzigerjahren und hatte eine Blüte in den Achtzigerjahren, als die öffentlichen Haushalte entsprechend gut ausgestattet waren. Dadurch ist die Museumslandschaft vielfältiger und reicher geworden. Aber klar, es ist eine Entwicklung, die nicht endlos fortgesetzt werden kann. Ein Stück weit brauchen wir einen Konsolidierungskurs im positiven Sinn, eine Qualitätssteigerung des Vorhandenen.

Wie gehen Sie vor, wenn eine Gemeinde kommt und sagt, sie möchte beispielsweise ein Glasmuseum eröffnen?

Wir fragen als erstes, wie viele Glasmuseen es schon im Einzugsbereich von 30 bis 50 Kilometern gibt und versuchen zu klären, was das Alleinstellungsmerkmal des Museums wäre und wen die Kommune mit dem Museum erreichen will.

Aber wenn die Kommune darauf beharrt, ein leer stehendes, denkmalgeschütztes Gebäude mit einer Ausstellung zu füllen?

Das ist der Klassiker: der Ruf nach einer Museumsgründung, wenn für ein Denkmal auf den ersten Blick keine andere Verwendung zu finden ist. Da steht für uns natürlich auch die Frage im Raum, wie viele Museen eine Stadt braucht und wie viele sie sich leisten kann. Wichtig ist, dass der Träger eine objektive Entscheidungsbasis bekommt, bei der die personellen und finanziellen Ressourcen, die das Museum für einen vernünftigen Betrieb braucht, realistisch kalkuliert sind.

Sie wirken also gelegentlich bremsend?

Ich möchte es nicht bremsen nennen. Aber wir schauen schon kritisch drauf. Manchmal haben Träger Wunschträume bezüglich der Besucherzahlen. Wir raten dann zu Machbarkeitsstudien. Es muss kalkuliert werden, wie ist die Einnahmesituation im besten Fall - und wie in einem weniger guten Jahr. Wenn sich der Träger letzteres leisten kann, ist alles optimal, dann begleiten wir das Projekt gern. Wir möchten einfach, dass die Träger wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie ein Museum haben wollen.

An finanzieller Belastung?

Durchaus auch an Bereicherung. Aber natürlich versuchen wir klarzumachen, dass man die Ausstattung eines Museums nicht endlos runterrechnen kann, es sei denn, man möchte die Institution Museum ad absurdum führen. Es ist unsinnig, ein Museum mit viel finanziellem Aufwand einzurichten und dafür eine Wissenschaftlerin zu holen, aber anschließend zu denken, es reiche eine Kassenkraft.

Die Haltung findet sich nicht so selten.

Solche Fälle gibt es, weil eben ein großer finanzieller Druck auf den Haushalten lastet. Aber ein Museum ist nicht einfach nur da, sondern es kann einen veritablen Beitrag leisten für eine Kommune oder eine ganze Region. Es ist eine Kultur- und Bildungseinrichtung. Wenn das kulturpolitisch gewollt ist, braucht es die entsprechenden Ressourcen, um diese Aufgaben erfolgreich wahrnehmen zu können.

Wie begründen Sie sparsamen Kommunalpolitikern die Notwendigkeit von Wissenschaftlern im Museum?

Ein Museum ist eine Institution, die einen sehr hohen Grad an Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft besitzt. Jeder Besucher geht davon aus, dass alles stimmt, was er im Museum erfährt. Man muss schon eine fundierte Ausbildung mitbringen, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Reichen die Besucherzahlen als Kriterium, um die Qualität eines Museums zu beurteilen?

Das funktioniert nicht, obwohl die Besucherzahlen schon wichtige Faktoren für viele Träger sind. Aber die Museen müssen auch weniger populäre Themen aufgreifen und einen gesellschaftlichen Reflexionsprozess in Gang setzen können.

Inwiefern?

Nehmen Sie die NS-Zeit: In den Siebzigerjahren gab es dazu kaum Ausstellungen; und wer es im kleinstädtischen Bereich trotzdem wagte, galt schnell als Nestbeschmutzer. Heute ist das Thema in einer ungeheuren Breite in der Museumslandschaft angekommen, wird angenommen und rezipiert.

