Stadtschloss:45 Minuten Großstadt

Berliner Stadtschloss - Humboldtforum

Die barocke Verhüllung des Beton-Schlosses schreitet voran. Auch die lange vagen Pläne für dessen Inhalt werden jetzt konkreter.

(Foto: Regina Schmeken)

Konflikt und Vergnügen, Mode und Religion: Das Berliner Stadtmuseum verrät, was es in seiner Ausstellung im Humboldt-Forum zeigen wird.

Von Jens Bisky

Es ist nicht mehr viel Zeit bis zur geplanten Eröffnung des Humboldt-Forums im Neubau des Berliner Stadtschlosses. Man kann derzeit zuschauen, wie die Fassaden an drei Seiten barockisiert werden: Die Ziegeleinmauerung des Betonrohbaus gelangt immer höher hinauf, immer neue Schmuckelemente aus Sandstein kommen hinzu (Unter www.sbs-humboldtforum.de lässt sich der Baufortschritt per Webcam verfolgen). Bereits im Sommer 2018 könnte "Staubfreiheit" erreicht sein, dann sollen Einrichtung und Ausstellungsaufbau beginnen.

Viertausend Quadratmeter im ersten Obergeschoss bespielt das Land Berlin. Im März des vergangenen Jahres beschloss der Senat überraschend, diese Flächen nicht, wie jahrelang geplant, der Zentral-und Landesbibliothek zu überlassen, sondern eine Ausstellung zu zeigen: "Welt. Stadt. Berlin." Die Pläne klangen so ehrgeizig wie vage, der Spott war groß. An diesem Montag nun wurde das Konzeptpapier "Berlin und die Welt" vorgestellt. Verantwortlich ist - zum Glück für Stadt und Schloss - der niederländische Kunsthistoriker Paul Spies. Er hat bereits das Amsterdam Museum erfolgreich modernisiert, seit Februar ist er Direktor des Berliner Stadtmuseums und zugleich Chefkurator der Berlin-Ausstellung im Humboldt-Forum. Sie ist der "Verflochtenheit Berlins mit der Welt" gewidmet, der Rolle der großen Stadt im Globalisierungsprozess.

Dem "Vergnügen" wird ein eigener Raum gewidmet - natürlich mit Tanzfläche

Neun Aspekte sind dem Team um Paul Spies wichtig: Berlin-Bilder, Revolution, Mode, Migration, Krieg, Freiräume, Grenzen, Vergnügen, Weltdenken/Sprache. Es wird also keine Stadtgeschichte im herkömmlichen Sinne erzählt, vielmehr will man Beobachtungen arrangieren. Der Rundgang ist auf etwa fünfundvierzig Minuten berechnet, man rechnet mit Kosten in Höhe von 10,8 Millionen Euro.

Eine Moschee, der Christopher Street Day und ein Künstleratelier sollen für "Freiräume" stehen. Das verspricht mehr als einen naiven Blick auf das Nebeneinander des Verschiedenen, sind Konflikte zwischen Religionsfreiheit, künstlerischer Freiheit und der Freiheit der Lebensstile doch die Regel. Stadtgeschichtlich wird es um die Vielfalt der Glaubensgemeinschaften ebenso gehen wie um Emanzipationsbewegungen. Geplant sind auch Hinweise auf Kneipen, Szenetreffpunkte oder Kirchen, die in Ostberlin, Hauptstadt der DDR, geschützte Räume boten.

Zur Berliner Freiheit gehört die Party: Wie die Stadt zur Feiermetropole wurde, zum mythischen Ort jener Zwanzigerjahre, zur Techno-Hochburg und Bühne der Spaßgesellschaft in den Neunzigern, das behandelt der Raum zum "Vergnügen". Sogar eine Tanzfläche soll es geben.

Wie Mode die Vielfalt der Lebensstile spiegelt, wie "Berliner Konfektion", angesiedelt rund um den Hausvogteiplatz, international erfolgreich wurde, bis Tausende jüdische Berliner, die im Textilgewerbe arbeiteten, enteignet, vertrieben, ermordet wurden - das wird im Ausstellungskapitel "Mode" gezeigt werden. Möglicherweise können die Besucher dann auch ihre Kleidung scannen und etwas über deren Herstellung erfahren.

Das Mitmachen, die aktive Teilnahme der Besucher wollen die Kuratoren ebenso fördern wie die Vernetzung mit stadtgeschichtlich und für die globalisierte Welt interessanten Orten außerhalb des Humboldt-Forums. Im ersten Obergeschoss des Schlosses wird man neben der Berlin-Ausstellung die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen und die Humboldt-Universität finden. Deren Tonarchiv mit ihrer bis 1915 zurückreichenden Sammlung von Aufnahmen könnten im Humboldt-Forum zugänglich gemacht werden. Kooperieren will man auch mit dem Museum Europäischer Kulturen, mit Anthropologen und Ethnologen der Humboldt-Universität. Das passt zur Absicht, einen neugierig-skeptischen Blick auf Berlin als exemplarische Großstadt zu werfen, eine, so Spies, "ehrliche Geschichte" zu erzählen und nicht Stadtmarketing zu betreiben. Ein Großteil der Objekte wird aus den Beständen des Stadtmuseums kommen, das zur gleichen Zeit neu gestaltet wird.

Das Konzeptionspapier trägt notwendig den Charakter des Vorläufigen. Im Herbst will die Gründungsintendanz um Neil MacGregor ihr Gesamtkonzept vorstellen, für November ist eine Probeausstellung über Peru unter dem Titel "Extreme! Natur und Kultur am Humboldtstrom" angekündigt.

Der Berliner Plan lässt ausdrücklich offen, ob das Humboldt-Forum zu einer "organisatorisch-betrieblichen Einheit" werden soll oder ob es bei der derzeitigen Konstruktion bleibt mit ihrem verwickelten Nebeneinander wechselnder Zuständigkeiten und Entscheidungswege. Im Forum, das 2019 eröffnen soll, werden die Museen der Preußenstiftung, die Universität und das Land Berlin kooperieren und zugleich um die Aufmerksamkeit der Besucher konkurrieren. Wie eine Berliner Tanzfläche neben Südseebooten besteht, darüber muss jetzt gestritten werden.

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