Streetart:Viel Bohei, wenig Kunst

Wie "Red Bull" versucht, sich ein cooles Image zu verpassen

Von Karen Bauer, Jennifer Gaschler

"Red Bull trinken und Gutes tun" - das steht derzeit auf Holzcontainern in der Reichenbachstraße. Wenn man mit der Mixtur aus Koffein, Zucker und E-Stoffen schon seinem Körper nichts Gutes tut, dann kann man das Pfand zumindest spenden. Die Aktion ist Teil des Projekts "Dein Viertel, deine Leinwand". Noch bis 6. August bespielen lokale und internationale Künstler Galerien, Bars und Läden im Gärtnerplatzviertel.

Die Idee stammt von der Agentur David und Martin, Hauptsponsor ist der Weltkonzern "Red Bull". Dadurch steht Kommerz im Vordergrund. So etwa bei der Ausstellung des in einem Atemzug mit Banksy genannten Düsseldorfer Künstlers L.E.T. in der Boutique Rocket Store: Seine Motive - ein Mädchen mit Farbeimer, ein Junge mit Pudelmütze - wirken beliebig. Was L.E.T. mit Farbe auf alte Sprossenfenster gesprüht hat, ist kunstfertig, sieht aber nur aus wie Streetart, widerspricht es doch der Idee von nicht-kommerzieller Kunst im öffentlichen Raum. Zwischen der Hipster-Mode fallen die Werke nicht auf, die Besucher würdigen sie keines Blickes und schlürfen lieber die kostenlosen Energy-Cocktails, die ein Barkeeper mixt. Ähnlich sieht es in der Boutique Ruby Store aus. Der Videokünstler Stephan Rapke hat bei "In Pendulum Fashion" schon den Namen seines Werks an den Ausstellungsort angepasst. Zwei Bildschirme im Schaufenster lassen digitale Uhren pendeln. Er selbst findet, dass sein Werk im Summer-Sale untergeht. Und im Viertelquartier in der ehemaligen Klenze-Apotheke kann man zwar sitzen ohne zu konsumieren, wird dafür aber mit Red Bull Werbung bombardiert.

Fast eine Symbiose bilden dagegen die Bar Chichi und der Klebeband-Künstler Max Zorn, dessen Videos millionenfach geklickt werden. Eine große Gruppe schart sich um Zorn, der auf eine beleuchtete Glasplatte Paketband aufträgt, mit einem Skalpell Formen schneidet. So entstehen vier orientalisch gekleidete Tänzerinnen - passend zur Burleske-Location. Auch das Graffiti von HNRX an der Reichenbachstraße 19 oder die Video-Installationen von Betty Mü im Schaufenster der Bar Holy Homes gefallen: So wird das Gärtnerplatzviertel wirklich zur Leinwand und Kunst jedem zugänglich, der auf der Straße spaziert - nicht nur denen, die sich in teure Modeläden trauen.

Viele der Events inszenieren das Gärtnerplatzviertel als trendige Shoppingmeile, nicht als Künstlerquartier. Nicht nur Red Bull, sondern auch die Boutiquen im Viertel nutzen die Kulturaktion, um ihr Image zu polieren und den Umsatz zu steigern. Freilich: Kunst braucht Mäzene. Und doch ist es schade, dass "Dein Viertel" nicht von lokalen Partnern gesponsert wird, sondern von Red Bull, die nur für ihre Verhältnisse dezent auftreten. So ist kaum ein Kunst-Event bei "Dein Viertel" wirklich kostenlos: Die Besucher zahlen immer mit ihrer Aufmerksamkeit. Und die ist schließlich bares Geld wert.

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