Spielstättenprogrammpreis:Gut gemeint, schlecht gemacht

Fehlende Kriterien, kaum Diskussionen: "Applaus", der Preis zur Förderung von privaten Clubs, kommt aus seiner Schieflage nicht heraus

Von Oliver Hochkeppel

Nie gab es so viele so gute Jazz-, Rock- und Popmusiker in Deutschland wie heute. Und noch nie war ihre wirtschaftliche Situation prekärer - trifft sie bei steigender Konkurrenz und abseits hoher öffentlicher Subventionen der Niedergang der Plattenindustrie doch ganz besonders. Es war also eine richtige und wichtige Idee, das Los der Musiker über eine Förderung ihrer wichtigsten künstlerischen wie finanziellen Basis zu verbessern: über die Unterstützung der privaten Clubs. "Spielstättenprogrammpreis" hieß das in langen Jahren vor allem von Musikerinitiativen wie der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) und der Bundeskonferenz Jazz erkämpfte Ergebnis, vergeben von der "Initiative Musik". Eine Million Euro immerhin stellte der Bund zur Verfügung.

Man kann nicht behaupten, dass die gute Idee einen guten Start gehabt hätte. Als vor zwei Jahren zum ersten Mal 55 Clubs und Veranstalter in den nach der Zahl der Veranstaltungen eingeteilten drei Kategorien ausgezeichnet und mit 5000, 15 000 und 30 000 Euro bedacht wurden, dauerte es keinen Tag, bis dem vielversprechenden Auftakt Ernüchterung folgte. Thomas Vogler, Inhaber der gleichnamigen Münchner Jazzbar, der sich erfolglos beworben hatte, nahm die prämierte Unterfahrt unter Beschuss, weil sie sich seiner Meinung nach als geförderte Einrichtung nach den Statuten nicht hätte bewerben und erst recht nicht ausgezeichnet hätte werden dürfen. Was nach Neiddebatte und Selbstzerfleischung aussah, lag doch im wesentlichen daran, dass die Kriterien einer "De Minimis"-Regelung nicht sauber formuliert worden waren. Kompliziert und nicht völlig einleuchtend ist die Sache immer noch. Ausgeschlossen ist demnach eine Doppelförderung mit Bundes- oder EU-Mitteln, aber nur bedingt kommunale Zuschüsse.

Spielstättenprogrammpreis: Staatsministerin Monika Grütters (rechts) verleiht einen Hauptpreis an Ina und Emmerich Hörmann von "Zoglau 3 - Raum für Musik".

Staatsministerin Monika Grütters (rechts) verleiht einen Hauptpreis an Ina und Emmerich Hörmann von "Zoglau 3 - Raum für Musik".

(Foto: Ralf Dombrowski)

Schlimmer aber waren andere Schieflagen, die nach und nach bekannt wurden. In der Jury saßen Preisträger; speziell die Hamburger Clubs waren über das "Clubkombinat" eng mit der Jury verflochten, und das "Uebel & gefährlich", wo die Verleihung stattfand, bekam nicht nur einen Hauptpreis, sondern dazu noch 68 000 Euro für die Ausrichtung der Party, insgesamt also mehr als zehn Prozent der gesamten Fördersumme. Auch im folgenden Jahr sah es kaum besser aus, vor der Hamburger Markthalle gab es sogar eine kleine Demo von Pop-Aktivisten.

Heuer sollte nun alles besser werden. Angefangen vom neuen, griffigen Namen "Applaus" über eine neue Jury bis zur Verlegung des Festaktes an nun jährlich wechselnde Orte. Doch schnell war es vergangene Woche in der Münchner Muffathalle mit Friede, Freude, Eierkuchen wieder vorbei. Man musste nicht lange nachfragen, um zu erfahren, dass sich die Jury komplett verkracht, ja, dass es eine Frontstellung der vier Jazzvertreter gegen die fünf Popdelegierten gegeben hatte. Ein offener Brief konnte mit Mühe unterdrückt werden, doch die Jazzmusikerin Angelika Niescier reiste aus Protest gar nicht zur Verleihung an. Und auch Jurymitglied Cornelia Vossebein, Geschäftsführerin der Zeche Carl in Essen, deutete auf der Bühne ihre Enttäuschung an, dass so wenig inhaltlich diskutiert worden wäre. Sieht man sich die Verleihung genauer an, registriert man in der Tat eine auffällige Zunahme der prämierten Pop-Clubs. Und ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, scheinen manche Prämierten eher über guten Willen als ein herausragendes Programm zu verfügen, während etwa einer der wichtigsten Jazzclubs wie das Kölner "Loft" fehlt. Und auch die ursprüngliche Förderidee der Musiker - Stichwort Mindestgage - ist fast völlig aus dem Blickfeld geraten.

64 Spielstätten

haben Anfang dieser Woche in der Muffathalle den "Applaus", die Auszeichnung für "herausragende Live-Musikprogramme", in drei nach der Zahl der Veranstaltungen gestaffelten Kategorien erhalten. Zwölf der prämierten Clubs kamen dabei aus Bayern.

Deutlich wird ein strukturelles Problem. Zwar finden in der Musik Pop und Jazz inzwischen problemlos zueinander, doch kommen sie nach wie vor von völlig unterschiedlichen Seiten, was ihre Szene, ihre Arbeitsbedingungen und auch ihre Ästhetik angeht. Die Jazzmusiker, um die es geht, sind meist, vergleichbar der Klassik, ausgebildete Berufsmusiker, die Popmusiker überwiegend Nebenberufler. Ein Jazzclub hat ein anderes Publikum als ein Popclub und kann sich zum Beispiel schwer über Vermietung oder Samstag-Abend-Partys finanzieren. Steht die Bundeskonferenz Jazz für eine Förderung nach künstlerischen Gesichtspunkten, so die Pop-Parallelorganisation Live-Komm für eine musikwirtschaftliche. Reiner Michalke vom Stadtgarten Köln und andere schlagen deshalb inzwischen eine Trennung von Jurys und Preisen vor. Kein wirklich schöner Gedanke, aber wohl ein notwendiger.

Übrigens, nur damit die Relationen klar werden: Wäre der "Applaus" mit der Summe ausgestattet, die die (ziemlich missratene) Renovierung des Harras gekostet hat oder gar mit einem Drittel des Etats eines der großen Philharmonischen Orchester, dann wäre diese ganze Diskussion wohl gegenstandslos. Denn dann wäre eine Grundsicherung der meisten Clubs, also des Schlüsselbereichs für die kreative Entwicklung der Musik wie der Jugendkultur, bereits erreicht.

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