Star Wars:Und täglich grüßt Luke Skywalker

Carrie Fisher Mark Hamill Nachdem die Flucht vom Todesstern gelungen ist suchen Luke Skywalker Ma

An den Erfolg von "Star Wars" wollte Mark Hamill noch beim Dreh nicht glauben.

(Foto: imago/United Archives)

Der Schauspieler Mark Hamill wurde 1977 mit "Star Wars" unsterblich. Seitdem reist er als lebende Legende um die Welt. Eine Skywalker-Bilanz.

Von David Steinitz

Am 25. März 1976 begannen in den englischen Elstree Studios Nahe London die Dreharbeiten zu einem sehr merkwürdigen Film. Ein verrückter amerikanischer Regisseur mit üppigem Hippie-Bart jagte seinen amerikanischen Hauptdarsteller Mark Hamill durch seltsame Raumschiffkulissen, vorbei an Statisten in noch seltsameren Roboter- und Tierkostümen.

Dazu musste Hamill auch noch die unmöglichsten Dialogsätze sprechen, irgendetwas mit "Macht" und einem Dings namens "R2-D2". All das geschah sehr zum Vergnügen der britischen Techniker-Crew, die sich voller Schadenfreude schnell einig war, dass hier ein besonders legendärer Flop produziert würde und die Amerikaner noch verblödeter seien als ohnehin schon angenommen.

In jenem Frühjahr 1976 wurde "Krieg der Sterne" zum Treppenwitz der internationalen Filmbranche. Niemand glaubte an den Erfolg dieser Geschichte - auch nicht der Regisseur George Lucas und ihr wichtigster Protagonist Mark Hamill. "Beim Dreh", erzählte er später, "fühlte ich mich wie eine Rosine im Obstsalat."

Außerdem stellte er sich die Frage, ob dieser Lichtschwertquatsch vielleicht das Ende seiner Karriere bedeuten könnte - bevor diese überhaupt richtig angefangen hatte. Obwohl der Film dann künstlerisch wie kommerziell Filmgeschichte schrieb und den Beginn des modernen Blockbuster-Kinos markiert, ist das auch heute, im Rückblick, immer noch eine berechtigte Frage. Denn: Mark Hamill wurde zwar in der Rolle des Jedi-Schülers Luke Skywalker weltberühmt. Aber er war seit diesem Auftritt in der Außenwahrnehmung eben auch nur noch das: Luke Skywalker.

"Ich habe mich selber nie als Schauspieler gesehen, ich wollte lieber Comics machen. Nur: zeichnen konnte ich leider nicht."

Wie es sich über Jahrzehnte als Jedi-Frührentner lebt, konnte man beispielsweise vor zwei Jahren in Essen beobachten. Das ist eine sympathische, mittelgroße deutsche Stadt, deren Bewohner hoffentlich nicht beleidigt sind, wenn man sie nicht automatisch mit dem Glamour von Hollywood und den unendlichen Galaxien von "Star Wars" in Verbindung bringt. Hier fand die sogenannte Star Wars Celebration statt. Eine Messe, zu der Tausende bunt kostümierte Fans pilgerten, um Merchandisingprodukte zu erwerben und ihren großen Idolen zu huldigen, an die 1976 noch niemand geglaubt hatte. Selbstverständlich anwesend: Mark Hamill.

Der zu Reportage-Zwecken angereiste Filmreporter hätte mit dem Schauspieler gerne über den ganzen "Star Wars"-Wahnsinn gesprochen. Über seine Hollywood-Karriere, die meist nur als One-Hit-Wonder beschrieben wird, und über alles andere, was in einem Schauspielerkopf so vorgehen mag, wenn einem die Menschen über Jahrzehnte fanatisch "Luke!, Luke!" hinterherschreien.

Gefangen in einer ". . . und täglich grüßt das Murmeltier"-Welt

Ging aber nicht. Keine Interviews, ließen die strengen Pressedamen wissen. Stattdessen schlurfte Mark Hamill auf einer etwas zombiehaften Pressekonferenz kurz auf die Bühne, ein weites Holzfällerhemd über dem Wohlstandsbäuchlein. Dort setzte er sich neben ein paar der alten Kollegen, die ebenfalls seit 1976 in einer ". . . und täglich grüßt das Murmeltier"-Welt gefangen sind. Hamill sagte ein paar Worthülsen über den Segen von "Star Wars" für sein Leben als Mensch und als Schauspieler auf. Außerdem referierte er alte Anekdoten vom Dreh, die er vermutlich schon so oft erzählt hat, dass die genaue Zahl außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft liegt. Die restlichen zwei Messetage verbrachte er damit, am Ende einer imposanten Schlange von Fans, die sich über das halbe Messegelände wand, Autogramme zu schreiben - für ebenfalls imposante 120 Euro das Stück.

