Spielzeit 2017/18:Das geistige Band des Mitgefühls

Die Staatsoper hat ihre Pläne für die neue Spielzeit vorgestellt. Der "Parsifal" gibt das Motto vor: "Zeig mir Deine Wunde"

Von Christian Krügel

Preisfrage: Wer setzt sich freiwillig an einem sonnigen Sonntagmorgen im Frühling in ein dunkles Theater, um drei Männern zuzuhören, die im Smalltalk über Programme und Projekte ferner Zukunft reden? In München ist die Antwort klar: die fanatischen Opernfreunde dieser Stadt. Die Staatsoper hatte zur öffentlichen Präsentation ihres Programms für die kommende Spielzeit ins große Haus des Nationaltheaters geladen - und mehr als 2000 Zuschauer kamen. Wobei Präsentation ja nicht heißt, dass es da ein Best-of der Spielzeit zu sehen und hören gäbe, mit Staatsorchester und -ballett, mit Primadonnen und Solotänzern und so. Nein, auf kahler Bühne plaudern Intendant Nikolaus Bachler, sein Ballettchef Igor Zelensky und Generalmusikdirektor Kirill Petrenko über das, was die Münchner demnächst erwartet, ergänzt um Videoclips und viel Charme und Witz, aber einer Bilanzpressekonferenz doch nicht unähnlich. Münchens Aficionados ist das egal: Sie lechzen nach Opern-Nachrichten, von denen sie sagen können, der Staatsopernchef habe sie ihnen quasi persönlich erzählt.

Zelensky Petrenko Bachler

Ballettchef Igor Zelensky, Generalmusikdirektor Kirill Petrenko und Intendant Nikolaus Bachler (v. l.).

(Foto: Wilfried Hösl)

Und Bachler hat ja auch was zu bieten: Die gesamte Spielzeit wird sich an einem großen Höhepunkt ausrichten, einer Neuinszenierung von Wagners "Parsifal". Den wird Petrenko zum ersten Mal dirigieren, mit einer Besetzung, die auch gut das Ergebnis eines Publikumsvotings "München sucht seine Lieblingssänger" hätte sein können: Jonas Kaufmann mimt den Parsifal, Nina Stemme die Kundry, ergänzt um Christian Gerhaher und Wolfgang Koch. Und weil das noch nicht reicht, steuert Georg Baselitz (Bachler: "Einer der größten Künstler unserer Zeit") das Bühnenbild bei, genauer gesagt zwei eigens angefertigte Vorhänge, aber auch Bilder und Gegenständliches für die Bühne. Petrenko und er hätten sich den "Parsifal" lange aufgehoben, erzählt Bachler. Baselitz, der auch einer dieser Münchner Opern-Fanatiker ist, habe sich eine Zusammenarbeit immer nur bei Wagners Erlösungsdrama vorstellen können. Zu den Festspielen 2018 kommen also nun alle zusammen, so dass ein Parsifal-Motiv auch das Spielzeit-Motto vorgibt: "Zeige mir Deine Wunde". Das Mitleid des Titelhelden, das Mitgefühl mit der Welt sei das "geistige Band", dass die Premieren der Saison verbinde, so Bachler. Zunächst muss der Opernfreund aber erst mal ein paar Wunden aufreißen. Ganz praktisch, indem er das Titelcover der Saisonbroschüre (Illustrationen, klar, von Baselitz) zerreißen muss, um diese zu öffnen. Verwundungen könnte es sonst allenfalls geben, wenn Frank Castorf Janačeks "Aus einem Totenhaus" inszeniert - seine erste Arbeit für die Staatsoper, weshalb bei seinem Namen ein leicht nervöses Raunen durchs Haus ging. "Genau der Richtige für dieses Stück", glaubt aber Bachler. Wunden dürften sonst die Opernfans beim Kartenvorverkauf davontragen, so viel Publikums- und Verkaufsträchtiges wird geboten. Etwa ein neuer "Figaro" (Regie: Christoph Loy) mit Christian Gerhaher, Verdis Monster-Oper "Die sizilianische Vesper" erstmals seit 50 Jahren neu inszeniert, dazu im Repertoire viel mit den Lieblingen Kaufmann und Co. Und für die Ballettfreunde unter anderem die München-Premiere des deutschen Choreografen Christian Spuck ("Anna Karenina").

Die Premieren 2017/18

Le nozze di Figaro (W. A. Mozart) Inszenierung: Christof Loy; Dirigent: Constantinos Carydis; Sänger u.a. Christian Gerhaher, Alex Esposito, Olga Kulchynska.26. Oktober 2017

Il Trittico (G. Puccini) Inszenierung: Lotte de Beer, Dirigent: Kirill Petrenko; Sänger u.a. Wolfgang Koch, Ermonela Jaho, Eva-Maria Westbroek. 17. Dezember 2017

Les Vêpres Siciliennes (G. Verdi) Regie: Antù Romero Nunes; Dirigent: Omer Meir Welber; Sänger u.a. Erwin Schrott, Carmen Giannattasio, Bryan Hymel. 11. März 2018

Aus einem Totenhaus (L. Janaček) Inszenierung: Frank Castorf; Dirigentin: Simone Young; Sänger u.a. Peter Rose, Bo Skovhus, Aleš Briscein. 21. Mai 2018

Parsifal (R.Wagner) Inszenierung: Pierre Audi; Bühne: Georg Baselitz; Dirigent: Kirill Petrenko; Sänger u.a. Jonas Kaufmann, Nina Stemme, Christian Gerhaher.28. Juni 2018

Orlando Paladino (J. Haydn) Inszenierung: Axel Ranisch; Dirigent: Ivor Bolton; Sänger u.a. Sofia Fomina, Edwin Crossley-Mercer, Tara Erraught. 23. Juli 2018

Ballett

Anna Karenina (Musik von Rachmaninow und Lutosławski) Choreographie: Christian Spuck. 19. November 2017

Portrait Wayne Mc Gregor (Musik u.a. von Vivaldi/Richter) Choreographie: Wayne Mc Gregor mit drei Stücken, davon eine Uraufführung. 14. April 2018

Im Mittelpunkt aber steht Kirill Petrenko, dessen Zeit in München langsam zu Ende geht. Also wird er ein letztes Mal im Januar und Februar Wagners "Ring" dirigieren - um sich ansonsten zu Neuem aufzumachen. Von einer "Saison voller Fragezeichen und Neuem", spricht er selbst. Zum Beispiel mit Puccinis Dreier-Oper "Il trittico", die er erstmals dirigiert, mit seiner ersten Tournee nach Japan und einem ersten "Rosenkavalier"-Gastspiel in der Carnegie Hall in New York. Wer nach Petrenkos Wechsel nach Berlin kommen wird, ist offen. Dem Vernehmen nach wird derzeit mit zwei, drei Kandidaten verhandelt. Bis zur Sommerpause soll es ein Ergebnis geben, um es im Herbst zu verkünden. Nikolaus Bachler sagt dazu kein Wort, sondern nur so viel: "Schon schön, dass wir Petrenko noch haben." Und 2000 Fans antworten mit einem tiefen Seufzer und donnerndem Applaus.

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