Soziale Netzwerke:Zwei Pillen am Tag

Stars verdienen im Internet viel Geld mit Werbung, die als private Meinung oder spontaner Twitter-Post getarnt ist. Dagegen wollen US-Verbraucherschützer nun unter anderem mit einem Hashtag vorgehen.

Von Bernd Graff

Sie sind berühmt, sie haben Millionen Fans in den sozialen Netzwerken und sie wissen, wie man den eigenen Ruhm dort auch zu Geld macht. Meist geschieht dies mit Werbung, die nicht oder kaum als solche gekennzeichnet ist.

So sind Internet-Stars wie die Schwestern Kardashian auf Instagram plötzlich öffentlich verrückt nach einem "Fit-Tea", der in nur 28 Tagen alles Restgift aus ihren gepflegten Körpern schwemmen soll. Kim und Khloe Kardashian berichten dann auch noch von einer "neuen Obsession" bei ihrer "Hair Care Routine" - also der täglichen Haarpflege: Nur zwei Pillen eines Sprießmittels pro Tag sollen die Hauptespracht noch prächtiger machen "trotz all der Hitze und Bleichmittel", die etwa Khloe sonst noch routinemäßig oben aufträgt.

Natürlich werden solche Postings, die wie alle anderen auf den Sozialseiten der Stars einlaufen und jedem Fan scheinbare Augenblicksteilhabe am intimen Leben der Berühmtheiten suggerieren sollen, nicht als Werbung deklariert. Obwohl die Celebs dafür nicht gerade geringe Summen von den Mittelchenproduzenten und -Sponsoren kassieren. So ging vor eineinhalb Jahren der Fall von Octavia Spencer durch die Medien, der sogar vor Gericht verhandelt werden musste. Die Oscar-Gewinnerin ("The Help") hatte einen Deal mit "Sensa" geschlossen, einem Hersteller von Abmagerungsprodukten. Demnach sollte die Schauspielerin über ihren Twitter-Account regelmäßig positive, zuvor mit dem Auftraggeber abgesprochene Tweets zu dem Sensa-Mittel posten. Das tat sie auch vertragsgemäß. Allerdings ergänzte Spencer die einzelnen Tweets um die Hashtags: "#ad", "#spon" oder "#sp". Das sollte für "Anzeige" und "gesponsertes Posting" stehen. Dem Auftraggeber gefiel das gar nicht, da das Kenntlichmachen der werblichen Inhalte zwar für die Redlichkeit und Aufrichtigkeit der Schauspielerin sprach, Werbung auch als Werbung zu markieren. So aber wirkten die Bekenntnis-Tweets nicht mehr wie jene spontanen, authentischen Überzeugungen der Privatperson Spencer, die man ja als ausschließlichen Inhalt von Postings in den sozialen Netzen erwartet.

Hinter dem virtuellen Striptease der Prominenten stecken ganz real sehr viele Dollar

Die Firma Sensa stornierte darum die Zahlung von stolzen 700 000 Dollar Honorar an die Schauspielerin. Vor Gericht erwirkte Spencer dann die Klarstellung, dass sie trotz der Mini-Hinweise sehr wohl ihren Vertrag erfüllt habe, und dass man ihr darum 940 000 Dollar für die ihr entstandenen Unannehmlichkeiten überweisen müsse.

Mit anderen Worten: Es steckt viel Geld in den virtuellen, angeblich vertraulichen Enthüllungen über Haarwaschroutinen und Entgiftungstees. Und diese bezahlten Bekenntnisse erreichen sehr viele Menschen über die sozialen Netzwerke, weil sie als scheinbar authentische Testimonials daherkommen. Dabei sind sie nicht- oder kaum deklarierte Werbung. Kein Wunder, dass man die Celebs in der Werbebranche darum "Influencer" (Beeinflusser) nennt. Und es ist auch kein Wunder, dass die Werbeindustrie deren Kraft zur Beeinflussung nicht durch Werbe-Hinweise, und seien sie noch so winzig, geschmälert sehen möchte.

Dass vor allem in den USA immer mehr Prominente auf diesen lukrativen Werbezug aufspringen und ihre Follower dabei im Unklaren lassen, dass es ein Werbezug ist, hat nun die amerikanischen Verbraucherschützer der Bundeshandelskommission (FTC) auf den Plan gerufen. Sie will Berichten des Wirtschaftsmagazins Bloomberg und anderen Medien zufolge nun härter durchgreifen: Den Fans, die ja alle auch Konsumenten sind, müsse immer klargemacht werden, dass sie mit Werbung konfrontiert werden. Und Hashtags wie "#ad", "#sp", "#spon" reichten dazu nicht aus.

"Wir gehen Product Placement und nicht deklarierten Werbeformen schon immer nach", sagt ein Sprecher im Bloomberg-Magazin. "Aber das hier ist neu und unerreicht." Der Sprecher erwähnt dazu etwa den Fall der Hollywood-Firma Warner Bros. Home Entertainment, die dem Youtuber und Internet-Meinungsbildner "PewDiePie", der knapp 50 Millionen Anhänger hat, Geld für die positive Bewertung des Videospiels "Middle-Earth: Mordors Schatten" gezahlt hat. Modebloggerinnen werden schon fast regelmäßig auffällig, weil sie gegen Honorar bestimmte Marken-Outfits zeigen und loben - und andere eben nicht. Künftig soll derlei Sponsoring und Entlohnung offengelegt werden müssen, so die FTC. Denn die "Social Media" erfreuen sich einer immer noch weiter wachsenden Beliebtheit, vor allem bei jungen und unerfahreneren Konsumenten um die 20 Jahre. Während etablierte Werbeplattformen wie Radio und Fernsehen bei ihnen an Aufmerksamkeit und damit für die Werbeindustrie an Bedeutung verlieren, fließen nach Angabe der Agentur "Captiv8", ein Unternehmen, das Beeinflusser und Marken zusammenbringt, bereits jetzt schon mehr als 255 Millionen Dollar an die Influencer auf Instagram und Co. - jeden Monat.

Von Captiv8 stammt auch der Hinweis, dass sich im Laufe des letzten Jahres die Zahl der #ad-markierten Postings von 120 000 auf 300 000 für den Monat Juli mehr als verdoppelt habe. Die FTC will darum jetzt zuerst eine Vereinheitlichung der Werbe-Auszeichnung durchsetzen. So soll der Vermerk "#ad" an den Beginn jedes Werbepostings gesetzt werden und nicht an dessen Ende als einer unter vielen. Die kryptischeren #spon" und "#sp" sollen ganz entfallen. Werbeagenturen sind natürlich gar nicht glücklich über derlei Ideen. Eines ihrer Gegenargumente lautet denn auch etwas tollkühn, die Blogger und Youtuber wiesen doch nur aus echter Überzeugung auf ihre Produkte hin.

Ein Werber wird zitiert mit dem Satz: "Sie mögen sie wirklich. Ich weiß also nicht, ob man hier überhaupt von Werbung sprechen kann." Die Bloggerin "iJustine" räumt dagegen freimütig ein, dass sie immer tue, was man von ihr verlange, egal, ob für Auftraggeber oder für Gesetzesvertreter. Die FTC bleibt also definitiv weiterhin ganz anderer Meinung als die werbetreibende Industrie, ihre Auftraggeber und ihre nützlichen Idioten und behält sich vor, gegen massive Verstöße von nun an auch juristisch vorzugehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: