Streik der Drehbuchautoren:Sollen sie doch Kuchen essen

In Berlin demonstrieren die deutschen Drehbuchautoren heute für ihre streikenden Kollegen in Hollywood. Auch für sie selbst liegt einiges im Argen - reich werden nur die wenigsten.

Susan Vahabzadeh

Wenn die deutschen Drehbuchautoren am Mittwoch am Brandenburger Tor Solidarität mit ihren streikenden Hollywood-Kollegen demonstrieren, dann tun sie das auch in eigenem Interesse. Der Verband deutscher Drehbuchautoren hat - wie viele Verbände auf der Welt - zu einer Kundgebung aufgerufen für den Fall, dass in der Nacht keine Einigung in Los Angeles erreicht wurde, wo die Writers Guild of America die Verhandlungen aufgenommen hat und der Streik die gesamte Film- und Fernsehlandschaft lahmzulegen beginnt. In Europa und in Amerika geht es im Kern um dieselbe Entwicklung - Studios, Fernsehsender, Verleiher verlangen von den Autoren immer mehr Rechte für dieselbe Summe.

Uwe Ochsenknecht schtonk

Schreibt Stoff, der sich rentiert: Uwe Ochsenknecht als Hitler-Tagebuch-Fälscher im Film "Schtonk".

(Foto: Foto: Neue Constantin)

In Deutschland wird zum 1.1.2008 eine Änderung des Urheberrechts in Kraft treten, und die, erklärt der Berliner Urheberrechtsanwalt und Justitiar des deutschen Autorenverbands, Henner Merle, höhlt viele Errungenschaften der Novelle von 2002 wieder aus. Es werden sich dann beispielsweise jeder Fernsehsender und jede Kinofirma vorsichtshalber die Rechte an Nutzungsarten vertraglich sichern können, die noch gar nicht erfunden wurden. Und den Kampf um die digitalen Rechte haben die Autoren sozusagen verloren.

Schon jetzt müssen Autoren normalerweise alle Rechte an der Internetnutzung von Filmen, auf legalen Download-Plattformen beispielsweise, abtreten, bekommen aber dafür nicht mehr Geld. Die Frage wird nun sogar rückwirkend geklärt - alle Verträge, die nach 1966 geschlossen wurden, werden aufgestockt um die digitalen Rechte, es sei denn, der Auto widerspricht innerhalb einer gewissen Frist.

Viel kleinere Summen

Dafür gibt es dann zwar eine zusätzliche Vergütung - aber, beklagt Merle, es bleiben viele Fragen offen, und eine weitere Novelle wurde schon angekündigt, bevor diese überhaupt rechtskräftig wurde. Die Solidarität mit den amerikanischen Autoren kann er gut verstehen: "In den USA geht es darum, die Beteiligung am Einspielergebnis zu erhöhen - bei uns aber muss sie erst geschaffen werden."

Das ist einleuchtend. Doch insgesamt ist die Situation in den USA mit der in Deutschland nicht vergleichbar: Die Autoren in Hollywood verdienen im Schnitt 200 000 Dollar im Jahr, dafür müsste ein deutscher Autor etwa zehn Drehbücher schreiben und verkaufen können. Die Summe ist nur deswegen so hoch, weil es im US-Fernsehen Serien gibt, bei denen einzelne Folgen Etats haben, für die in Deutschland eine ganze Staffel produziert wird; und weil es im Kinobereich Millionenhonorare gibt, die den Schnitt hochtreiben.

Akiva Goldsman, der für Ron Howard schreibt, oder Clint Eastwoods Oscar-prämierter Lieblingsautor Paul Haggis sind eben teuer. Aber sie sind das in einer Branche, die ganz anders funktioniert. Eine amerikanische Studioproduktion kostet im Schnitt fast 90 Millionen Dollar. Solche Budgets sind in Deutschland genauso unvorstellbar wie Einspielergebnisse, die Honorare wie in den USA rechtfertigen. Relativ gut - relativ in dem Sinn, dass es eben insgesamt um viel kleinere Summen geht - verdienen in Deutschland die Schauspieler, aber nicht Autoren, Kameraleute, Ausstatter. Die US-Autoren verlangen eine höhere Beteiligung am Gewinn, den es in Deutschland oft nicht gibt. Einen Kuchen, der nicht existiert, kann man auch nicht verteilen.

Das Risiko verteilen

Die Einspielergebnisse deutscher Kinofilme geben keine 200 000-Euro-Honorare für Autoren her. Viele bleiben ein reiner Subventionsbetrieb und geben gar keine Honorare her. Das Fördersystem hat aber auch Vorteile, denn nur deswegen ist das deutsche Kino nicht durch und durch kommerziell und kann manchmal Blüten treiben, die der Hollywood-Kapitalismus nicht zulässt. Kleine Filme wie "Vier Minuten" von Chris Kraus beispielsweise, der dann doch ein ziemlich großer Erfolg wurde in diesem Jahr.

Aber reich wird mit dem deutschen Film eben kaum jemand. Ulrich Limmer, einer der erfolgreichsten deutschen Drehbuchautoren, der "Schtonk!" und eine Reihe von Kinderfilmen wie "Das Sams" geschrieben hat, sagt, das Kino sei in Deutschland eben "eine Manufaktur, in den USA ist es eine Industrie."

Limmer ist auch Produzent, kein Großunternehmer, aber es gibt noch viel kleinere Unternehmen als seine Collina Film. Die sind das Rückgrat des deutschen Films. Ein Kinoflop kann ihnen das Genick brechen. "Ich bin selbst Autor und habe natürlich großes Interesse daran, dass es den Kreativen gutgeht - aber die Risiken trägt nicht der Autor." Henner Merle kann sich wiederum Lösungen vorstellen, bei denen sich das Risiko ein wenig mehr verteilt: "Ich glaube, viele Autoren würden das Risiko teilen wollen, sich mit einer geringeren Grundvergütung zufriedengeben und dann mehr bekommen, wenn der Film ein Erfolg wird. Und daran geht dann auch keine Produktionsfirma zugrunde."

Stattdessen gibt es zur Zeit in Deutschland immer mehr Buy-out-Verträge, im Privatfernsehen sogar grundsätzlich. Was bedeutet, dass der Autor mehr bekommt, dafür aber sämtliche Rechte abtritt. Wird der Film wiederholt, ins Netz gestellt oder ins Ausland verkauft, gibt es deswegen nicht mehr Geld. Nur wenn der Film sofort in Vergessenheit gerät und im Archiv verschwindet, hat der Autor ein gutes Geschäft gemacht.

Der gute Ton

Nun sind Fernsehen und Kino in Deutschland nicht zu trennen. Dazu ist die Kinobranche viel zu klein. Fast alle Autoren, Schauspieler, Kameraleute machen sowohl das eine als auch das andere, denn für die meisten wäre die Kino-Arbeit allein keine Lebensgrundlage. In der Folge gibt es in den USA gutbezahlte Jobs, die hier gar nicht existieren. Scriptdoktoren beispielsweise. Wer weiß schon, dass einer wie Steven Soderbergh in den Jahren nach "Sex, Lügen und Video", als seine eigenen Filme nicht liefen, davon gelebt hat, dass er Horrorfilme umschrieb?

Davon mal abgesehen, wirkt das Autorenfilmmodell der Siebziger in Deutschland bis heute nach. Auch in den Folgegenerationen gehört es bei uns zum guten Ton, dass man sich das bisschen, was man inszeniert, selbst schreibt. Natürlich gibt es in den USA Tarantino, Soderbergh oder Peter Jackson, dessen "Herr der Ringe"-Trilogie zu den erfolgreichsten Produktionen aller Zeiten gehört und der seine Drehbücher traditionell mit seiner Ehefrau Fran Walsh schreibt. Aber der Autorenfilm ist in Hollywood selten, bei uns immer noch die Regel. Auch bei den ganz Erfolgreichen.

Tom Tykwer war an der Adaption von "Parfum" maßgeblich beteiligt. Und Michael "Bully" Herbigs Einspielergebnisse würden zwar Millionenhonorare rechtfertigen. Aber der ist Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in einem. Damit bleibt ihm wenigstens ein Problem erspart, das deutsche und amerikanische Autoren gemeinsam haben, wenn es um Gewinnbeteiligungen geht: Viele Projekte sehen in der Buchführung nämlich weniger erfolgreich aus, als man meinen sollte. Das Problem, sagt Merle, könnte man nur durch Treuhänder lösen, die die Einnahmen verwalten und verteilen. Mit Vertrauen muss man eben in jedem Fall sparsam umgehen. In den USA genauso wie in Deutschland.

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