Laut Jahresbericht haben Sie 2014 fast 2,8 Millionen Euro an 152 Museen verteilt. Welche Kriterien muss ein Haus erfüllen, wenn es Zuschüsse möchte?

Eine Sammlung besitzen, regelmäßige Öffnungszeiten haben, eine gesicherte Betriebsträgerschaft auf zehn Jahre.

Wie viel Geld kann ein Haus erwarten?

Das kommt auf die Maßnahme an. Die Förderung kann sich bei großen Projekten im sechsstelligen Bereich bewegen. Manchmal können wir mit 5000 Euro Förderung aber auch viel bewegen, wenn wir dadurch erreichen, dass eine Sammlung inventarisiert wird. Das ist uns sehr wichtig. Ich kann nur dann gute Museumsarbeit leisten, wenn ich weiß, was ich habe und die Objektbiografien kenne. Sonst kann ich keine spannende Ausstellung machen.

Und wer Geld möchte, muss sich beraten lassen?

Wer Mittel will, kommt um die Beratung nicht herum. Im positiven Sinn: Wir begegnen den Kollegen draußen auf Augenhöhe, verstehen uns als Partner der Museen und nicht als diejenigen, die kommen und sagen, wie man es besser macht.

Sie schnüren ganz individuelle Beratungspakete?

Das ist unsere große Stärke. In unserem Team gibt es Historiker, Kunstwissenschaftler, Volkskundler, Archäologen, Restauratoren, Museumspädagogen, Innenarchitekten - die ganze Bandbreite, die ich brauche, um Museum machen zu können.

Haben Sie schon viele Museumsschließungen erlebt?

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern in Bayern nur ganz selten. Reduzierungen von Öffnungszeiten erleben wir aber schon.

Und Neugründungen?

Auch nicht viele, aber es wird sie immer wieder geben, weil unser Alltag allmählich musealisiert wird. Die Augsburger Textilarbeiter konnten sich sicher in den Sechzigerjahren auch nicht vorstellen, dass der Ort, an dem sie arbeiteten, mal in ein Textilmuseum umgewandelt wird.

Welche Themen werden die Museen in 20 Jahren beschäftigen?

Inhaltlich vielleicht das Thema Migration. Aber was die Organisationsstrukturen betrifft, wird angesichts des demografischen Wandels die interkommunale Zusammenarbeit ein ganz großes Thema sein.

Warum?

Es gibt Prognosen, die bis 2032 von 17 bis 18 Prozent Bevölkerungsverlust in manchen Teilen Bayerns ausgehen. Da stehen wir irgendwann vielleicht vor verwaisten Sammlungen, die kann man nicht einfach in den Müll werfen.

Sie gehen davon aus, dass es manche Museen nicht mehr geben wird?

Möglicherweise gibt es die Institution Museum als Gebäude, wo ich reingehen kann, ein paar Jahre nicht. Aber die Sammlung existiert weiter. Und wenn sie gut dokumentiert und erschlossen ist, ist sie zukunftsfähig.

Hört sich nicht sehr optimistisch an.

Das ist nicht mein Wunsch für die bayerische Museumslandschaft, aber wir müssen uns darüber Gedanken machen; genauso wie über die Tatsache, dass die Menschen sich immer stärker beteiligen wollen, die Museen also partizipativer und inklusiver werden müssen. Das verändert die Kostenstrukturen, weil mehr Personal notwendig ist. Ein museumspädagogischer Raum muss dauernd bespielt werden. Das spiegelt sich zwar in den kulturpolitischen Forderungen, aber noch nicht in den Ansätzen der Etats.

Klingt wie ein Appell an Politiker.

Museen brauchen verlässliche Politik und adäquate Etats. Auch wenn eine Kommune sich eine Weile bestimmte Dinge wie den Ankauf von Exponaten nicht leisten kann, muss die Grundaufgabe, der Erhalt und die Vermittlung von Kulturgut noch leistbar sein. Sonst wird jahrzehntelange Arbeit mit einem Federstrich in Frage gestellt.

In einer Serie werden wir während der nächsten Wochen eine Auswahl an nichtstaatlichen Museen in Bayern vorstellen.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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