Spurensuche:Was wir jetzt wissen

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Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach immer wiederkehrenden Motiven. Das, was man Ergebnis nennt, ist oft nur der aktuelle Stand.

Von Susan Vahabzadeh

Wir sind auf einmal alle sehr viel älter geworden, sogar richtig viel älter. Nicht jeder Einzelne ist gealtert, sondern die Menschheit insgesamt. Bislang ging man davon aus, der moderne Mensch sei in etwa so alt wie die ältesten Knochen, die man von ihm gefunden hatte, in Äthiopien, und die sind, sagten die Forscher, 195 000 Jahre alt. In dieser Woche aber wurden in Paris ganz andere Ergebnisse vorgestellt - in Marokko kamen Knochen zum Vorschein, die Wissenschaftler für 300 000 Jahre alt halten. Das ist im Alltag nicht so wichtig, aber der genaue Ablaufplan der Menschwerdung muss nun neu geschrieben werden. Und außerdem gab es auch nicht nur einen Vorläufer des Homo sapiens, es existierten unterschiedliche Menschenarten, die zur gleichen Zeit lebten. Das ist der aktuelle Stand - bis jemand herausfindet, dass alles ganz anders war. Da unterscheidet sich eine archäologische Grabungsstätte nicht vom Geheimdienstausschuss des amerikanischen Senats, der auch dauernd mit wechselnden Nachrichtenlagen klarkommen muss.

Die ganze Menschheitsgeschichte ist ja sowieso ein Krimi, und da ist es vielleicht gar nicht weiter verwunderlich, dass immer wieder einmal ein Forscher dasteht wie Charles Laughton am Ende von Billy Wilders "Zeugin der Anklage" (1957). Laughton spielt den kränkelnden Strafverteidiger Sir Wilfried Robarts, der gegen den ausdrücklichen Wunsch seiner betulichen Privatkrankenschwester doch noch einen Fall angenommen hat. Sir Wilfried soll sich nicht aufregen, und nun nimmt er die Verteidigung eines Mannes namens Vole (Tyrone Power) an, den er für unschuldig hält. Und der dringend ein Gerichtsgenie braucht wie Sir Wilfried - die Beweislage ist nämlich ziemlich eindeutig. Vole hat eine reiche Witwe gemeuchelt, um an ihr Geld zu kommen. Am übelsten belastet ihn dann vor Gericht seine Ex-Frau Christine (Marlene Dietrich). Als ihm eine geheimnisvolle Frau Christines Liebesbriefe an einen anderen Mann zuspielt, bekommt Sir Wilfried seinen Mandanten frei.

Der Schluss von "Zeugin der Anklage" ist Legende, denn alles, was man bis dahin für Ermittlungsergebnisse hielt, erweist sich nur als Ermittlungsstand. Sir Wilfried hat sich verschaukeln lassen - er hat einen Mörder herausgehauen. Christine, ebenfalls betrogen, bestraft Vole dann außergerichtlich - das Kino hat gern eine klare Auflösung. In diesem Fall ist sie endgültig: ein tödlicher Messerstich.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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