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Spurensuche: Angebissen: Jack Nicholson gibt sich glaubhaft halbanimalisch in "Wolf" von 1994.

Angebissen: Jack Nicholson gibt sich glaubhaft halbanimalisch in "Wolf" von 1994.

(Foto: imago stock&people)

Der Wolf ist zurück in Europa, ganz physisch. In den Mythen, im kollektiven Gedächtnis war er nie verschwunden. Das Kino liebt den Wolf, weil er so gerissen ist - und im Menschen eine Furcht auslöst: Was, wenn wir ihm ähneln?

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. An Wölfen fürchten Menschen: Sie könnten sein wie wir

Der Wolf war schon fast entschwunden ins Reich der Märchen und Mythen, in unseren Breitengraden zumindest. Nun kommt er wieder vor in den westeuropäischen Wäldern, und mit ihm ist dann auch gleich die Unruhe zurückgekehrt, die er verbreitet unter den Menschen. Wölfe sind uns nicht geheuer. Ein Wolf ist auch nicht gefährlicher als, sagen wir mal, ein Bär - aber im Reich der Mythen und Märchen kommt der Wolf trotzdem schlechter weg.

Ins Kino hat der Wolf es dann vor allem immer dann geschafft, wenn es um die ganze alte Legende geht, die vielleicht am ehesten an den irrationalen Teil des Unbehagens rührt, das uns die Wölfe bereiten: Werwölfe, der Mensch, der zum Raubtier wird, der Stoff schaffte es immer wieder auf die Leinwand seit der Stummfilmzeit. Einer der prominentesten Vertreter des Raubtiermenschenmischmaschs war Jack Nicholson in "Wolf", von Mike Nichols, 1994. Vielleicht, weil Nicholson, nach objektiven Maßstäben eigentlich durchaus ein gut aussehender Mensch, die langsame Transformation in diesem Film so gut hinbekommt - ihm wachsen seltsame Koteletten, die Augenbrauen sehen plötzlich anders aus, aber der Rest ist in seinem Blick. Und zwar so, dass man glatt meint, dieses Wölfische in seinen Zügen sei eigentlich die ganze Zeit da gewesen, mindestens seit "Easy Rider".

Nichols' Film hat etwas von einer Parabel, die Geschichte spielt in der Welt der New Yorker Großverleger, und Raubtiere gibt es da ohnehin jede Menge. Nicholson spielt Will Randall, am Anfang ein pfeiferauchender, intellektueller Traditionalist. Der Verlag wird verkauft und Will wird von seinem neuen Boss (Christopher Plummer) gefeuert - Wills junger Zögling ist ihm in den Rücken gefallen und wird nun sein Nachfolger. Will, so wie er immer war, würde das vielleicht hinnehmen - aber er ist kurz zuvor von einem Wolf gebissen worden und heult neuerdings den Mond an. Und da wächst ihm nicht nur ein Fell; er findet eine animalische Verbündete in der Tochter seines neuen Ex-Chefs (Michelle Pfeiffer) und entwickelt eine Tücke, die ihm vorher fremd war .

Das ist es dann wohl, was so beunruhigend ist am Wolf: Er tötet, sagt man ihm nach, nicht nur, um seine Beute zu fressen, sondern manchmal aus Wut, Lust, oder gar aus Bosheit. Das tun auch Menschen, immer wieder - ganz ohne Fell und Vollmond.

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