Streit um "Baader-Meinhof-Komplex":"In geschmacklosester Weise"

Die Witwe des Bankiers und RAF-Opfers Jürgen Ponto reagiert empört auf den Kinofilm "Der Baader-Meinhof-Komplex". Aus Protest gibt sie ihr Bundesverdienstkreuz zurück.

Wieder Wirbel um den neuen RAF-Kinofilm "Der Baader-Meinhof-Komplex": Die 79-jährige Ignes Ponto, Witwe des ermordeten Bankiers Jürgen Ponto, gibt ihr Bundesverdienstkreuz aus Protest an den Bundespräsidenten zurück. Dies bestätigte ihre Tochter Corinna Ponto nun Welt Online.

Streit um "Baader-Meinhof-Komplex": Ignes Ponto mit dem damaligen  Bundeskanzler Helmut Schmidt im August 1977 bei der Trauerfeier für ihren ermordeten Mann in der Frankfurter Paulskirche.

Ignes Ponto mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt im August 1977 bei der Trauerfeier für ihren ermordeten Mann in der Frankfurter Paulskirche.

(Foto: Foto: AP)

Die Musikerin hatte das Bundesverdienstkreuz 1988 unter anderem für die Gründung und Begleitung der Bundesbegegnung "Schulen musizieren" erhalten.

Die Ponto-Familie kritisiert vor allem die Darstellung der Ermordung des Bankiers. Daran sei "so gut wie alles falsch", sagte Corinna Ponto. "Während man sich anderswo bis zu korrekten Fahrzeug-Kennzeichen zu den historischen Details bekennt, verfährt man in dieser Szene frei nach Phantasie, was Haus, Interieur und Geschehen angeht. Von dem RAF-Attentat auf meinen Vater gab es bisher keine Bilder. Das war für uns immer ein gewisser Trost und auch ein Schutz. Diese falsche Überschreitung der Film-Version ins Private empfinde ich als besondere Perfidie."

Die Mutter habe sprachlos die verfälschte, öffentlich dargebotene filmische Hinrichtung ihres Mannes in vielen verschiedenen Programmen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten erlebt. "Ihr und uns, einschließlich der noch sehr jungen Familienmitglieder, wurde zugemutet, als unvorbereitete Zuschauer die Szene dieses filmisch inszenierten Attentats ertragen zu müssen - als Vermarktungs-Thriller, unkommentiert, sogar hin und wieder angeregt angekündigt unter dem Motto 'Let's go Oscar'", kritisierte Corinna Ponto.

Sie sprach von einer neuen Stufe öffentlicher Demütigungen. "Hier werden die Menschenwürde meiner Mutter und der ganzen Familie in ihrem Kern getroffen sowie Pietät und Andenken eines Toten in geschmacklosester Weise verletzt", sagte die Tochter.

Seit Jahrzehnten vermöge es die Bundesrepublik nicht, den Opfern der RAF eine Gedenktafel zu widmen, kritisiert die Familie zudem.

Statt Aufklärung zu betreiben, etwa über die Erforschung des von der DDR unterstützten Terrorismus, teilfinanziere der Staat mittels öffentlich-rechtlicher Anstalten und den Filmförderfonds "diesen trickreich unhistorischen und gefährlich auch zur Gewalt verführenden Film und fördert ihn damit auch ideell", kritisierte Corinna Ponto. Das Interview führte die Publizistin Bettina Röhl, eine der beiden Töchter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof.

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