"Suicide Squad" im Kino:Besser zwei Stunden den Kopf gegen die Wand hauen

"Suicide Squad" im Kino: Der Hybris verfallen: Als Joker spielt Jared Leto nur jemanden, der gerne einen Verrückten spielen möchte.

Der Hybris verfallen: Als Joker spielt Jared Leto nur jemanden, der gerne einen Verrückten spielen möchte.

(Foto: AP)

Mehr als Blabla und Bumbum hat das neue Superhelden-Spektakel "Suicide Squad" nicht zu bieten. Mit solchem Quatsch zerstört sich das Kino selbst.

Filmkritik von David Steinitz

Früher oder später musste in Hollywood wohl mal jemand durchdrehen wegen des ganzen Superheldenwahns. Doch dass es in einem solchen Totalausfall endet wie im Fall des Superhelden-Spektakels "Suicide Squad" ist dann doch alarmierend.

Da wäre zunächst einmal der Regisseur David Ayer, der sich gern als härtester Junge von Hollywood inszeniert. Als Teenager wurde er von seinen Eltern aus dem Haus geworfen und trieb sich dann eine Zeit lang in den übleren Ecken von Los Angeles herum, bevor er sich bei der Kriegsmarine zum Dienst meldete. Nach ein paar Jahren im U-Boot verschlug es ihn über Umwege in die Filmindustrie, wo er seitdem mit Polizeifilmen wie "End of Watch", Kriegsfilmen wie "Herz aus Stahl" und mit Millionenbudgets seine Erfahrungen als Streuner und Soldat sublimiert.

Die Verfilmung der Comicserie "Suicide Squad" aus dem DC-Verlag, der auch Batman und Superman beheimatet, schien daher wie für ihn gemacht zu sein: keine Hochglanz-Heldengeschichte über Weltretter im Cape, sondern die Story von ein paar Superschurken aus der Gosse, die ihren Triebhaushalt nicht im Griff haben, aber trotzdem bereit sind, ausnahmsweise die Welt zu retten.

Wie es mit Herzensprojekten in der Kunst aber leider oft der Fall ist, scheint sich der Filmemacher etwas zu sehr in die Sache hineingesteigert zu haben. Nach der US-Premiere vor ein paar Wochen kam die geballte Schwarmkritik im Internet gar nicht mehr nach mit boshaften Kommentaren über die Selbstverliebtheit seiner Adaption. Ob der Regisseur daraufhin ein Frustbier zu viel trank, ist nicht bekannt, doch auf jeden Fall packte ihn das Pathos. Er loggte sich bei Twitter ein und ließ seine Kritiker mit einem Zitat des mexikanischen Revolutionsführers Emiliano Zapata aus dem Jahr 1911 wissen: "Besser aufrecht sterben, als auf den Knien zu leben!" Nun ja.

Marvel und DC haben noch genug Figuren, um die nächsten 3400 Jahre Filme zu drehen

In dieser Woche startet der Film auch in Deutschland, und als Warnhinweis möchte man ergänzen: Besser zwei Stunden den Kopf gegen die Wand hauen, als sich diesen Quatsch anzuschauen. "Suicide Squad" ist ein besonders trauriges Beispiel dafür, dass die größte Bedrohung des Kinos derzeit leider das Kino selbst ist. Selbstverständlich nehmen mächtige Heimvideo-Konkurrenten wie Amazon, Hulu und Netflix den Filmtheatern Zuschauer weg.

Viel mehr schaden ihnen aber jene Filmproduzenten, die zwar noch dezidiert Inhalte fürs Kino produzieren, es aber gleichzeitig als Erlebnisort und Emotionsmaschine überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Und zwar indem sie ihre Blockbuster einfach mit irgendeinem Blabla und Bumbum befüllen und hoffen, dass die Zuschauer trotzdem kommen und bezahlen.

In diesem Fall sieht das folgendermaßen aus: Eine sehr resolute Geheimdienstfrau (Viola Davis) legt zu Beginn von "Suicide Squad" in einem Restaurant zwei skeptischen Kollegen eine Mappe vor. Auf der steht in Versalien so leuchtend rot und groß "Top Secret", dass es auch noch ein Halbblinder zehn Tische weiter lesen könnte. Darin befinden sich die Namen von einer Bande irrer Bösewichte, die sie rekrutieren will, um einen noch irreren Bösewicht zu erledigen. Im Schnelldurchlauf werden nun diese Schurkenhelden vorgestellt, die unter anderem von Will Smith und Margot Robbie gespielt werden.