Star Wars: Zurück aus der Jedi-Rente: Hamill beim Dreh von "Das Erwachen der Macht".

Zurück aus der Jedi-Rente: Hamill beim Dreh von "Das Erwachen der Macht".

(Foto: hamillhimself/instagram)

Heute ist Mark Hamill 64 Jahre alt und hat knapp vier Jahrzehnte seines Lebens als Luke Skywalker a. D. verbracht, in denen er vor allem über "Star Wars"-Messen zu tingeln und Zeichentrickserien einzusprechen schien. Wenn nun am 17. Dezember das große Geheimnis dieses Kinojahres gelüftet wird, und Hamill mit dem Start des neuen "Star Wars"-Films "Das Erwachen der Macht" in seine alte Überrolle zurückkehren darf, stellt sich natürlich folgende Frage: Ist diese Rückkehr für ihn eine angenehme Befriedigung, nach Jahren im Sternenkriegsuntergrund - oder die endgültige Kapitulation vor einer Lebensrolle, die kaum andere Rollen mehr zugelassen hat?

Hamills Rolle im neuen Film: top secret

Auch darüber hätte man den Schauspieler gerne befragt, aber die eifrigen PR-Arbeiter des Disney-Konzerns, dem mittlerweile die Rechte an der Saga gehören, halten ihre Hauptdarsteller (noch) allesamt unter Verschluss. Alles top secret, vor allem Hamills konkrete Rolle im neuen Film - es wird bereits gemunkelt, er könnte zur dunklen Seite der Macht übergelaufen sein. Dazu wäre mittlerweile auch der Filmreporter bereit, wenn er dann endlich sein Hamill-Interview bekäme - einerseits.

Andererseits ist es schon wieder sehr sympathisch, dass gerade eine Kino-Überfigur wie Hamill nicht wie alle anderen auch ständig jede Befindlichkeit in die Welt pustet und auch mal ein paar Mikros auslässt, die ihm hingehalten werden. Zumindest für Hollywoodverhältnisse könnte man den Gelegenheitstwitterer sogar als zurückhaltend beschreiben. Dieses Image des schüchternen, höflichen, zurückhaltenden Mannes hat Hamill, der auf Kinderfotos so vertrauenswürdig treu dreinblickt wie der Junge von der Zwiebackpackung, schon sehr früh zu pflegen gewusst.

Er wurde 1951 in Kalifornien geboren und wuchs mit sechs Geschwistern auf. Der Vater war Captain der U.S. Navy, die Familie deshalb oft zum Umzug gezwungen, erst innerhalb der USA, dann ging es für einige Jahre nach Japan. Während der High School dachte Hamill überhaupt nicht daran, zum Film zu gehen. "Ich habe mich selber nie als Schauspieler gesehen, ich wollte lieber Comics machen. Nur: zeichnen konnte ich leider nicht, also habe ich es mal mit Theater probiert." So berichtete er es oft in alten Interviews. Was Hamill eher selten erzählt, ist, dass seine erste Schultheaterrolle eine Realadaption des Hundes Snoopy von den "Peanuts" war.

Ähnlich niedlich ging es dann auch weiter. Nach einem recht klassischen Vater-Sohn-Konflikt - Daddy sah den Sohnemann eher als Jurist denn als Hollywood-Rampensau - ergatterte Hamill 1970 seine erste kleine TV-Rolle: Er durfte genau vier Sätze in der "The Bill Cosby Show" (im Deutschen: "Bill Cosby", nicht zu verwechseln mit "The Cosby Show" - "Die Bill Cosby Show" aus den Achtzigern; Anm. d. Red.) sagen. Mit weiteren TV-Auftritten und sogar noch mehr Sätzen ging es in den folgenden Jahren weiter, wobei Hamill sich konsequent antizyklisch zur Hollywood-Mode verhielt.

