Sportfernsehen - und was davon übrig blieb:Brüste und Gurkenhobel

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Mit so sportlichen Themen wie Poker und Homeshopping verdient das DSF nach langer Krise wieder Geld - gelegentlich verirrt sich auch eine Bundesliga-Konserve ins Programm.

Elmar Jung

Man kann Rainer Hüther zu seiner Arbeit eigentlich nur gratulieren. Er hat das Deutsche Sportfernsehen DSF saniert. 2003 wurde er zum zweiten Mal DSF-Geschäftsführer - da sollte er den angeschlagenen und aus Leo Kirchs Insolvenzmasse erworbenen Sender aus den roten Zahlen bringen.

DSF-Moderatorin Lacroix zeigt bei richtigen Quiz-Antworten die Brüste. (Foto: Foto: DSF)

Für 2006 konnte Hüther nun 11,5 Millionen Euro Gewinn vermelden, der Marktanteil bei Männern zwischen 14 und 49 Jahren lag für das Spartenprogramm bei beachtlichen 1,8 Prozent. 2006, sagte Hüther während der Hauptversammlung vorigen Mittwoch in München, sei das erfolgreichste Jahr seit Gründung des Senders 1993 gewesen.

Seinen Abschied vom DSF hatte er im Februar bekannt gegeben. Im Vorstand des kürzlich umbenannten Mutterkonzerns, der börsennotierten EM.Sport Media AG (vormals EM.TV), ist der 44-Jährige aber weiter aktiv.

Der Sanierungsjob beim DSF sei beendet, meinte Hüther. Mission erfüllt. Doch leider ist bei der wirtschaftlichen Konsolidation des Deutschen Sportfernsehens eine Kleinigkeit auf der Strecke geblieben: der Sport.

Homeshopping statt Handballiga

Keine Frage, das DSF hat sich gewandelt. Sendezeiten für Sportbeiträge müssen immer häufiger für Call-in- und Homeshopping-Formate weichen. Sport gibt es höchstens zwischen 16 und 23 Uhr. Haben die Ligen Pause, sind sogar in der Hauptsendezeit aktuelle Sportereignisse rar. Formate wie Die Autoprofis - das Werkstatt-Duo oder Bundesliga pur Klassiker füllen die Lücken.

Dann kann ein Tag schon mal so aussehen: Morgens zeigt das DSF einige Herren, die an einem Tisch sitzen und Karten klopfen. Sie spielen Poker. Poker ist in Deutschland fast zu einem Massenphänomen geworden. Ist das Sport? Nein. Kurz darauf spielt Moderatorin Daniela Elger im täglichen Sportquiz mit den Zuschauern ein frühes Begrifferaten, im Anschluss werden Gurkenhobel und Zwiebelschneider feilgeboten.

Dann endlich Sport? Nein. Statt dessen gibt es eine Reportage mit dem Titel Alles im Fluss - oder die Kunst, Strudelwürmer zu finden. Das mag schweißtreibend sein, auch wenn der Strudelwurm kein Gehirn besitzt. Sport ist es aber nicht.

Danach müht sich gegen 16 Uhr das Peloton über einen Alpenpass. Die Tour de Suisse überträgt das DSF live. Das ist Sport. Radsport zwar, der wegen Dopings in Verruf geraten ist. Aber man will jetzt nicht meckern. Immerhin zeigt das DSF zum ersten Mal überhaupt an diesem Tag Sport. Das war es dann aber auch wieder.

Es folgen Werkstatt-Soap und Bundesliga-Konserve, Pokerturniere und Männer TV. Bei der anschließenden, freizügigen Variante des Sportquiz heißt die Moderatorin nicht mehr Daniela Elger sondern Cheyenne Lacroix, und bei richtigen Antworten zeigt sie den Zuschauern ihre Brüste. Die restlichen Programm-Slots, also bis um sechs Uhr morgens, wenn wieder einige Herren pokern, werden mit mal mehr, mal weniger frivolen Sport Clips gefüllt. So weit der Tag.

Bislang ist zumindest beim DSF wenig zu sehen von der großen Sport-Offensive, die EM.Sport-Chef Werner Klatten vorantreiben will. Im Mai kündigte der 61-Jährige den Verkauf der Konzernsparte Unterhaltung an und will diesen Kurs auch mit Blick auf die Unternehmensstruktur halten.

Der Süddeutschen Zeitung sagte Klatten im Interview: "Wachstum gibt es im Sport in fast allen Bereichen." Die größte Dynamik sieht der Manager, der nach dem Börsenabsturz als Sanierer zum einstigen New-Economy-Star EM.TV kam, derzeit allerdings in der Internetplattform Sport 1. Beim DSF als Free-TV-Sender sei das Wachstum "sicher begrenzt", so Klatten.

Das klingt nicht gut für den Kanal, der über Kabel, Satellit und terrestrisch mehr als 30 Millionen Haushalte erreicht. Dabei liest sich die Liste der DSF-Sportrechte umfangreich. Neben Erst- und Zweitverwertungsrechten von Begegnungen der Fußball-Bundesliga durfte der Sender in der vergangenen Saison auch ein Livespiel pro Spieltag der UEFA Champions League zeigen. Das Format Champions TV lieferte der Bezahlsender Premiere. Hinzu kommen unter anderem Handball-Bundesliga, Tennis, Basketball, Motorsport und Golf.

Viele Sportrechte weisen aber auch Schwächen auf. UEFA-Cup-Spiele gibt es beim DSF beispielsweise nur bis zum Viertelfinale zu sehen, und bei der Eishockey-WM 2007 der Herren durften keine Partie mit deutscher Beteiligung gezeigt werden. Dass dann trotzdem eine solche Begegnung im DSF lief, hat der Sender den Öffentlich-Rechtlichen zu verdanken, die in ihrem Programm einfach keinen Platz mehr hatten.

Die Liverechte der Formel-1-Saison 2007 beschränken sich auf das erste und zweite freie Training am Freitag. Das eigentliche Rennen gibt es in einer 90-minütigen Zusammenfassung. Fans haben sich das Spektakel da schon live bei RTL angeschaut. Letztlich mangelt es den Sportrechten oft an der entscheidenden Attraktivität - auch wenn Rainer Hüther bei der Hauptversammlung Dart, Bowling und Poker als "Premiumsport" preist.

EM.Sport gibt keine Auskunft darüber, wie viel Geld in DSF-Sportrechte fließt. "Es gibt Zahlen, die wir grundsätzlich nicht kommunizieren", heißt es. Man kann allerdings den Eindruck gewinnen, dass hier wohl große Summen im Spiel sein müssen. Denn mit dem Aufwand für die Sportrechte erklärt der Sender die vielen Quizshows, Werbesendungen und Erotik-Filmchen.

"Wir brauchen diese Fläche, um die Sportrechte zu refinanzieren", sagt DSF-Geschäftsführer Oliver Reichert. Im Unterschied zu ARD und ZDF müsse man Geld verdienen. Mittlerweile stammen 43 Prozent der Gesamteinnahmen beim DSF aus T-Commerce, also vor allem aus Erlösen aus den Telefonanrufen der Zuschauer. 57 Prozent kommen aus klassischer Werbung.

Der Sportanteil an der Sendezeit solle sich sukzessive erhöhen, sagt Reichert. 2006 waren es 835, dieses Jahr wolle man auf 1075 Stunden kommen. Momentan überträgt der Sender immerhin live das Tennisturnier aus Wimbledon. Ein echtes Highlight. So etwas ist beim Deutschen Sportfernsehen selten geworden.

© SZ vom 2.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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