SPD-Medienbeauftragter Eumann:Das ewige Talent

Er ist mit verantworlich dafür, dass der Wechsel von Günther Jauch zur ARD scheiterte: Marc Jan Eumann macht in der SPD-Medienpolitik gerne den Strippenzieher. Doch noch wartet er auf den Durchbruch.

Hans Hoff

Wenn man Marc Jan Eumann eine Weile beobachtet, kommt man nicht auf die Idee, einen vor sich zu haben, der Menschen nachhaltig verschrecken kann. Vielmehr wirkt der 42-jährige Kölner SPD-Politiker auf ganz besondere Art zuvorkommend und manchmal sogar ein bisschen servil.

Den Eindruck erweckt zumindest sein Messdienerlächeln, das dem NRW-Landtagsabgeordneten auch nach vierstündiger Sitzung noch einen Hauch von jugendlicher Frische verleiht. Kaum zu glauben, dass hinter dieser Fassade ein echter Gremien-Gremlin stecken soll, einer, der mitverhindert hat, dass Fritz Pleitgen eine dritte Amtszeit als WDR-Intendant antreten konnte, einer, der nicht unwesentlich daran beteiligt war, dass der Wechsel von Günther Jauch zur ARD scheiterte.

Den Ausdruck Gremien-Gremlin hat Jauch populär gemacht, als er im Januar 2007 begründete, warum er am Ende langer Verhandlungen mit der ARD doch nicht Nachfolger von Sabine Christiansen werden wollte. Jauch machte deutlich, dass er wenig Lust verspüre, den Mitgliedern irgendwelcher Räte, Kommissionen oder Ausschüsse bei öffentlicher Profilsuche zu helfen. Er nannte sie Gremien-Gremlins. "Ich bin sicher, dass er auch mich damit meinte", sagt Eumann, und man kann dem einen Hauch von Stolz entnehmen. Als Mitglied des WDR-Rundfunkrates hatte sich Eumann zu Wort gemeldet und den angestrebten Spagat Jauchs zwischen RTL und dem Ersten kritisiert. "Wenn Günther Jauch etwas bei der ARD machen würde, fände ich das klasse. Es muss aber der ganze Jauch sein", sagt Eumann noch heute.

Wichtige Schnittstelle

Er sieht sich als Mann mit Einfluss, eine wichtige Schnittstelle im politischen Mediengeschäft dieser Tage, eine, die man nutzen muss, wenn man was will. Man merkt das, wenn man sich seinen Terminplan vom vergangenen Montag anschaut. Kurz nach acht war er da in Berlin, wo er eine kleine Zweitwohnung hält, zum Frühstück verabredet mit Verena Wiedemann, der ARD-Generalsekretärin, um 9.30 Uhr eilte er ins Café Einstein zu einem Gespräch mit dem Privatsender-Lobbyist Jürgen Doetz und Kirch-Adlatus Dieter Hahn, bevor es im Taxi zum Funkhaus des RBB ging, wo sich die medienpolitischen Sprecher der Landtage trafen, um über den zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu sprechen.

Im Taxi dorthin erzählt Eumann von den aktuell spannenden Zeiten, in denen sich die Medien frisch formieren, in denen sich auf digitaler Basis eine neue Welt entwickelt, in der er kräftig mitzumischen gedenkt. Seit Juli 2006 ist er Nachfolger von Kurt Beck als Vorsitzender der SPD-Medienkommission. Nun zieht er die Strippen im parteipolitischen Abstimmungsgeschäft, zumindest was die Fragen der medialen Zukunft angeht.

"Mich hat noch keiner eingeladen"

Außerhalb der Partei haben das noch nicht alle gemerkt, weil sein Vorgänger sich nach wie vor gerne mal zu Grundsatzfragen von medienpolitischer Bedeutung äußert. Aber auch, weil die Probleme der Zukunft oft so kompliziert sind, dass sie sich für ein schnelles Statement schlecht eignen und weil die Beschäftigung mit einem Wortungetüm wie Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht so sexy wirkt. In Talkshows ist Eumann daher bislang nicht zu sehen. "Mich hat noch keiner eingeladen", sagt er, der durchaus um das Sperrige seines Themas weiß. "Man kann medienpolitische Themen schlecht in 90 Sekunden erklären."

