Spurensuche:Kluger Wirrkopf

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Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Forscher hatten immer schon einen schweren Stand.

Von Fritz Göttler

Der Chemieprofessor Julius Kelp ist ein Underdog, in der Riege der pädagogischen Jammerlappen schlägt er den Professor Rath von Emil Jannings, im Film "Der Blaue Engel", um Längen. Im Gegensatz zu dessen ist Kelps Leben freilich alles andere als grau, in seinem Uni-Chemielabor hantiert er mit Pulvern und Tinkturen in den leuchtendsten Farben - die Sechziger, in denen Jerry Lewis Kelp verkörperte in seinem Film "The Nutty Professor/Der verrückte Professor", waren die Blütezeit des Technicolor. Das Arbeiten an der Uni heute ist wieder eher gräulich, die Bedingungen stressig und die Förderung unzureichend.

Es war die Zeit auch, da die Wissenschaftler schräg angesehen wurden, sie hatten immerhin Sachen wie die Atombombe erfunden und fingen an, sich soziologisch ins Leben der normalen Bürger immer weiter einzumischen. Professor Kelp gehört da noch zu den eher introvertierten. Er kriegt große Kinder-Kuller-Augen, wenn er am Labortisch zu mischen anfängt, ein infantiler Typ, der versucht, was für eine absonderliche Idee, dem Leistungszwang der modernen Gesellschaft zu entfliehen in die Freiheit der Wissenschaft. Julius Kelp steckt fest in der unerbittlichen Hierarchie an den amerikanischen Universitäten - wenn er zu seinem Präsidenten gerufen wird, muss er in einem Sessel Platz nehmen, in dem er sofort auf Nahezu-Erdboden-Niveau herabsinkt - und ist Opfer seiner eigenen unerfüllten/unerfüllbaren Begehrlichkeiten, der blonden Studentin gegenüber (Stella Stevens).

Die amerikanische Komödie ist in den Sechzigern ein großartiges Labor der Gesellschaftsanalyse und -kritik geworden, dank Filmemachern wie Billy Wilder und Frank Tashlin und Tashlins Schüler Jerry Lewis - acht Filme hat der mit ihm gemacht, "The Nutty Professor" war dann 1963 Lewis' vierter in Eigenregie.

Das nutty geht in diesem Film weit über das Zerstreute hinaus, das dem Professor immer als Attribut anhängt, es ist kerniger, sinnlicher, stimulierender. Um die Studentin zu gewinnen, wird der Professor bedenkenlos, er braut sich ein Mittel zusammen, das ihn zum hemmungslosen Monster Buddy Love macht- seit seiner Jugend hatte Jerry Lewis Stevensons Jekyll & Hyde verfilmen wollen. Später konnte er dann nie verstehen, warum die Frauen auf dieses Sexmonster Buddy Love so standen: "Warum liebt ihr ihn! Er ist ein Ekel. Ein gemeiner, grober, unhöflicher Bastard mit schlechten Manieren."

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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