Stefan Raab im Frack:So seltsam war die Nacht

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Stefan Raab veranstaltet mit ein paar Freunden einen großen Jazzabend und findet es wie immer lustig. Pro Sieben auch - da ist die Show nun zu sehen.

HANS HOFF

Sarah Connor jault.

Gleich wird Helge durch die Kulisse taumeln - hier hält er noch still. Zu sehen sind (v.l.): Tom Gäbel, Stefan Raab, Helge Schneider und Max Mutzke. (Foto: Foto: dpa)

Sie klingt wie schlecht geölter Katastrophenalarm und sieht so gequält aus, als müsse sie schon viel zu lange auf der falschen Seite der Klotür warten. Gott sei Dank ist es nach ein paar Minuten vorbei.

Es war nur ein Video, das da vergangenen Freitag im Kölner TV-Total-Studio abgespult wurde, um die Zuschauer anzuwärmen.

Ein Video, auf dem man sieht, wer schon bei Stefan Raab aufgetreten ist.

Eminem zum Beispiel, supercool. Gwen Stefani zeigte, dass sie hübsch tanzen kann. Und Sarah Connor eben.

Man ist erst ein bisschen beleidigt, weil man sie ertragen muss, aber später wird man einsehen, dass die gruselige Berieselung sinnvoll war, weil sich das, was nun kommen sollte, erst richtig einordnen ließ.

"Ein Abend mit Stil", steht auf einem Bildschirm und darüber im Losbudenverkäuferjargon: "Die große TV Total Jazz Night". Das ist hoch gegriffen und erinnert an untaugliche Versuche, sich nach Robbie Williams etwas von Resten des Swingrevivalkuchens abzuschneiden.

Nun also versucht das Stefan Raab. Irgendwann, nach viel zu vielen Videos, steht er oben auf seiner Showtreppe.

Der Smoking schmückt ihn. Er kann richtig schick aussehen. Würde er nur sein Hausmeisterbärtchen abtragen.

Er schreitet die Treppe hinab und erklärt singend, dass die Lady nun mal ein Tramp ist. Hat man schon tausendfach gehört, und Raabs limitiertes Stimmvolumen ist nicht gerade dazu angetan, den Titel in neue Sphären zu führen. Das wird besonders schmerzlich deutlich, als Tom Gäbel die Bühne betritt, ein junger Kerl, der nach fast nichts aussieht, aber mit einer Stimme gesegnet wurde, die der von Frank Sinatra verflixt nahe kommt.

Gegen so einen kann einer wie Raab nicht gewinnen. Das will er auch nicht. "Es ist nicht mein Ziel, in allen Bereichen besser zu sein als die anderen", wird er nach der Show erklären. Die Show soll glänzen, das Projekt, sein Abend.

"Wir wollen einen kleinen musikalischen Tante-Emma-Laden öffnen", sagt Raab charmant und begrüßt auch seinen Sangessklaven Max Mutzke und eine 17Mitglieder zählende Big Band. Dann kommt er ohne Umweg auf den zu sprechen, dem alle nacheifern: "Robbie Williams hat sich an Swing-Klassikern vergriffen."

Er grinst und kündigt mit der Entschlossenheit eines erfahrenen Cowboys Vergeltung an: "Heute wollen wir uns rächen."

Der Begriff "ehren" wäre möglicherweise treffender gewesen, denn es folgt eine Swing-Version des Williams-Hits Rock DJ, die Maßstäbe setzt und herauskitzelt, was wirklich in dem Song steckt. Zwar wird in der Folge noch so mancher Klassiker auftauchen, aber in erster Linie geht es Raab darum, etwas Neues zu schaffen. "Ich wollte nicht denselben Sermon runterleiern", wird er im Gespräch nach der Show erklären und auch seine Motivation offenbaren: "Das ist natürlich eine Befriedigung von persönlichen Vorlieben."

Eine Befriedigung, für die Pro Sieben nun einen Sendeplatz gefunden hat in der kommenden Woche, am Donnerstagabend gegen halb elf.

Raab übersetzt gerne deutsche Texte ins Englische. Er kann das, wie man am Beispiel eines Reinhard-Mey-Schlagers hört, der nun als Above The Clouds durchaus noch einmal charttauglich wäre. Auch Johnny Small, jenes Kinderlied, das einst Hänschen klein hieß, macht Spaß, schliddert aber haarscharf an der Peinlichkeit vorbei. Kein Quatsch scheint zu groß, als dass man ihn nicht noch verswingen könnte. Raab, Mutzke und Gäbel machen das hervorragend, und ihre Big Band stärkt dem Trio in jeder Minute den Rücken.

Einmal sitzen die drei Swing-Commander hinter drei Drumsets und üben sich im beidhändigen Synchrontrommeln. Da merkt man, dass sie viel geübt haben in den vergangenen Tagen, dass sie penible Vorbereiter waren, dass sie den Spaß, den sie hier veranstalten, sehr ernst nehmen. Alles soll so funktionieren wie gedacht. Einmal stimmt Raab das Lied von der Biene Maja an und bricht nach einer Strophe ab, weil das doch angeblich besser Karel Gott singen sollte.

Aber da macht das Publikum nicht mit. Es singt ungerührt weiter. Noch ein Refrain, noch eine Strophe, und auf der Bühne steht ein Raab, der verblüfft tut, sich aber in Wahrheit einfach nur daran erfreut, dass sein Plan aufgegangen ist. In dem Moment ist er nicht mehr der Rustikal-Komiker, den viele fürchten, in dem Moment ist er der Musiker Raab.

Manche sagen, es sei seine bessere Hälfte. Sie haben wohl recht. Irgendwann kommt Helge Schneider und stimmt Harald Juhnke zu Ehren Champagner für die Damen an. Zu der Zeit herrscht längst pure Ausgelassenheit auf der Bühne. Man hat den Maschendrahtzaun abgewickelt, Max Mutzkes Grand-Prix-Hit durchgenudelt und vergessen, dass man eigentlich noch Space Taxi bringen wollte, aber der dazu unentbehrliche Bully Herbig konnte nicht.

Es geht also ohne ihn ins Finale, und die Akteure kommen nicht drum herum, doch noch mal im Klassikertöpfchen zu rühren. My Way steht auf dem Programm und wird natürlich veralbert, weil Raab vorher Helium einatmete und dann singt wie Donald Duck.

Den schönsten Beitrag vergisst Helge Schneider. Er tapert irgendwo orientierungslos in den Kulissen herum und muss deshalb nach der natürlich viel zu langen Show nachlegen. Da singt er fürs Studiopublikum My Way als Udo-Lindenberg-Parodie und sieht dabei so komisch aus, dass selbst Raab sich nicht mehr halten kann und nachher hoffnungsfroh die Regie fragt: "Habt ihr das?" Sie haben es, und Raab strahlt wie das Baby auf der Zwiebackpackung. Jeder sieht ihm in diesem Augenblick an, dass dies die Show ist, die er immer machen wollte.

"Ich habe noch mehr Nummern", droht er, doch dann trübt sich sein Grinsen, als man ihn ehrlich loben will und sagt, dass diese Show nicht nur bei ProSieben laufen könnte, sondern ohne weiteres auch als große Samstagabendunterhaltung im ZDF. "Das ist eine Beleidigung", erwidert Raab etwas schroff und grenzt sich mit einer möglicherweise nicht unbegründeten Arroganz in der Stimme ab: "Das können die nicht." Es ist anzunehmen, dass er mit dieser Aussage Recht hat.

© SZ v. 22.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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