Stefan Raab: "Schlag den Star":Tiger sehen anders aus

In Stefan Raabs "Schlag den Star" schleppt sich Stefan Effenberg wenig tigerhaft zum Sieg und verblüfft mit Politik-Wissen. Warum die neue Spielshow wie eine "Schlag den Raab"-Resterampe wirkt.

C. Kortmann

Bei Ex-Sportlern steht das Präfix "Ex-" oft für den extremen Verfall, den sie nach dem Ende ihrer profisportlich aktiven Zeit erleben. Sie darben dahin im Traineramt oder strahlen bei der Einweihung von Elektromärkten mit ihrem nachglühenden Ruhm.

Wenn Stefan Raab nun für die neue Variante seiner Spielshow "Schlag den Raab" Ex-Sportler aktiviert, die gegen hochqualifizierte Kandidaten aus dem Volk antreten, wäre Diego Maradona also leichte Beute. Auch vor Boris Becker, der in der zweiten Ausgabe auf den Zuschauerkandidaten wartet, muss man keine Angst haben, es sei denn, es stehen Spiele wie "Hochzeit-ankündigen-und-sofort-wieder-absagen", "Vergeblich-versuchen-eine-Talkshow-zu-moderieren" oder "Ich-sage-nach-dem-Steuerhinterziehungsprozess-dass-ich-mich-aus-der- Öffentlichkeit-zurückziehen-werde-bleibe-aber-einfach-da" auf dem Programm. In diesen Disziplinen ist Becker nämlich unschlagbar.

Doch die Premiere von "Schlag den Star" schien mit dem Ex-Fußballprofi und Bad-Taste-Fashion-Victim Stefan Effenberg eine echte Herausforderung aufzubieten. Der 40-Jährige hat sich physisch gut gehalten, der Ehrgeiz des Champions-League-Gewinners ist dem von Stefan Raab ebenbürtig.

"Da muss man mal dazwischen hauen"

Viele, viele gelbe und nur wenige rote Karten zeugen davon, dass er die Regeln stets bis ans Limit zu seinen Gunsten auszulegen weiß. Und gesundes Selbstbewusstsein gegenüber der Publikumsmeinung, wie er es einst mit nonchalanter Mittelfingergeste demonstrierte, kann auch nie schaden. "Niederlagen tun weh", sagte er im geschmackvollen schwarzen T-Shirt mit goldener Pailletten-Applikation zu Beginn der Show, "da muss man mal dazwischen hauen."

"Schlag den Star" ist ein Re-Import-Produkt: "Schlag den Raab" war an einige Sender im Ausland verkauft worden. In Großbritannien wandelte man das Format zu "Beat the Star" ab. Bei der von Raab persönlich moderierten deutschen Version gibt es nun maximal neun Spiele pro Show statt 15 wie bei "Schlag den Raab".

Gewinnt der Kandidat, erhält er 50.000 Euro, die sich, behalten die Stars die Oberhand, in der dritten Show gegen den Handballer Stefan Kretzschmar auf 150.000 Euro und in der vierten Ausgabe auf 200.000 Euro summieren können. Dann geht es gegen den Hobby-Marathonläufer Wigald Boning.

Würde Effenberg seine Fähigkeit, ein Fußballspiel zu lesen und die Mannschaft zu lenken, auch in die systemische Intelligenz verwandeln können, die nötig ist, um einen Raab'schen Mehrkampf zu gewinnen? Schließlich braucht man hier ein Allround-Sieger-Gen, um im Nu die Anforderungen eines Spiels zu erkennen und gewiefte Taktiken zu entwickeln.

Zunächst fragte man sich jedoch, wer wohl die schöneren Tattoos auf den muskulösen Armen hatte: Tiger Effenberg oder Kandidat Oliver, Hafenarbeiter aus Hamburg, Thai-Boxer und dank öffentlich-rechtlicher Info-Radio-Sucht lückenlos über das Weltgeschehen informiert. Beim ersten Spiel, dem Putten, erinnerten die Golfschläger an Zahnstocher in den Händen von Gorillas.

