Street Art:Banksys Ausverkauf hat begonnen

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Vor den weiß getünchten Galeriewänden wirken selbst Unikate wie dieses irgendwie kraftlos. (Foto: AP)

Der britische Street-Art-Künstler wird in der schicken Münchner Innenstadt ausgestellt - und illustriert das Paradoxe am Phänomen Banksy.

Von Carolin Gasteiger

Allein die Location. Maximilianstraße, nobelstes München. Den Weg zur Galerie säumen Bentleys, Opernbesucher in feinem Zwirn huschen zum Eingang. Die Fassaden sind sauber gestrichen, nicht auszudenken, würden hier Graffiti prangen. Ausgerechnet an diesem Ort widmet sich eine Kunstgalerie nun der Street Art. Und nicht irgendeiner - der von Banksy.

Mit seinen Schablonenbildern, den so genannten Stencils, wurde der Brite aus Bristol berühmt. Mal kritisierte Banksy die grassierende Sensationslust mit der "Paparazzi Rat", einer fotografierenden Ratte, die ohne Vorwarnung in London auftauchte. Mal schickte er mit einem satirischen Video - und den passenden Graffiti - Grüße aus Gaza. Zuletzt setzte er sich in einem Steve-Jobs-Porträt in Calais mit der Flüchtlingsproblematik auseinander. Banksy ist immer politisch. Auch in der schicken Maximilianstraße könnte er einige Themen aufgreifen: Kapitalismus, Sozialneid, Medizintourismus.

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Von Alexander Menden, London

Banksy wird salonfähig, hip ist er schon lange. Mit seinen treffenden Kommentaren zum Weltgeschehen spricht er vielen aus der Seele, die sich nicht trauen, Konventionen und Regeln zu ignorieren und ihrer Meinung Luft zu machen. Hinzu kommt, dass immer noch niemand weiß, wer Banksy wirklich ist. Er ist anonym, seine Identität ein großes Rätsel. In den Anfangsjahren war das einfach pragmatisch (sonst wäre er im Gefängnis gelandet), inzwischen befeuert es den Mythos um Banksy. Vor Kurzem hieß es, er sei mal wieder enttarnt worden.

Aber auch ein Banksy muss sich finanzieren. Früher war er auf den kommerziellen Betrieb angewiesen, um als Grafiker über die Runden zu kommen; inzwischen distanziert er sich mehr und mehr davon. Geld verdient er durch seine Bücher, DVD-Verkäufe seiner oscarprämierten Dokumentation "Exit Through the Gift Shop" und durch die Drucke seiner Sprühmotive, die er inzwischen leicht spöttisch "Souvenirs" nennt. Oder durch Auftragsarbeiten wie "Toxic Mary", einem der wenigen Originale, das in der Münchner Galerie Kronsbein zu sehen ist. Der Wert des auf Leinwand gesprühten Bildes soll bei etwa einer halben Million Euro liegen.

Alle in München ausgestellten Banksy-Exponate, darunter viele Siebdrucke und ein Original-Straßenschild, gehören zur Privatsammlung des Galeristen Dirk Kronsbein, ein ehemaliger Unternehmer. Alle verfügen über Echtheitszertifikate von Banksys Firma Pest Control, die auch die Auflagen der einzelnen Bilder kontrolliert, und sind vorerst nicht zu verkaufen .

Dass Banksys Bilder bei Auktionen oder Verkaufsausstellungen Millionenbeträge einbringen, hat der Künstler nicht mehr in der Hand - er selbst verkauft immer noch Ausgaben seiner Werke für kleinere Beträge. Doch der Hype um seine Person und dazu noch prominente Sammler wie Brad Pitt treiben die Preise in die Höhe.

Aber besteht Banksys Image nicht eigentlich darin, sich dem kommerziellen Kunstbetrieb zu verweigern? "Kommerzieller Erfolg ist ein Zeichen von Versagen für einen Graffitikünstler", sagte Banksy in einem seiner seltenen Interviews. Das Paradoxe ist, dass sich genau diese Branche nun seiner Werke rühmt. Auf einmal finden es Männer im weißen Seidenschal und Frauen im passenden Spitzenkleidchen hip, wie unangepasst Banksy ist.

Der Effekt dieser Einverleibung ist in der Münchner Galerie eindrücklich zu beobachten. Banksys politische Aktionen, die oft über Nacht und so schnell wie möglich passieren müssen, kommen immer aus dem Off, sie treffen einen Nerv und rütteln wach. Aber vor den sterilen, weiß getünchten Galeriewänden wirken seine Appelle auf einmal nicht mehr. Sie scheinen genau das zu sein, was Banksy nie sein wollte: angepasst.

Ist er es nicht inzwischen? Hat er nicht seinen eigenen Ausverkauf heraufbeschworen, indem er signierte Siebdrucke in den Handel brachte und sein eigenes Zertifikat entwarf? Immerhin sind die Originale auf den Wänden dieser Welt ja unsigniert. Andererseits: Was soll er machen, wenn seine simple Schablonentechnik von unzähligen Nachahmern imitiert wird und sich enttäuschte Kunden bei ihm beschweren?

Auf die Frage, ob der Künstler denn von der Ausstellung in München, die immerhin als "erste umfangreiche Präsentation in Deutschland" beworben wird, wisse, schüttelt Galeristin Sarah Kronsbein freundlich lächelnd den Kopf. Vielleicht hat Banksy etwas losgetreten, was längst nicht mehr aufzuhalten ist. Es sieht so aus, als hätte Banksys Ausverkauf begonnen.

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