Starkult am Braodway:Mensch, da spielt ja die Julia mit!

Nach dem Shoppen ins Theater: Der Broadway sieht sich als Unterhaltungsmeile und setzt auf den Star-Faktor. Die jüngste Welle des Starkults hält seit 1998 an - seit Nicole Kidmans Nacktauftritt.

Adrian Kreye

Die New Yorker sind schon launisch: Erst wurde Julia Roberts Engagement für die Doppelrolle als Mutter und Tochter in Robert Greenbergs Stück "Three Days of Rain" zum Kulturereignis des Jahres hochgejubelt, was dazu führte, dass sämtliche Vorstellungen bereits seit Januar ausverkauft sind und die Karten auf dem Schwarzmarkt bis zu tausend Dollar kosten.

Starkult am Braodway: Julia Roberts in dem Broadway-Stück "

Julia Roberts in dem Broadway-Stück "

(Foto: Foto: Reuters)

Doch nach der Premiere schlugen die Kritiker umbarmherzig zu. Ben Brantley schrieb in der New York Times: "Die einzige Emotion, die diese Produktion erzeugt, hat nichts mit dem Geschehen auf der Bühne zu tun, sondern allein mit der Beziehung zwischen Frau Roberts und ihren Fans." Und Howard Kissel urteilte in der Daily News: "Hier geht es nur darum, dass man seinen Freunden erzählen kann, dass man SIE gesehen hat."

Damit bringt Kissle das Problem des heutigen Broadways auf den Punkt. Längst geht es dort nicht mehr um das Theater, sondern um das Ereignis. Und deshalb werden die Verrisse Julia Roberts nicht viel anhaben können.

Schon die Previews haben sämtliche Verkaufrekorde gebrochen. Das sind die Geister von Hollywood, wo Umsatz schon immer mehr bedeutete als Kritiken und Preise. Das gilt längst auch am Broadway.

Das Publikum mit Starvehikeln ins Theater zu locken wird dort schon länger praktiziert. 1982 sorgten die legendären, damals schon geschiedenen Rosenkrieger Liz Taylor und Richard Burton in Noel Cowards "Private Lives" für mehr Aufregung bei der Regenbogenpresse als bei der Theaterkritik.

Die jüngste Welle des Starkultes am Broadway begann im Dezember 1998 mit Sam Mendes' Inszenierung von David Hares Schnitzler-Interpretation "The Blue Room", bei der Nicole Kidman in einer Szene splitterfasernackt auf die Bühne kam.

Der Daily Telegraph hatte die Produktion bei ihrer Premiere in London als "Theater-Viagra" bejubelt. Die damaligen Verkaufsrekorde wurden gebrochen. Was spielte es das schon für eine Rolle, dass die New York Times lästerte: "100 Minuten Schauspielschulensketche, in denen Frau Kidmans Hinterteil für ungefähr fünf Sekunden unverhüllt zu sehen ist."

Der Broadway sieht sich eben nicht als Teil der Theaterwelt, sondern als Bühnenunterhaltung, die mit Fernsehen und Kino konkurrieren muss. Das liegt nicht zuletzt am Publikum, das sich zu drei Vierteln aus Touristen aus dem Hinterland rekrutiert, für die ein Theaterbesuch nur eine Station im Vergnügungspark Manhattan darstellt, zu dem neben dem Einkaufsbummel auch ein Museumsrundgang und der Besuch eines Ethnolokals in Chinatown oder Little Italy gehören.

Quotendruck am Broadway

Da geht das Theater kein Risiko ein, und selbst wenn ein Liam Neeson in Arthur Millers Klassiker "The Crucible" mitspielt, erwacht das längst tot geglaubte Knistertheater zu neuem Leben. Sobald die Kutsche aus dem Bild fährt, klappern die Pferdehufe vom Band.

Der Quotendruck bestimmt inzwischen sogar die Textproduktion. Immer öfter basieren Stücke auf Hits aus Film, Fernsehen und Pop. So wie die größten Erfolge der letzten Jahre - "The Producers" beruhte auf Mel Brooks Film "Frühling für Hitler", "Spamalot" auf "Die Ritter der Kokosnuss" von Monty Python, "Hairspray" auf dem gleichnamigen Film von John Waters.

Daneben gibt es Musicals, die eine dünne Rahmenhandlung um die Evergreens von Abba, Billy Joel oder Queen herumstricken, Bühnenfassungen von Fernsehserien wie "The Brady Bunch" und sogar ein Musical, das auf dem Pornofilm "Debbie Does Dallas" beruht.

Dabei ist die Verbindung zwischen Hollywood und Broadway keine Einbahnstraße. In den letzten Jahren haben die großen Studios Musicals wie "Chicago", "Das Phantom der Oper" oder "Rent" verfilmt.

Glaubwürdigkeit erarbeiten

Und für die Stars erfüllt das Theater inzwischen eine ähnliche Funktion wie der kleine Independentfilm. Da können sie sich für Minimalgagen eine ähnliche Glaubwürdigkeit erarbeiten wie der Rockstar, der in der Blueskaschemme noch mal den Zauber des Anfangs beschwört.

Die Liste der Stars, die sich in dieser Saison auf der Bühne versuchen, ist lang. "Sex and the City"-Veteranin Cynthia Nixon spielt in "The Rabbit Hole", Neil Labutes neues Stück "Some Girls" wird mit den Fernsehstars Fran Drescher ("Die Nanny"), Eric McCormack ("Will & Grace") und Maura Tierney ("ER") besetzt. Und das "Blue Room"-Erfolgsteam Sam Mendes und David Hare wird "The Vertical Hour" mit Julianne Moore inszenieren.

Natürlich ist die Zahl der Hollywoodstars, die auch auf der Bühne glänzen können, immer noch größer als die der Stars, die solche Engagements zwischen zwei Blockbustern zur Pflege ihrer Eitelkeiten annehmen.

Ralph Fiennes erhielt 1995 für seinen Hamlet den Theater-Oscar Tony und wird dieses Jahr in Brian Friels "Faith Healer" auftreten. Schauspieler wie Dustin Hoffman, Al Pacino oder Merryl Streep haben ihre Anfänge auf der Bühne ohnehin nie verraten.

In diesem Sommer wird Merryl Streep im Central Park in Tony Kushners Übersetzung der "Mutter Courage" auftreten und Liev Schreiber den Macbeth geben. Und Cate Blanchett wurde an der Brooklyn Academy of Music gerade als "beste Hedda Gabler aller Zeiten" bejubelt.

Broadway und Hollywood - die beiden können einfach nicht ohne einander, sie möchten sich ergänzen. Und wenn die Liaison mal schief geht stimmt wenigstens immer noch die Kasse, so wie jetzt bei Julia Roberts' Theaterdebüt. Im besten Falle entsteht jedoch jener Effekt, der so gerne Synergie genannt wird.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: