"Suzanne" im Kino:Die Zeit ist ein Biest

Kinostart - 'Die unerschütterliche Liebe der Suzanne'

Sara Forestier als Suzanne und Paul Hamy als Julien in "Die unerschütterliche Liebe der Suzanne".

(Foto: dpa)

"Die unerschütterliche Liebe der Suzanne" erzählt leise ein Leben in Fragmenten: eine Teenagerschwangerschaft, eine chaotische Beziehung, das Drama einer Familie. Immer wieder fehlt ein Stück, was bleibt, ist die Summe der verpassten Augenblicke.

Von Susan Vahabzadeh

Wenn man jung ist, hat man das Gefühl, das Leben wäre unendlich, die Zeit verstreicht im Schneckentempo. Das ist das Problem von Suzanne (Sara Forestier) - sie hätte eigentlich schon die richtigen Prioritäten, aber sie weiß nicht, was Unumkehbarkeit bedeutet, und dass man keinen Augenblick zurückbekommt, wenn er erst einmal verstrichen ist.

Suzanne lebt in der Vorstadt von Marseille, man hat sie ganz kurz als kleines Mädchen kennengelernt zu Beginn von Katell Quillévérés "Die unerschütterliche Liebe der Suzanne". Der Vater (François Damiens) ist Lastwagenfahrer, und seit seine Frau gestorben ist, kümmert er sich allein um seine zwei kleinen Töchter - Suzanne neigt dazu, Unfug zu machen, und Maria (Adèle Haenel) ist immer diejenige, die sie dabei deckt. Er wird dann, als Suzanne ein Teenager ist, von ihrer Lehrerin einbestellt - weil Suzanne sich nicht getraut hat, ihm selbst zu sagen, dass sie schwanger ist und schon über die Frist für eine Abtreibung hinaus. Das Kind, Charlie, hat sie dann furchtbar lieb, aber der Vater und Maria müssen ihre Nachlässigkeiten trotzdem dauernd ausbügeln. Suzanne hat nämlich ihre große Liebe gefunden: Julien, kriminell, oberflächlich kinderlieb und innerlich vor allem genauso verantwortungslos wie Suzanne selbst.

Alle guten Vorsätze sind dahin

Die Filmemacherin Katell Quillévéré erzählt diese Geschichte ganz nüchtern, ohne jedes Urteil - ohne dass der Film permanent Partei ergreifen würde für Maria, was naheliegend wäre. Sie muss die Schwester immer wieder raushauen. Auch der Vater ist eine wunderbar ambivalente Figur: Ein bisschen orientierungslos und barsch in seinen Erziehungsversuchen, und dann doch liebevoll, nach Kräften bemüht, die missratene Tochter zurück aufs richtige Gleis zu bringen. Nützt alles nichts. Suzanne landet im Knast, Charlie wird in einer Pflegefamilie untergebracht, und kaum ist Suzanne wieder draußen, geht der Reigen von vorne los. Sie versucht kurz, alles besser zu machen, besucht Charlie in seiner Familie, aber kaum taucht Julien wieder auf, sind alle guten Vorsätze dahin.

Das ist, als kleines Familiendrama, rührend in seinem leisen, zurückgenommenen Tonfall. Die Methode, mit der Katell Quillévéré das in einen Film verpackt, macht die Sache dann allerdings erst richtig spannend - "Suzanne" ist aus Fragmenten dieses Lebens zusammengesetzt, wie ein Puzzle voller Löcher, in irren Zeitsprüngen: Die Geschichte bricht ab, setzt ein paar Jahre später wieder ein. Und genauso ist ja auch Suzannes Leben: Ihr fehlt immer wieder ein Stück, weil sie gerade im Knast war, oder mit Julien durchgebrannt, untergetaucht. Aber die Zeit ist ein Biest: Eine Weile lang glaubt Suzanne, diese fehlenden Teile seien nicht so wichtig. Bis eines Tages der Tod dazwischen kommt und alle Leichtlebigkeit mit sich reißt, im Fluss der verpassten Augenblicke.

Suzanne, Frankreich 2014 - Regie: Katell Quillévéré. Buch: Quillévéré und Mariette Désert. Kamera: Tom Harari. Mit: Sara Forestier, François Damiens, Adèle Haenel. Arsenal, 94 Minuten.

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