Soziologie:Die Stunde der grundsätzlichen Gereiztheit

Heinz Bude erkundet in seinem neuen Buch die Stimmung der Gesellschaft zwischen empörten Kapitalismusgegnern und entspannten Systemfatalisten.

Von Jens Bisky

Dass die Stimmung schlechter ist als die Lage, war jahrelang eine hilfreiche Feststellung, wenn es galt, die alarmistische Versuchung zurückzuweisen. Es reichte, dass die Gegenseite darauf einging: Oh nein, die Lage sei viel miserabler als die Stimmung. Dann ließ sich darüber reden, wie die Lage tatsächlich beschaffen sei, welches Bild der Wirklichkeit angemessener wäre: das etwa einer politisch stabilen Gesellschaft in historisch beispiellosem Wohlstand und unglaublicher Freiheit bei der Wahl des eigenen Lebensstils oder das Bild einer Republik am Abgrund, gespalten in Arme und Reiche, bedroht von Krisen, gehetzt von Abstiegsängsten. Begleitet waren die routiniert geführten Debatten von der Hoffnung, dass im Austausch der Argumente die Erregung abflauen, der Ton sich mäßigen und schließlich ein Kompromiss gefunden werde, ein Modus Vivendi. Gegenwärtig spricht wenig für diese zuversichtliche Annahme. Die Fortschritte, die wir zurzeit beobachten, sind Fortschritte in der Hysterisierung der Öffentlichkeit.

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