Auch Jared Leto ist der Hybris erlegen

Nur sind es leider ein paar Exzentriker zu viel, die hier so überdreht wie möglich durchs Bild hopsen und sich gegenseitig die Show stehlen. Deshalb sieht der Actionfilm bald aus wie eine Borderline-Variante der Looney Tunes, ohne dass man sich für einen einzigen der Charaktere näher interessieren würde.

Am schlimmsten übertreibt es Jared Leto als Joker, der gegen das Squad-Team antreten muss. Die Rolle dieses Comic-Anarchisten ist unter Hollywood-Stars sehr beliebt, weil sie zu allerlei Leinwandspinnerei einlädt. Jack Nicholson hat sie gespielt in "Batman" von 1989 und natürlich Heath Ledger in "The Dark Knight" von 2008, die wohl ultimative Joker-Performance. Jared Leto, Sänger der Rockband 30 Seconds to Mars, gewann in seinem Nebenjob als Schauspieler 2014 den Oscar als bester Nebendarsteller für seinen Auftritt als Transsexuelle in "Dallas Buyers Club".

Wie sein Regisseur David Ayer witterte er nun wohl die Chance, sich im Comic-Blockbuster-Bereich zu verewigen, indem er den Joker noch exzentrischer und zappliger und bedrohlicher anlegt als seine prominenten Vorgänger. Der Unterschied: Jack Nicholson und Heath Ledger spielten wirklich einen Verrückten. Jared Leto spielt nur jemanden, der gerne einen Verrückten spielen möchte.

Darüber ist er wohl ein bisschen der Hybris erlegen, seit Monaten bewirbt er seine eigene Schauspielleistung in den sozialen Netzwerken und postet Foto um Foto seiner Joker-Performance. Sein Auftritt sei dermaßen gut, verkündete er in Interviews, dass man aus dem übrig gebliebenen Schnittmaterial von "Suicide Squad" problemlos einen eigenen Joker-Film schneiden könne. Lieber nicht, möchte man raten, denn David Ayer, von dem auch das Drehbuch stammt, hat ihm eine dermaßen merkwürdige Kunstsprache in den Mund gelegt, dass der Joker in dieser Version klingt wie ein notgeiler Schriftstellergreis. Über seine Geliebte sagt er zum Beispiel, dass sie bei ihm "Feuer in den Lenden" und "Jucken im Schritt" verursache.

Fleißige Mitarbeiter der Zeitschrift Wired haben errechnet, dass die beiden größten amerikanischen Comic-Verlage Marvel und DC noch genügend Charaktere in ihren Archiv haben, um beim derzeitigen Produktionstempo von Superheldenfilmen noch die nächsten 3400 Jahre problemlos durchzuhalten. Dabei stehen Filme wie "Suicide Squad" schon jetzt für eine lieblose Fließbandmaschinerie, die Filme an selbst an den hartgesottensten Zuschauern vorbeiproduziert und hoffentlich den Anfang vom Ende des Comic-Hypes markiert.

Die meisten Superhelden waren von ihren Schöpfern einst als künstlerische Sublimierungen gesellschaftlicher Außenseiter konzipiert worden. Sie sind also in der Regel trotz ihrer Superkräfte, die ja nur Spiegel innerer Deformierungen sind, zutiefst menschliche und empathische Wesen, die oft näher am menschlichen Leid dran sind als so mancher klassische Hollywoodheld.

Hier aber tun uninteressante Wesen zwei Stunden lang uninteressante Dinge, während sich ein Classic-Rock-Soundtrack von Hit zu Hit kämpft, um die langweiligen Dialoge zu übertönen. Sympathy for the Devil? Nicht, wenn die Verführungskraft dieser Superheldenteufel keine Sekunde über den eigenen Narzissmus hinausgeht.

Suicide Squad, USA 2016 - Regie, Buch: David Ayer. Kamera: Roman Vasyanov. Schnitt: John Gilroy. Mit: Will Smith, Margot Robbie, Jared Leto, Viola Davis, Joel Kinnaman, David Harbour, Bambadjan Bamba. Warner, 123 Minuten.

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