Staatlich geförderte Popmusik:Rock around the Gießkanne

Dieter Gorny, Cheflobbyist der Musikindustrie, fordert staatliche Unterstützung für die Popmusik. Längst lechzen auch Künstler nach "Pop mit Staatsknete".

J.-C. Rabe

"Pop mit Staatsknete" - die Zeile, mit der die Popzeitschrift Spex in ihrer aktuellen Ausgabe den Schwerpunkt überschreibt, hat es in sich. Die Krise der Plattenkonzerne hat die Musikbranche endgültig darauf gebracht, nun auch, wie so viele andere Künste, ihr Stück vom großen Kultursubventionskuchen zu fordern. Allen voran wird der Cheflobbyist der Musikindustrie, Dieter Gorny, nicht müde auf jedem Podium temperamentvoll Unterstützung für die Popmusik zu verlangen. Aber auch exponierte Vertreter der unabhängigen Labels, Produzenten und Verlage wie der Musikverleger und ehemalige Bassist der Einstürzenden Neubauten, Mark Chung, sind längst mit im Boot.

Allzu weit sind sie im Vergleich zu anderen Künsten bislang noch nicht gekommen, die Ohren der Politik scheinen jedoch immer größer zu werden. Der "Initiative Musik" etwa, einer maßgeblich durch das Engagement des CDU-Abgeordneten Steffen Ketterer im Oktober 2007 zustande gekommene Fördereinrichtung der Bundesregierung für die Musikwirtschaft, stehen in diesem Jahr schon über 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. Doppelt soviel wie noch 2008. Die sogenannte "siebte Förderrunde" der Initiative ist am 12. August zu Ende gegangen. Weitere zwei Infrastruktur- und 19 Künstlerprojekte werden nun mit fast 325000 Euro unterstützt. So weit, so gut.

Die Selbstverständlichkeit jedoch, mit der die nun warmlaufende Institutionalisierung einer so merkwürdigen Sache wie direkter staatlicher Förderung von kommerziell orientierter Musik (an der es zudem alles andere als mangelt) inzwischen hingenommen wird, ist erstaunlich. An der Unwiderstehlichkeit der Argumente kann das nicht liegen.

Das Tableau der Gründe für die staatliche Förderung von Popmusik reißt die aktuelle Spex in zwei Interviews exemplarisch auf. Die Sängerin und Laptop-Tüftlerin Gustav, deren zweites Album "Verlass die Stadt" vom österreichischen Musikfonds gefördert wurde, fordert den Staat bedenkenlos als dankbare Künstlerschutzmacht, als netten König: Er habe dafür zu sorgen, dass die Künstler ihre "eigentliche Aufgabe" erfüllen können, also "zu reflektieren, zu beobachten, ein Seismograf der Gesellschaft und ihrer Zeit zu sein".

In der Falle

Mark Chung dagegen, als Aufsichtsrat der Initiative Musik direkt am Staatstopf, beruft sich zwar auch auf den "Kulturauftrag" und erinnert an fleißig fördernde Länder wie England oder Schweden, vor allem aber argumentiert er ökonomisch: "Wenn die Musikwirtschaft in der Krise aufhöre, neue Künstler aufzubauen, dann steuern wir auf die Situation zu, die man aus wissenschaftlicher Sicht als ,failed market' bezeichnet."

Diese gelte es mit Hilfe des Staates zu verhindern. Die Initiative Musik, die bislang nach dem Prinzip Gießkanne schon alles förderte, von avancierter elektronischer Musik bis zu seichtem Durchschnittspop, schießt dementsprechend dort "vierzig Prozent dazu, wo schon ein wirtschaftlicher Partner - ein Label, ein Konzertveranstalter, eine Bank - bereit ist, sechzig Prozent zu investieren".

Einfacher macht das die prinzipielle Sache nicht: Während die einen zwar einen emphatischen Kulturbegriff bewahren, aber einem etwas verqueren Elitismus das Wort reden und den Pop zum Hofnarren machen wollen, läuft es bei den anderen notwendig darauf hinaus, dem Staat und den Steuerzahlern Kultur als Wirtschaftsförderung zu verkaufen. Legitimationstheoretisch ist das jedoch eine echte Falle. Am Ende ist man gezwungen, an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Wohin das führt, ist am daniederliegenden öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur Zeit gut zu beobachten.

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