Solidaritätsverweigerung der BBC:Diese vornehme britische Art

Heikles Schweigen: Die BBC weigerte sich, einen Hilfsaufruf für Gaza zu senden. Der Sender fürchtet um seine Unparteilichkeit. Gegen derlei Dezenz formierten sich Massenproteste.

Wolfgang Koydl

Die Abkürzung BBC steht für British Broadcasting Corporation, aber die mehr als 2000 Demonstranten, die sich am Samstag vor der Zentrale des britischen Rundfunk- und Fernsehsenders in London versammelten, fanden eine andere, wenig schmeichelhafte Deutung für die drei Buchstaben: "Biased, Bigotted, Cowardly" stand auf einem Transparent - voreingenommen, bigott, feige.

Solidaritätsverweigerung der BBC: Demonstranten in London trugen Plakate mit diesen Slogans: "Biased, Bigotted, Cowardly" - voreingenommen, bigott, feige.

Demonstranten in London trugen Plakate mit diesen Slogans: "Biased, Bigotted, Cowardly" - voreingenommen, bigott, feige.

(Foto: Foto: dpa)

Der Zorn der britischen Politik und der Öffentlichkeit hat sich an einer Entscheidung der Anstalt entzündet, einen Spendenaufruf für die Bewohner des Gaza-Streifens nicht auszustrahlen. Das Disasters Emergency Committee (DEC), ein Zusammenschluss von 13 meist hoch angesehenen britischen Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz und Oxfam, bittet darin um Hilfe für die Palästinenser nach dem Ende des mehrwöchigen Bombardements durch israelische Truppen.

Die BBC stellt sich nach den Worten ihres Generaldirektors Mark Thompson auf den Standpunkt, dass eine Ausstrahlung des Aufrufes die Unparteilichkeit des Senders infrage stellen könnte. "Es besteht die Gefahr für die BBC, dass man dies so interpretieren könnte, als ob wir einen politischen Standpunkt in einem laufenden Konflikt einnehmen würden", schrieb Thompson in einem Blog. Außerdem gebe es Bedenken, ob die Hilfe die Bedürftigen wirklich erreiche.

Andere britische Sender teilen diese Vorbehalte nicht: ITV, Channel4 und Channel5 wollen den Aufruf am Montag zum ersten Mal senden. Der Satellitenkanal Sky des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch hat noch keine Entscheidung getroffen. In der Vergangenheit hat auch die BBC Spendenappelle des DEC ausgestrahlt. Dabei handelte es sich freilich um Hilfsaufrufe nach Naturkatastrophen. "Im Falle von Katastrophen, die von Menschen verursacht werden, ist die Sache sehr, sehr viel komplizierter", erklärte denn auch Caroline Thomson, die leitende Geschäftsführerin der BBC.

Mindestens zwei Regierungsmitglieder haben die Entscheidung des Senders bereits gerügt. Entwicklungshilfeminister Douglas Alexander vertrat die Ansicht, dass "die Öffentlichkeit sehr wohl zwischen der Unterstützung humanitärer Hilfe und einer Parteinahme in einem Konflikt unterscheiden" könne. Ministerin Hazel Blears erklärte, sie hoffe "aufrichtig, dass die BBC vorrangig ihre Entscheidung überdenken" werde. Tony Benn, der große alte Mann der Labour-Partei warf dem Sender gar einen "Verrat" an seinem öffentlichen Auftrag vor.

Die massive Kritik hat mittlerweile auch den Vorsitzenden des BBC Trust, des obersten Aufsichtsorgans der Anstalt, auf den Plan gerufen. In einem Brief an Generaldirektor Thompson äußerte Michael Lyons seine Besorgnis, dass angesichts dieser Vorwürfe die redaktionelle Unabhängigkeit des Senders bedroht sei.

Unterdessen hat sich auch der für seine Freimütigkeit bekannte anglikanische Erzbischof von York, John Sentamu, in die Debatte eingeschaltet. "Hier geht es nicht um einen Aufruf von Hamas um die Lieferung von Waffen sondern um humanitäre Hilfe", erklärte der Geistliche, der einen Ruf als moralische Instanz im Land genießt. "Indem sie die Bitte (um die Ausstrahlung des Aufrufes) ablehnt, hat die BBC bereits Position bezogen und ihre Unparteilichkeit aufgegeben."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: