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Spurensuche: Adam Elsheimer: "Jupiter und Merkur im Haus von Philemon und Baucis", 1608/09. Abbildung: Dresden, Gemäldegalerie

Adam Elsheimer: "Jupiter und Merkur im Haus von Philemon und Baucis", 1608/09. Abbildung: Dresden, Gemäldegalerie

Wie bedeutend Gastfreundschaft ist, merken gerade Flüchtlinge aus Syrien, die in Europa ankommen. Adam Elsheimer wuchs im 17. Jahrhundert auch in eine Migrationskultur hinein - und malte ein Bild über Vertrauen in Fremde.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Wie bedeutend Gastfreundschaft ist, wusste auch Adam Elsheimer.

Auch das 17. Jahrhundert war in Europa ein Jahrhundert der Migranten. Katholiken und Protestanten bekämpften sich, die Spanier rekatholisierten Flandern. Etliche flämische Künstler mussten deshalb fliehen, nicht wenige fanden Asyl in Frankenthal bei Frankfurt. Und so blühte unverhoffterweise in der deutschen Provinz die Landschaftsmalerei auf, wie der Kunsthistoriker Martin Warnke in seiner "Geschichte der deutschen Kunst" darlegt (C. H . Beck Verlag).

In dieses Kulturengemisch wurde 1578 Adam Elsheimer hineingeboren, der wohl bedeutendste deutsche Maler des Barock. Er war umtriebig, bereiste nach seiner Lehre Venedig und Rom, heiratete dort eine Frankfurterin mit schottischem Migrationshintergrund und starb mit nur 32 Jahren; eine Nachricht, die Peter Paul Rubens das Herz zerriss, wie er bekundete - so viel hatte er sich noch erwartet von dem jungen Kollegen, der einen Sinn für Stimmungen und Details hatte wie kaum ein anderer Maler.

Elsheimer verstand sich auf die Nöte bedürftiger Reisender und die Hilfsbereitschaft Ansässiger. Einmal malte er die griechischen Götter Jupiter und Merkur, die inkognito an Hunderte Türen geklopft hatten und abgewiesen wurden - bis die armen alten Eheleute Philemon und Baucis die Fremden in ihre einfache Hütte luden. Der Mann bereitet bei Elsheimer das Essen, seine Frau bringt den Gästen Decken; sie sollen es gut haben. Eine Gans wackelt durch die Stube und weiß noch nicht, dass sie gleich als Gastmahl enden wird. Eine Lampe erleuchtet die einfache Holzkonstruktion des Daches und das einzige Gemälde an der Wand - es zeigt ausgerechnet Jupiters Liebesabenteuer. Goethe meinte, so werde der Gott von Adam Elsheimer verspottet - tatsächlich aber ehren die Alten ihn, ohne es zu wissen, und der sich behaglich zurücklehnende Jupiter genießt die Aufmerksamkeit sichtlich.

Elsheimer schildert die Details liebevoll, den Wandkorb, die Knoblauchzehen, den ausliegenden Fisch. Offenbar will er nicht eine alte Sage nacherzählen, sondern den Wert der Gastfreundschaft rühmen, die Vorschussvertrauen braucht. In dieser Woche nahmen die Münchner Tausende ankommende Flüchtlinge auf, hießen sie am Bahnhof willkommen, anstatt ihnen von vornherein zu misstrauen. Wer weiß, mit welchen neuen kulturellen Impulsen sie dafür einmal belohnt werden.

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