Streit um Urheberschaft:Neonazi-Band wirft Frei.wild Song-Klau vor

Neonazi-Band Stahlgewitter wirft den Rechtsrockern von Frei.Wild Songklau vor

Frei.Wild-Sänger Philipp Burger im März in Berlin.

(Foto: Getty Images)

Mit Neonazis will die umstrittene Rockband Frei.Wild nichts zu tun haben. Doch die rechte Band Stahlgewitter wirft den Südtirolern vor, entscheidende Passagen aus einem ihrer Songs gestohlen zu haben. Es geht vor Gericht.

Von Bastian Obermayer

Der umstrittenen Südtiroler Deutschrock-Band Frei.Wild, die derzeit mit dem Album "Feinde deiner Feinde" auf dem ersten Platz der deutschen Albumcharts steht, droht neuer Ärger - und das nur wenige Wochen, nachdem sie wegen ihrer vorgeblichen und stets abgestrittenen Nähe zu rechtsextremem Gedankengut von der Nominierungsliste des Echo gestrichen wurden. Nur, dass der Ärger dieses Mal aus der anderen Ecke kommt, von den Feinden ihrer Feinde, um in der Frei.Wild-Diktion zu bleiben, also: von rechts.

Wie die SZ aus internen Polizeiakten (die ansonsten nichts mit Frei.Wild zu tun haben) erfahren hat, wirft ein Mitglied der Neonazi-Band Stahlgewitter Frei.Wild vor, entscheidende Bestandteile eines ihrer Lieder übernommen zu haben und damit das Urheberrecht verletzt zu haben. Mittlerweile beschäftigt sich das Hamburger Landgericht mit der Angelegenheit. Ein Sprecher von Frei.Wild bestätigte die Auseinandersetzung, bestritt aber, dass sich Frei.Wild bei der Nazi-Band bedient habe.

Sollte das Gericht die Sache anders sehen, würde sich das Imageproblem der Südtiroler Band weiter verschärfen. Es geht um das Stahlgewitter-Stück "Auftrag Deutsches Reich" von 2006. Beispielzeile: "Zittert feige, ihr verdammten Verbrecher, täglich wächst die Zahl der Rächer, Heil dir, heil dir Germania (. . .)".

Philipp Burger will Song komponiert haben

Das prägnante Riff zu Beginn des Song soll Frei.Wild übernommen haben, und zwar in ihrem Lied "Schenkt uns Dummheit, kein Niveau", das auf dem 2010 veröffentlichten Album "Gegengift" zu finden ist. Tatsächlich kommt man kaum umhin, die Ähnlichkeit zu bemerken, in Form und Funktion.

Zusätzliche Brisanz erhält die Sache, da für das Frei.Wild-Lied Sänger Philipp Burger als Komponist verantwortlich zeichnet - der wiederum in einer rechten Skinheadband gesungen hat, bevor er 2001 Frei.Wild gründete. Seine Vergangenheit gibt den völkischen Texten von Frei.Wild erst den Tick ins Verrufene.

Die Vorwürfe gegen Frei.Wild erhebt Jens H., ein bekannter Rechtsextremist, wegen Volksverhetzung vorbestraft und laut eigenem Bekunden Mitglied der Neonazi-Band Stahlgewitter - eine der wichtigsten und extremsten Gruppen dieser Richtung. Ihre Texte sind stramm nationalsozialistisch und an Eindeutigkeit kaum zu überbieten, folgerichtig sind sämtliche Stahlgewitter-CDs indiziert. Auch wurde Sänger Daniel Giese im Herbst 2012 wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Wer Stahlgewitter hört, kann sich kaum darauf berufen, nichts von der Nazi-Gesinnung der Gruppe bemerkt zu haben.

Stahlgewitter-Riff "unverkennbar übernommen worden"

Jener Jens H. wendet sich jedenfalls im Oktober 2010 per Mail an einen Musikgutachter und schreibt: "Vergangenes Wochenende bekam ich die neue CD der Rockgruppe ,Frei.Wild'. Auf dieser CD finden sich mehrere wiedererkennbare Riffs, die von uns ausgedacht und veröffentlicht worden sind." Im Folgenden bittet der Neonazi um die Expertise des Gutachters, um damit "gegen diese Kapelle vorzugehen".

Der abfällige Ton erklärt sich aus der Antipathie, die Frei.Wild im rechtsextremen Lager bei all jenen entgegenschlägt, die in der Südtiroler Band Verräter sehen, die aus kommerziellen Gründen von der wahren, harten Lehre abgefallen sind, oder gar Trittbrettfahrer, die den rechten Rand nur bespielen, um damit ihre Alben besser zu verkaufen.

Gutachter kann "schöpferischen Eigenwert" nicht erkennen

Das Fazit des Gutachters fällt jedenfalls eindeutig aus: Das Stahlgewitter-Riff sei "unverkennbar übernommen worden", samt Form, Begleitrhythmus, Harmonie und selbst der Platzierung innerhalb der beiden Lieder, nämlich nur einmal und zwar zu Beginn. Einen "schöpferischen Eigenwert" von Frei.Wild kann der Gutachter nicht erkennen, eine "zufällige Doppelschöpfung" hält er für unwahrscheinlich, das Frei.Wild-Lied stelle aus Gutachtersicht eine Urheberrechtsverletzung dar.

Genug für den Neonazi Jens H., die Sache dem von ihm so verhassten Rechtsstaat zu übergeben. Und möglicherweise am kommerziellen Erfolg der Südtiroler ein wenig teilhaben zu können. Allerdings verschwieg Jens H. dem Gutachter wohlweißlich den Namen seiner Band und kürzte den Liedtitel ab mit "Auftrag D.R.", so dass lediglich seine Mailadresse Teutonia@xxx.de auf einen rechtsradikalen Hintergrund hätte schließen lassen.

Nicht jeder Gutachter steht ja gerne im Dienste der rechten Sache. Vor allem aber schickte H. nicht das komplette Lied seiner Nazi-Combo, sondern nur eine vom Gesang befreite Instrumentalspur - wohl um den Gutachter nicht negativ zu beeinflussen. Genau das dürfte nun aber zum Problem für den Nazi werden, denn der vom Gericht bestellte zweite Musikgutachter kommt zu dem Schluss, dass das Stahlgewitter-Riff im Original, unter anderem durch den darüberliegenden Gesang, nicht den Wesenskern dieser Stelle ausmache, und insofern durch Frei.Wild auch keine Urheberrechtsverletzung begangen worden wäre, selbst wenn sie das Riff übernommen hätten.

Hamburger Landgericht muss Urteil sprechen

Die Frage, ob Frei.Wild das Riff geklaut hat oder nicht - und damit die Frage, ob Frei.Wild Nazirock hört oder nicht - wird vor dem Hamburger Landgericht also vielleicht gar nicht geklärt werden, falls das Gericht dem von ihm bestellten Gutachter folgt. Denn noch einmal: Dieser stellt nicht in den Mittelpunkt seines Gutachtens nicht die Frage, ob das Riff der Naziband übernommen worden ist, sondern die Frage, ob dadurch ein wesentlicher Teil der betreffenden Stelle übernommen worden ist. Und das verneint er.

Der SZ erklärt ein Sprecher von Frei.Wild indes, die Band kenne weder Stahlgewitter noch ihre Texte oder Lieder, vielmehr hätte Frei.Wild "bis zur Geltendmachung der bezeichneten Ansprüche keinerlei Kenntnis" von der Existenz der Naziband gehabt. Im Übrigen sei "Schenkt uns Dummheit, kein Niveau" eine "vollständig eigenständige geistige Schöpfung".

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