Um zwölf Uhr beginnt im 14. Stock des RBB-Hochhauses die Sitzung der SPD-Medienkommission, an der auch diverse Experten teilnehmen. Noch vor der Tür des Sitzungssaales ist allein über die Lautstärke der Redebeiträge zu vernehmen, dass es im internen Teil heftig zur Sache geht, dass nicht nur mit dem Florett, sondern auch mal mit der Keule gefochten wird. Als Maschinenraum der Politik hat eine ARD-Vertreterin die Versammlung zum Start bezeichnet. Wenn das Bild stimmt, dann könnte Eumann der mit dem Ölkännchen sein, der dafür sorgt, dass sich die Räder mehr oder weniger reibungslos in eine vorbestimmte Richtung drehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Eumann in der SPD eine kleine Rebellion in Gang setzte und für mehr Offenheit im Rundfunkrat kämpft.

Das ewige Talent

Als sich nach zwei Stunden die Türen auftun, fällt der erste Blick auf den Vorsitzenden, der gerade wieder sehr freundlich lächelt, so als sei alles ruhig und harmonisch verlaufen. "Ich bin kein Mensch, der zu Depressionen neigt", wird Eumann später sagen und sich über das Wort Messdienerlächeln wundern. Messdiener war er mal, aber viel anfangen kann er mit der Einschätzung nicht. Ins Nachdenken kommt er erst, als ihm Tage später seine Sekretärin im Düsseldorfer Landtag eine Alternative vorschlägt. Das sei kein Messdienerlächeln, sagt sie, das sei ein Waisenkindlächeln.

Dabei wuchs Eumann am linken Niederrhein in durchaus behüteten familiären Verhältnisse auf und trat 1987 nach der verlorenen Bundestagswahl in die SPD ein. Bis 1991 studierte er Geschichte und Völkerrecht, weil er Journalist werden wollte. Dem machte aber der damalige Kölner Oberbürgermeister einen Strich durch die Rechnung, der ihn als Redenschreiber holte. Von dort wechselte er ins Arbeitsministerium nach Düsseldorf, wo er sich für Franz Müntefering um die Kommunikation kümmerte. "Da habe ich fast alles über Politik gelernt", urteilt Eumann.

Wichtige Erfahrung

Was er wusste, setzte er um und kandidierte 1995 erstmals siegreich für den NRW-Landtag. Dass Medien dort rasch zu seinem Spezialgebiet wurden, mag an seinem Wahlkreis liegen. In Köln-Mülheim wird schließlich jede Menge Fernsehen hergestellt. Harald Schmidt und Stefan Raab zeichnen dort auf, und die Firma Brainpool sorgt für Nachwuchs in Sachen TV-Komik.

Die steile Karriere erhielt indes einen Dämpfer, als 2002 der Kölner Spendenskandal Wellen schlug. Auch Eumann hatte von der Partei eine Spendenbescheinigung angenommen, ohne sie ausreichend geprüft und hinterfragt zu haben. Das gegen ihn eingeleitete Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft indes gegen Zahlung eines niedrigen vierstelligen Betrags an eine gemeinnützige Organisation ein. "Ich habe einen Fehler gemacht, aber die Erfahrung war für mich wichtiger, als ich es damals wahrhaben wollte", kommentiert Eumann den Vorgang.

"Diese Rolle maße ich mir nicht an."

Schon 2003 war Eumann wieder am Ruder und ging gleich mal auf Kollisionskurs. Als der damalige SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück sechs Thesen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlichte, stellte Eumann zehn dagegen. Heute möchte er seine Aufmüpfigkeit eher relativiert sehen. Eine öffentlich ausgetragene Differenz zwischen Ministerpräsidenten und einem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sei eher die Ausnahme.