Wie das erste waren auch die folgenden Spiele, Handball, Würfeln oder Bowling, erschreckend unspektakulär und oft aus "Schlag den Raab" bekannt, als hebe sich der Meister die aufregenden Freiluftaktionen für seinen eigenen Wettkampf auf. Vor allem waren die überwiegend sportlich geprägten Spiele vorteilhaft für den Ex-Profi und forderten zu wenig Improvisationstalent.

Kurzatmiger Zocker

Dabei war Oliver ein starker Kandidat, der auch bei "Schlag den Raab" Chancen hätte, so bewies er beim Ertasten von Tierfiguren erstaunliches Fingerspitzengefühl. Doch Raab ließ ihn zum Abstoßen der Hörner auf Effenberg los. Die Sportspiele waren alle hart umkämpft, Effenberg glich seine Kurzatmigkeit durch Ballgefühl aus, blieb in Führung und war beim Würfeln ganz der eiskalte Zocker.

Schließlich wollte ihn auch seine Gattin Claudia, die mit Komplementär-Pailletten-Applikation ausgestattet in der ersten Reihe saß, unbedingt gewinnen sehen. Sie wirkte ehrgeiziger als der Tiger selbst und klatschte sogar, wenn dem Gegner Fehler unterliefen. Als Effenberg den Wettkampf im achten Spiel, dem Bierkästen-Stapeln, für sich entschied und wie ein Riesen-Eichhörnchen auf seinem Turm hing, freute sich Claudia, als hätte ihr Tiger mal wieder die Champions League gewonnen. Nie lagen sich Pailletten strahlender in den Armen.

Der dunkel gewandete Moderator Stefan Raab wirkte daneben ein wenig steif, als hätte er sich in seinen Konfirmationsanzug gezwängt. Beflissen wie im Shopping-Kanal präsentierte er die technischen Details des Telefongewinnspiel-Automobils und hielt das prächtige Mobiltelefon in die Kamera. Eigentlich dachte man, er habe solche unglamourösen 9Live-Assistentenjobs nicht mehr nötig, das wäre doch eher was für Elton. Andererseits ist Raab sich eben auch für die Tiefen des Geldverdienens nicht zu schade.

Aber ganz so einfach geht es nicht, er muss selbst als Gladiator ran: Die erste Ausgabe von "Schlag den Star" wirkte weniger wie eine originelle Ergänzung zu "Schlag den Raab", sondern eher wie eine Resterampe, mit der sich der Fundus zu Geld machen lässt. Doch das Format funktioniert nur, wenn es kompromisslos durchgezogen wird, live, in voller epischer Länge und mit einem Star, der mit seinen Fähigkeiten verblüfft und dem eine Niederlage physische Schmerzen bereitet: also mit Raab. Alternativ könnten medienerpobte Profis aus sportfernen Gefilden, Michel Friedman, Peter Scholl-Latour oder Alice Schwarzer, eine Bereicherung für "Schlag den Star" darstellen.

Sie gehen ja freiwillig ins Fernsehen....

Ach ja, wo wir bei Geistesgrößen sind, da war noch dieser Moment, von dem man nicht berichten kann, ohne sich ein bisschen gemein vorzukommen, wie beim Missgeschick eines Bekannten, das man ihm zuliebe für immer verschweigen sollte.

Aber, meine Güte, diese Menschen gehen ja freiwillig ins Fernsehen: Als Raab mit den großen Jungs Quiz spielte, konnte der Info-Radio-abstinente Effenberg nur die Sportfragen beantworten. In der Kategorie "Politik" verlegte er die Bundestagswahl 2009 dann originellerweise in den Mai. Wissen die das in Berlin? Nun, es könnte den Wahlkampf ganz gewaltig auf Touren bringen.

"Schlag den Star", nächster Neunkampf um den Jackpot in Höhe von 100.000 Euro gegen Boris Becker am 20. März, 20.15 Uhr, Pro Sieben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: