Spektakel:Kometenkitsch

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Die europäische Weltraumorganisation ESA feiert das Ende ihrer Raumsonde Rosetta - und hat einen Soundtrack dazu komponieren lassen. Natürlich vom griechischen Bombastpop-Spezialisten Vangelis.

Von Jan Kedves

Wie traurig! Am Freitagmittag um 12.40 Uhr wird Rosetta, die Sonde der europäischen Weltraumorganisation Esa, ihre letzte Umrundung des Kometen Tschuri in 7,1 Milliarden Kilometern Entfernung beendet haben und auf dessen Oberfläche zerschellen. Crash, boom, bang! Was für eine schreckliche Vorstellung! Ein stiller Tod im All. Man weiß ja, dass es den dramatischen Knall, der in Filmen immer ertönt, wenn im All etwas kollidiert oder explodiert, in Wahrheit gar nicht gibt. Im All ist Vakuum, da hört man nichts. Stille Tode haben aber nun mal die Angewohnheit, in der Imagination besonders laut zu dröhnen. Deswegen gibt es zum großen Finale nicht nur einen Livestream (rosetta.esa.int), sondern auch einen offiziellen Soundtrack: "Rosetta" (Decca). Er wurde von dem Fachmann für Imaginationsmusik komponiert: Vangelis. Der 73-jährige Grieche, bürgerlich Evangelos Odysseas Papathanassiou, hat in seinem Synthesizer-Studio schon einige tolle Todesmusiken komponiert. Etwa zur Erschießung der Replikantin Zhora in "Blade Runner" (1982). Zhoras stummen Todeskampf untermalte er mit eiskalten Plastikgeigen, dazu schmierte er ein laszives jazziges Stripklubsolo in die Tasten.

Bald ist es aus mit ihr: Rosetta befindet sich auf Kollisionskurs. (Foto: J. Huart/AP)

Für "Rosetta" hat Vangelis nun alles aufgefahren, was sein Studio zu bieten hat. Und die Frage, warum Weltraummusik eigentlich immer so schrecklich kitschig klingen muss, beantwortet sich von selbst: Wie sollte sie denn sonst klingen? Der Mensch muss sich die Unwirtlichkeit des Alls doch ein bisschen heimelig austapezieren, und das geht nur mit episch-heroischem Klangbombast. Im Stück "Sunlight" spielt Vangelis eine Schmachtmelodie, zu der im Werbefernsehen eine Ferrero-Rocher-Praline ausgepackt werden könnte. In "Mission Accomplie (Rosetta's Waltz)" treibt majestätisches Kriegsgetrommel das Orchester zum Schwelgen. Im Finale "Return to the Void", mit dem Rosetta quasi beerdigt wird, klimpert Vangelis aber nur noch ein bisschen elegisch, eher beiläufig auf der Sternenorgel herum. Kein Knall, nur sehr viel Hall. Ist Vangelis das Pathos ausgegangen? Das hat Rosetta nicht verdient.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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