Sozialer Aufstieg: "Snobs":Hoch heiraten

Wer nichts weiß und nichts kann, heiratet einen reichen Mann? Julian Fellowes beleuchtet in "Snobs" die Welt der alles andere als feinen Unterschiede: die englische Upperclass.

Ijoma Mangold

Ist es verwerflich, wenn man an den Genüssen und Privilegien der Oberschicht teilhaben möchte, obwohl man weder durch eigene Leistung noch durch Herkunft über jene Mittel verfügt, die eine solche Lebensweise erlauben? Müssen wir den Stab über jene Ehrgeizlinge brechen, die das Ziel ihrer Träume erreichen, indem sie einen Partner heiraten, der ihnen die Türen zu den besseren Kreisen öffnet?

tatjana gsell ferfried prinz hohenzollern snob

Die deutsche Variante: Tatjana Gsell und "Foffi" von Hohenzollern.

(Foto: Foto: dpa)

Verrat an der Liebe?

Und was heißt es, wenn es dabei keineswegs nur um Geld geht, sondern darum, sich in ein Traditionsgeflecht einzubinden, dem man eigentlich nur qua Geburt angehören kann?

Ist es Verrat an der Liebe, wenn man die Ehe als Mittel zum gesellschaftlichen Aufstieg nutzt? An der Entrüstung gemessen, die entsprechende Heiraten allgemein hervorrufen, muss sich die Mehrheit der Bevölkerung über die Lauterkeit der Gründe ihrer eigenen Eheschließungen jedenfalls sehr sicher sein...

Wahr ist, dass Menschen nichts heftiger bestreiten als gesellschaftlichen Ehrgeiz (eher bekennt man sich unverhohlen zu Gewinnstreben). Weil der Bann sozialen Prestiges auf so entwürdigend mächtige Weise wirkt, muss er aufs Kontrafaktischste geleugnet werden. Nirgends ist die Heuchelei größer. Menschen erklären stets, dass sie sich "aus diesen Dingen" nichts machten, um sodann wie getrieben einen berühmten Namen fallen zu lassen, den sie bei ihrer letzten Abendeinladung erfolgreich unter ihr Dach gezerrt haben.

Julian Fellowes, der auch das Drehbuch zu Robert Altmans großartigem Film "Gosford Park" geschrieben hat, erzählt in seinem Roman "Snobs" aus der Welt der alles andere als feinen Unterschiede. Das ist schon deshalb höchst unterhaltsam, weil der Schauplatz England ist, wo das System des klassenspezifischen Habitus am eingespieltesten ist: "Wenn drei Engländer in einem Raum versammelt sind, erfinden sie eine Regel, die verhindert, dass ein Vierter zu ihnen stößt", heißt es im Roman.

Edith Lavery weiß, dass sie keine besonderen Fähigkeiten besitzt, um Berühmtheit zu erlangen und ihr Leben auf glanzvollem Parkett zu verbringen. Aber sie hat perfekte Umgangsformen und sieht blendend aus. Es gelingt ihr, sich Charles Broughton zu angeln, der nicht nur sehr vermögend, sondern ein Earl aus bester Familie ist. Seine Mutter, die von Fellowes gnadenlos gezeichnete Lady Uckfield, ist wenig amüsiert von dem Parvenü, vermag die Ehe aber nicht zu verhindern. Kalt, wie sie ist, sieht sie die Folgen alle voraus, die denn auch prompt eintreffen. Sehr bald nämlich ist Edith von ihrem grundehrbaren, aber nicht gerade Funken sprühenden Gatten gelangweilt und reif für einen Liebhaber. Die Gazetten haben ihren Skandal.

Ehrwürdig skurril

Der Plot ist wenig überraschend. Er will ja auch nicht originell sein, sondern den üblichen Weg allen Fleisches zwischen Geltungsgier und Amüsierbedürftigkeit abbilden. Das Vergnügen der Lektüre liegt in den genauen Beobachtungen zur Psychologie der sozialen Abgrenzung - und dem irrationalen Respekt, den der Autor einem System entgegenbringt, das er völlig durchschaut, aber aufgrund seiner ehrwürdigen Skurrilität nicht herzlos verurteilen mag.

Ein Mitglied der höchsten Gesellschaftsschicht erkennt man unweigerlich daran, dass es aus tiefstem Herzen bekennt, das ganze Tamtam ums blaue Blut nur lächerlich zu finden. Auch Lady Uckfield erklärt: "Ich bin kein Snob." Sie sei dazu erzogen worden, nicht in Klassenbegriffen zu denken und habe viele Freunde ganz unterschiedlicher Herkunft. "Wen denn?", wird sie gefragt. Sie antwortet nach kurzem Nachdenken: "Susan Curragh und Anne Melton. Ich habe sie beide sehr gern." Und dann heißt es vom Erzähler: "Sie hatte eine steinreiche amerikanische Erbin genannt, die nun die Gattin eines ziemlich langweiligen jüngeren Ministers war, sowie die Tochter eines Textilmillionärs, die einen verarmten irischen Earl geheiratet und damit auf die gesellschaftliche Landkarte befördert hatte."

Köstlich, mit welch selbstverständlicher Verachtung die Oberschicht bei Fellowes' dem Schauspielervolk begegnet, während dieses meint, aufgrund seines Mimikry-Talentes jederzeit die Allüren eines Viscounts an den Tag legen zu können - und dabei obendrein noch besser auszusehen. Dabei macht es die besondere Lässigkeit der Oberschicht aus, dass ihre Mitglieder überhaupt keinen Witz und keine herausragenden Anlagen beweisen müssen, solange sie unter sich sind. Das Flügelschlagen ist eine bürgerliche Angestrengtheit. Entspannte Erhabenheit über alle Verdienste sorgt in Adelskreisen für eine gesunde Gemütlichkeit - je schlichter der einzelne im Gemüt, desto kerniger verkörpert er die Unerschütterlichkeit der Werte seiner Welt.

Hat das Buch eine Lehre? Vielleicht diese: Intelligenz, Witz, Schönheit, Leistungsfähigkeit - alles schön und gut, aber auf Dauer ist es doch angenehmer und für die Nerven beruhigender, auch mittelmäßige Vertreter der eigenen Klasse um sich zu haben, die einem die schöne Gewissheit geben, dass der eigene Lebensstil nicht an die Launen eines Tages gebunden ist.

JULIAN FELLOWES: Snobs. Roman. Aus dem Englischen von Maria Andreas. C. Bertelsmann Verlag, München 2007. 350 Seiten, 19,95 Euro.

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