Dass sich Sozialdemokraten nicht immer grün sind, wurde noch einmal demonstriert, als sich 2006 das SPD-Mitglied Fritz Pleitgen anbot, notfalls auch zum dritten Mal Intendant zu werden. Da aber war sein Parteigenosse Eumann vor. Nennt man ihn heute den Mann, der Pleitgen verhindert hat, sagt er in beinahe hanseatischer Bescheidenheit: "Diese Rolle maße ich mir nicht an." Über die Frage einer dritten Amtszeit hätten Fritz Pleitgen und er lediglich unterschiedliche Ansichten gehabt, sagt er. So kann man das natürlich auch sehen.

Spricht man Fritz Pleitgen heute auf Eumanns Aktion an, stuft er sie als nachvollziehbar ein und erinnert daran, dass Eumanns Wunsch, Fritz Raff zum WDR-Intendanten zu machen, gescheitert ist. Als Medienpolitiker findet der alte Fritz seinen Genossen "ganz begabt, ganz nett" und erinnert an die starke Stunde der Rebellion gegen Steinbrück. "Er ist danach nicht wieder zu gleicher Form aufgelaufen", sagt Pleitgen und bezeichnet ihn in Anlehnung an den ewig Talent gebliebenen Fußballer als "Lars Ricken der deutschen Medienpolitik".

Haarscharf vorbei

Eumann trickst gerne ein bisschen. Stellt man ihm Fragen nicht hundertprozentig präzise, bekommt man eine korrekte Antwort, die aber möglicherweise haarscharf am springenden Punkt vorbei geht. Wer jemals versucht hat, ein Pfund Pudding an die Wand zu nageln, weiß, wie schwer man es mit Eumann haben kann.

Allerdings kann der überzeugte Phoenix-Gucker auch konkret werden. Wenn die Rede ist von seiner Idee, einen ARD-Rat einzurichten, der die Vielstimmigkeit in einem Gremium bündeln könnte, dann formuliert er klar, und auch wenn er auf das ARD-Stück (Quoten, Klicks und Kohle) angesprochen wird, mit dem sich der SWR-Reporter Thomas Leif kürzlich für das System eine Spur zu stark gemacht hat, kommt Eindeutiges. "Das ist unterirdisch. Das bewegt sich auf demselben Niveau wie die Mindestlohnkampagne der Zeitungsverleger. Da hat Leif der ARD einen Bärendienst erwiesen", sagt Eumann, der gerne betont, dass er sich sonst höchst selten zum Programm äußert. Bei Jauch habe er das getan, sich einmal in den Streit um die Lady-Bitch-Ray-Nummer von Schmidt und Pocher eingemischt, und nun eben etwas zu Leif gesagt. Viel mehr sei da von ihm nicht zu erwarten, sagt er und lächelt mal wieder.

"Ich bin hier"

Gerne würde er so manches Gremium, in dem er wirkt, reformieren. Den WDR-Rundfunkrat sähe er gerne öffentlich und nicht mehr hinter verschlossenen Türen tagen. "Die Debatte um den Dreistufentest zeigt doch, dass die binnenplurale Kontrolle nicht hinreichend funktioniert. Die Gremien müssen selbstbewusster werden", fordert er. Man weiß, obwohl Eumann offiziell alle Ambitionen bestreitet, dass er gerne Vorsitzender im WDR-Rundfunkrat wäre, aber da ist noch bis Ende nächsten Jahres der aktuelle Vorsitzende, Reinhard Grätz, im Amt und macht keine Anstalten, seine Position für den Parteifreund Eumann zu räumen.

Fragt man ihn nach vierstündiger Medienkommissionsitzung im RBB, was er denn noch erreichen wolle, spricht er von fairen Spielregeln in der digitalen Welt, von ko-regulierter Selbstregulierung, von Budgetierung, Negativliste, Telemedienkonzept und Dreistufentest, für Vielfaltsicherung und gegen Medienkonzentration. Das volle Programm mit allen Klauseln aktueller Medienpolitik rasselt er herunter. Fragt man ihn dann, wo er denn persönlich noch hin wolle, sagt er knapp und lakonisch: "Ich bin hier."

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