George Lucas schüttelte den Kopf, als man ihm Hamill für die Hauptrolle vorschlug

Während die wilden Schauspieler und Regisseure des New Hollywood das alte System auf den Kopf stellten, in Filmen wie "Easy Rider" und "Taxi Driver" ihre Perversionen auslebten und sich die Birne wegkoksten, um den Disco-Sound der Siebziger zu ertragen, setzte er lieber auf den Phänotyp Schwiegersohn. Deshalb war es auch wenig verwunderlich, dass George Lucas' Produzenten den Kopf schüttelten, als dieser für die Hauptrolle in "Star Wars" keinen aufgepumpten Action-Haudegen vorschlug, sondern das relativ unbekannte Milchgesicht.

Hamill war ihm für diese Entscheidung dankbar, wird aber bis heute auch nicht müde zu betonen, dass Lucas bei den Dreharbeiten weder privat noch beruflich eine besonders große Hilfe war, sondern lieber grummelnd in der Ecke saß. "Ich habe den leisen Verdacht", sagte er auf der Essener Messe lakonisch, "wenn es möglich gewesen wäre, den Film ohne Schauspieler zu drehen - George hätte genau das getan." Lucas' liebste Regieanweisung lautete angeblich: "Okay, nochmal - aber diesmal besser!"

Hamill drehte nach "Krieg der Sterne" noch "Das Imperium schlägt zurück" (1980) und "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983). Hier fungierte der Schauspielermuffel Lucas aber nicht mehr als Regisseur, sondern lediglich als Produzent. Danach war Hamill erst 31, aber für immer auf Luke Skywalker abonniert. Es buchten ihn zwar weiterhin wichtige Regiegrößen wie zum Beispiel Sam Fuller, bei dem er im Weltkriegsdrama "The Big Red One" einen beeindruckenden Auftritt als Scharfschütze mit Gewissensbissen hatte. Aber diese Filme gingen meist im "Luke!"-Geschrei der "Star Wars"-Fans unter.

"Stolz werde ich, wenn die Kinder mich anschauen, als wäre ich eine Mischung aus dem Weihnachtsmann und Superman."

Also kehrte Hamill der Filmindustrie vorerst den Rücken. Mit seiner Frau Marilou York, mit der er seit 1978 verheiratet ist und drei Kinder hat, zog er von Los Angeles nach New York, um dort am Broadway in mehreren preisgekrönten Produktionen zu spielen. Für manchen Hollywood-Schauspieler mag das der Gnadenhof sein, Hamill hat diese Zeit nach eigener Aussage sehr genossen. Erst Anfang der Neunziger kehrte die Familie nach L.A. zurück. Hamill ließ sich einen jener veritablen Schnauzer stehen, die sich die meisten Männer schon in den späten Achtzigern wieder abrasiert hatten. Er war zurück im Haifischbecken Hollywood, wo er, fern vom Broadway, nicht als Theatermann, sondern als gealterter Luke Skywalker wahrgenommen wurde.

Es begann die Ära der Trickserien-Synchronisationen und "Star Wars"-Conventions. Wühlt man sich auf Youtube durch Hamill-Interviews von 1976 bis heute, ist seine Begeisterungskurve "Star Wars" betreffend ein steiles U: Von der Aufregung des Postpremierentrubels geht es von Mitte der Achtziger an mit der Leidenschaft nach unten - und erst mit der Besetzung für den neuen Film wieder nach oben. Was aber nicht heißt, dass Hamill die letzten Jahrzehnte in depressiver innerer Emigration verbracht hätte.

Schaut man sich seine diversen selbstparodistischen Zwischenstationen an - zum Beispiel seinen Gastauftritt in den "Simpsons" - wirkt es eher so, als ob sein Erstaunen über den Erfolg von "Star Wars" einer ironisch-dankbaren Faszination für die quasireligiöse Leidenschaft seiner Fans gewichen ist. Mit der nun beginnenden dritten Trilogie der Reihe, die Hamill wieder selbst mitgestalten darf, wächst zwischenzeitlich die dritte Generation an jungen Fans nach, deren popkultureller Hormonhaushalt vom "Krieg der Sterne" bestimmt wird.

"Stolz werde ich", spricht der 64-jährige Jedimeister, "wenn die Kinder mich anschauen, als wäre ich eine Mischung aus Superman und dem Weihnachtsmann."

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