Startenor Plácido Domingo:Zwischen Loge und Lobby

Als die Tantiemen völlig ausblieben, riss Plácido Domingo der Geduldsfaden: Der spanische Opernstar wird Cheflobbyist im Kampf gegen illegale Musikdownloads. Vorbilder findet er ausgerechnet unter den Hard-Rockern von Metallica.

Der Opernstar Plácido Domingo hat in seinem Leben schon viele Rollen gespielt. Über 130 Charaktere verkörperte der 70-jährige bereits in seiner Karriere. Zudem war er Dirigent, unter anderem in München und New York. In Washington und mittlerweile Los Angeles übernahm er für mehrere Jahre die Funktion des Operndirektors.

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Plácido Domingo warnt vor den Folgen der Musikpiraterie: "Wir setzen unser kulturelles Erbe aufs Spiel."

(Foto: dpa)

Eine Rolle, die er in Zukunft spielen wird, ist neu. Sie hat weniger mit Singen als mit Vorsprechen zu tun: Domingo wird Lobbyist für die Schallplattenindustrie. Deren internationalem Spitzenverband "International Federation of the Phonographic Industry" (IFPI) werde er künftig als Ehrenvorsitzender zur Verfügung stehen, teilte er kürzlich mit.

"Ich musste zusehen, wie meine Tantiemen Stück für Stück zurückgingen", sagte Domingo zur Begründung. "Zuerst dachte ich, das sei logisch. Ältere Platten verkaufen sich mit der Zeit weniger gut. Als ich dann überhaupt keine Tantiemen mehr erhielt, erkannte ich die Problematik der Lage. Da ich alleine nichts unternehmen konnte, sagte ich sofort zu, als mich die IFPI um Hilfe bat."

Die IFPI mit Hauptsitz in London vertritt weltweit Unternehmen die Tonaufnahmen und Musikvideos produzieren. Das erklärte Hauptziel des Weltverbandes ist die Wahrung der Rechte von Produzenten und Künstlern und insbesondere der weltweite Kampf gegen Musikpiraterie. Branchengrößen wie die Sony Music Entertainment oder die EMI Music Group sind Mitglieder.

Seine Lobbyarbeit für den Musikverband wird Placido Domingo vor allem auf die politische Bühne führen. So wird der Opernstar seinen weltweit guten Ruf dafür einsetzen, um Staats- und Regierungschefs sowie Kultusminister zu einer restriktivere Gesetzgebung im Hinblick auf digitale Raubkopien zu bewegen.

Vorbilder aus der Rockmusik

Laut eines aktuellen Berichtes der IFPI belaufen sich die Verluste durch illegale Raubkopien in Europa im Zeitraum 2008-2015 auf voraussichtlich 240 Milliarden Euro. Domingo zufolge bewirkten illegale Raubkopien jedoch nicht nur sinkende Einnahmen für Musikindustrie und Künstler: "Die Piraterie führt auch dazu, dass weniger junge Künstler unterstützt werden können. Wir setzen unser kulturelles Erbe aufs Spiel".

Bisher machten eher Interpreten aus dem populären Musikfach Front gegen Raubkopierer. Die englische Pop-Sängerin Lily Allen ist etwa für ihren Kampf gegen Musikpiraterie im Internet bekannt. Den größten Wirbel im Kampf gegen die Verbreitung illegaler digitaler Kopien verursachte im Jahr 2001 die US-Rockband Metallica, als sie das Filesharingnetzwerk Napster verklagte. Weil auch der US-Branchenverband RIAA die Online-Community mit Klagen überzog, ging Napster schließlich vom Netz. Auch Domingo zeigt sich im Kampf gegen die Raubkopierer motiviert: "Es ist mir ein großes Anliegen", sagte der Tenor.

Domingos hatte in seiner Karriere immer wieder Probleme mit seinen Einkünften. So klagte der Startenor bereits vor elf Jahren über zu niedrige Bezüge. Während er heute Musikpiraterie für die Malaise verantwortlicht macht, schrieb er damals die Schuld allerdings seiner Plattenfirma zu. In einem Interview mit den drei Tenören, denen er neben dem inzwischen verstorbenen Luciano Pavarotti und José Carreras angehörte, sagte er der Los Angeles Times in Bezug auf das erste Album des Gesangstrios: "Wir haben damit gerechnet, dass es auf positive Resonanz stößt. Was wir aber nicht erwartet haben ist, dass die Plattenfirma elf Millionen Exemplare verkauft und wir dabei leer ausgehen."

Ob Domingos neuer Job geeignet erscheint, seine Einnahmeausfälle zu kompensieren bleibt unklar. "Die Bedingungen und Konditionen des Vertrages sind geheim", sagte IFPI-Pressesprecher Alex Jacob der Nachrichtenagentur Bloomberg.

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