Spurensuche:Käsevorrat

Spurensuche: Die Käsemalerin Clara Peeters komponierte dieses Frühstück um 1615.

Die Käsemalerin Clara Peeters komponierte dieses Frühstück um 1615.

(Foto: Margareta Svensson/Mauritshuis, Den Haag)

Die Deutschen sollen für den Katastrophenfall Lebensmittel hamstern, rät die Bundesregierung. Nützt das? Barockkünstler feierten und entlarvten die Illusion, frische Zutaten seien von Dauer. So lässt sich dem Tod nicht trotzen.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Clara Peeters beschäftigt sich mit haltbaren Lebensmitteln

Hamsterkäufe! Das empfiehlt das überarbeitete Zivilschutzkonzept der Bundesregierung, und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz präzisiert, 28 Liter Wasser pro Person seien für den Katastrophenfall bereitzuhalten, auch 4,9 Kilo Getreideprodukte und Kartoffeln, 5,6 Kilo Hülsenfrüchte und Gemüse sowie reichlich Trockenobst und Hartkekse. Das dürfte zumindest in München angesichts der Quadratmeterpreise von Mietwohnungen zu Lagerproblemen führen. Und, welche Lebensmittel sind überhaupt sinnvoll im Vorratsschrank, wenn auch das Wasser zum Kochen fehlen könnte und das Amt rät: "Alle Lebensmittel sollten ohne Kühlung längerfristig haltbar sein."

Die Haltbarkeit von Lebensmitteln ist in der Barockkunst ein beliebtes Thema, schließlich lässt sich an frischen Trauben und gerade erst erlegten Rehen einiges verhandeln: Auf einem Stillleben über dem Esstisch erzählen sie vom Wohlstand und dem Genießertum des Hausbesitzers; zugleich aber erinnern sie immer auch daran, dass die echten Äpfel, Austern und aufgeschnittenen Orangen im Gegensatz zu den gemalten nur wenige Tage halten. Gerade in ihrer Pracht lassen viele Lebensmittel Fäulnis und Tod erahnen. Manchmal findet sich auf den Bildern des Barock sogar ein menschlicher Schädel zwischen Blumen, Besteck und Nahrungsmitteln.

Clara Peeters war eine flämische Stillleben-Malerin im frühen 17. Jahrhundert. Als eine von wenigen Frauen im Kollegenkreis musste sie sich auf ein Nischenthema spezialisieren, um auf dem Kunstmarkt etwas zu werden. Sie wählte den Käse. In Peeters' Wohnorten Antwerpen, Amsterdam und Den Haag galt Käse als identitätsstiftend. Und er war teuer, jedenfalls in größeren Mengen. Um 1615 malte sie für eine Kundschaft, die es sich leisten konnte, sehr präzise gleich drei Sorten Hartkäse, etwas Butter, ein Brötchen, zwei Brezeln und eine kostbare chinesische Schale voller Mandeln, getrockneten Feigen und Rosinen. Sie selbst zeigt sich in der Signatur auf dem Messer und in einem kleinen Selbstporträt, in einer Spiegelung oben auf dem Krug.

Es ist eine Illusion von Beständigkeit, die sich auf dem Frühstückstisch auftut. Nicht alles, aber einiges, was hier steht, wird den Tag überdauern. Schimmel, Hunger, Tod? Finden anderswo statt. Erst einmal langen alle zu und genießen, was sie haben. Und Clara Peeters sorgt nebenbei klugerweise dafür, dass ihr Name 400 Jahre überdauert.

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