Sylvain Fort:Zornige kleine Prinzen im Élysée

Sylvain Fort: Sylvain Fort, Berater des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Mai 2017.

Sylvain Fort, Berater des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Mai 2017.

(Foto: AFP)

Der Redenschreiber des neuen französischen Präsidenten kommentiert Antoine de Saint-Exupéry.

Von Joseph Hanimann 

Langzeitgeschichte, symbolische Gesten, entrückter, unnahbarer Regierungsstil "in der Art Jupiters" - ein bisschen klarer ist das Profil des neuen französischen Präsidenten schon geworden. Dennoch bleibt viel Undurchschaubares an ihm. So hofft man, über seine Umgebung Näheres zu erfahren. Über seinen Redenschreiber Sylvain Fort zum Beispiel. Fort ist fünfundvierzig Jahre alt, Absolvent der Pariser Eliteschulen mit abgeschlossenem Literaturstudium, Musikkritiker, er war Macrons Kommunikationsberater und ist fortan Leiter der Abteilung "Reden und Gedenken" im Elysée. Von ihm ist gerade ein Buch erschienen mit dem Titel "Saint-Exupéry Paraclet": eine Meditation über den Autor des kleinen Prinzen als Fürsprecher und Trostspender.

Ein Hinweis also, den jungen französischen Präsidenten mit dem klaren Blick als fernen Verwandten des sympathischen Erdenbesuchers vom Asteroiden B 612 zu verstehen? So einfach sind die Dinge nicht bei dieser neuen Politikergeneration, die sich so locker zwischen klassischer Bildung, Finanzwelt, Kommunikation und Staatsdienst bewegt.

Wie sein Vorgesetzter war der Redenschreiber Sylvain Fort in einer großen Bank tätig, arbeitete dann in einer Kommunikationsagentur, gründete schließlich sein eigenes Unternehmen. Gleichzeitig gab er in einem Verlag entlegene Texte von Hermann Broch heraus, übersetzte Plutarch, mehrere Dramen von Friedrich Schiller, den Briefwechsel zwischen dem Komponisten Alban Berg und seiner Geliebten Hanna Fuchs. Über den Dirigenten Herbert von Karajan schrieb er eine "Imaginäre Autobiografie". Seine Doktorarbeit an der Sorbonne war dem französischen Kultureinfluss in Schillers Jugenddramen gewidmet.

Es gelte, den deutschen Klassiker vom Zerrbild des Idealismus zu befreien, schrieb Sylvain Fort 2003 in seinem Buch "Friedrich Schiller": Sein ganzes Werk sei einer "ständigen Unruhe und Getriebenheit" entsprungen. Genau diesem Aspekt geht er nun auch in seinen Kommentaren über Saint-Exupéry nach.

Vorsicht mit dem liebenswürdigen kleinen Prinzen, "der nicht beißt und niemanden zerreißt"! - schreibt er: Man solle das Buch nicht zu leichtfertig den Kindern in die Hand geben. Denn hinter dem kindlich heiteren stehe der zornige Antoine de Saint-Exupéry, der sich mit der satten Verbürgerlichung der Welt nicht abfinden kann und unermüdlich seine Wut über die Auflösung von Geist in Ideologie, Recht in Selbstgerechtigkeit, Konsens in Komfort herausschreit.

Keiner sei heute mehr in der Lage, mit der "vierschrötigen Gewalt" eines Saint-Exupéry das geistige Elend unserer Welt aus lauter "letzten Menschen" im Sinne Nietzsches zu benennen: eine Welt des ständigen Arrangements unter Besserwissern, Pragmatikern, Realisten und augenzwinkernden Konformisten.

Einen solchen "zornigen" Saint-Exupéry nehmen wir gern zur Kenntnis. Sylvain Fort belegt ihn mit Zitaten quer durch die Romane und Schriften. Nur verfällt auch er gern der Neigung seines Autors, seinen Verwünschungen des Herdentriebs der modernen Menschen ein etwas schwammiges Menschenbild zu unterlegen. Statt sich den sperrigen, teilweise brisanten Passagen in Saint-Exupérys monumentalem Romanfragment "Citadelle" (Die Stadt in der Wüste) zu stellen, weicht Fort aus in die Beschwörung von menschlicher Größe, Opferbereitschaft und Todesverachtung.

Härtere Sachen kommen bei ihm nicht vor. "Eine Kultur besteht darin, was sie den Menschen abverlangt, nicht, was sie ihnen bietet", heißt es in dem von Nietzsches "Zarathustra" beeinflussten Buch "Citadelle", oder: "Nie soll ein Chef von seinen Untergebenen beurteilt werden dürfen", oder: "Die einzig taugliche Anerkennung ist die durch einen Feind".

Bei allem Bestreben um Gerechtigkeit in der Welt gilt für den Saint-Exupéry von "Citadelle", dass jede Entscheidung grundsätzlich ungerecht ist. Man möchte hoffen, dass Emmanuel Macron und sein so belesener Mitarbeiterstab solche Einsichten vor lauter Imagepflege nicht doch wieder hinter dem netten Gesicht eines kleinen Prinzen verstecken.

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