Snob-Alarm:"Eure Armut kotzt uns an"

Adel verpflichtet nicht immer zu gutem Benehmen. Wer hinter dem Label Aggro Grünwald und der Band Stehkrägen steckt.

Tobias Kniebe

Wer nicht gleich von Hassgefühlen überwältigt wird, kann das Video als Satire erkennen. Fünf Jungs und ein Mädchen rappen um einen dicken weißen Mercedes herum, tanzen auf einem Bootssteg am Starnberger See, öffnen riesige Champagnerflaschen und ziehen absurde Mengen weißen Pulvers durch die Nase. "Eure Armut kotzt uns an" heißt die Single, die den dekadenten Lebensstil der "Schönen und der Reichen" propagiert. Die Formation nennt sich Die Stehkrägen, das Label Aggro Grünwald.

Habsbuerger und Wittelsbacher, vereint in der Snob-Band Aggro Grünwald

Die Snob-Band Aggro Grünwald - ein Gemeinschaftsprojekt der Häuser Habsburg und Wittelsbach?

(Foto: Foto: Aggro Grünwald)

Endlich eine angemessen aggressive Antwort auf den ewigen Hartz-IV-HipHop aus Berlin, die reichsten Sprösslinge Münchens haben die Nase voll und schlagen zurück. So vermerkt es eine freudig erregte Notiz in Vanity Fair, aber wer genauer hinschaut, kann die versteckte Botschaft kaum übersehen: Da gerät zum Beispiel ein fiktives Magazin ins Bild, das den Titel Teuer und Geschmacklos trägt, und eine schwarze Centurion-Kreditkarte, die einmal formatfüllend vor die Kamera gehalten wird, ist von der "Reich und Doof Bank" ausgestellt.

In ihren bisherigen Medienauftritten, unter anderem im BR-"Zündfunk" und in der taz, ziehen die Aggro-Grünwald-Erfinder das Ding eisern durch, beharren auf Pseudonymen wie Constantin Kress zu Krassnstein-Seyn und überbieten sich in Statements von haarsträubender Arroganz. Befreundete Journalisten spielen auch gerne mit, obwohl die wahre Identität der Stehkrägen inzwischen bekannt ist.

Es handelt sich um die Crew der Satire-Sendung "Nachtgestalten" des Münchner Radiosenders M94,5, größtenteils Studenten der Kommunikationswissenschaft, die teilweise nicht einmal aus München kommen. Rapper Arne Hörmann, 28, etwa stammt aus Karlsruhe und bringt eher Indierock-Erfahrung mit, Philipp Seidel, 33, ist ein Nordlicht aus Eutin in Schleswig-Holstein, dessen Herz nach eigener Aussage "weiter an der Küste hängt". Der Mastermind des Projekts, der blonde Philipp Walulis, 25, stammt dagegen wirklich aus der Gegend von München: Zwar nicht aus Grünwald, aber immerhin aus dem ebenfalls sehr reichen Pöcking am Starnberger See. Und da nimmt die ganze Sache dann doch eine überraschende Wendung.

Besitzer der Domain www.aggro-gruenwald.de und Betreiber der dazugehörigen, erstaunlich aufwendig und professionell gestalteten Website ist eine Starnberger Aktiengesellschaft namens Levitian AG, Vorstandsmitglied: Philipp Walulis.

Richtig interessant wird es aber erst bei den anderen Vorstandsmitgliedern: Da liest man die Namen Ludwig von Bayern und Severin Meister - und da pfeifen Kenner des Münchner Hochadligen- und Superreichen-Milieus dann doch durch die Zähne.

Hier agiert nicht nur die jüngste Generation der Wittelsbacher, sondern auch die der Habsburger. Ludwig Heinrich Prinz von Bayern, 25, ist der Sohn von "Bierbrauer" Prinz Luitpold und Nachfahre der bayerischen Könige. Severin Meister dagegen ist ein Enkel Otto von Habsburgs und damit Sprössling der österreichischen Kaiserfamilie. Zusammen mit Mauritz von Einem (Junge-Union-Aktivist, niedersächsischer Landadel) und ein paar bürgerlichen Kumpanen haben sich hier also zwei legendäre Dynastien zusammengetan, um dem Rest der Welt mal eine deutliche Botschaft zu übermitteln: Eure Armut kotzt uns an.

Habsburg & Wittelsbach

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Stehkrägen eher wie eine Casting-Band mit mächtigen Hintermännern, und ihre Aktionen nehmen eine neue Bedeutung an. Im "Zündfunk" hörte man etwa Philipp Walulis, wie er minutenlang von der Schönheit einer "Asso"-Segelyacht schwärmt. Da spricht er aus Erfahrung: Luitpold Prinz von Bayern besitzt tatsächlich eine solche Yacht (König Ludwig Dunkel), mit der Sohn Ludwig und seine Freunde gern Rennen auf dem Starnberger See fahren. Hemden, Sonnenbrillen und Attitüden der Stehkrägen vermitteln außerdem ein erstaunlich exaktes Bild der aktuellen bayerischen Jeunesse dorée.

Kein Wunder: Eine der ersten Operationen der im Jahr 2000 gegründeten Levitian AG waren sogenannte exklusive After-Wiesn-Partys unter dem Label "Palais". Dass die Stehkrägen durchaus eine Realität des Münchner Nachtlebens reflektieren, bestätigt auch Anne Krüger, die sich vor drei Jahren mit ihrem "Girls Affair"-Partyprojekt aus der Szene zurückzog: "Damals übernahm eine sehr junge Generation von rich kids die Macht im P1, die in einer Nacht mehr Geld ausgaben als ihre Vorgänger im ganzen Monat. Es wurde unerträglich."

Was genau geht in euren Köpfen vor?

Höchste Zeit für einen Anruf bei der Levitian AG. Was genau geht in euren Köpfen vor? Im Starnberger Büro in der Stuckstraße 3 läuft nur ein Anrufbeantworter, aber Vorstandsmitglied Andreas Oberländer (25, Studium der Betriebswirtschaft, bürgerliche Herkunft) ist mobil zu erreichen.

Zu Sinn und Zweck von Aggro Grünwald verweigert er die Auskunft und verweist auf den Kollegen Walulis. Allgemein aber erklärt er, "dass die Firma gemeinsam hinter dem Projekt steht". Im Levitian-Vorstand erwarte man zwar keine "riesigen Einnahmen" durch die Band, aber die Aktion sei marketingtechnisch bisher erfreulich angelaufen.

Im Übrigen, berichtet er, sei alles momentan nur schwer zu koordinieren. Ludwig Prinz von Bayern etwa studiert derzeit in Göttingen, und der Aufsichtsratsvorsitzende Benedikt Franke bereitet sich in Cambridge auf eine Diplomatenkarriere vor. Sollte man unter Firmenzweck also eher "Spaß" vermerken? "Spaß ist nicht ganz unabhängig vom finanziellen Erfolg", erklärte Oberländer in bester Stehkrägen-Manier.

Ober-Stehkragen Walulis, Student der Kommunikationswissenschaft in München und Lehrersohn aus Pöcking, erscheint als ein eher untypischer Vertreter der Starnberger Clique. Er bleibt im Gespräch an der äußersten, schon etwas albernen Verteidigungslinie: Er sei kein Mitglied der Stehkrägen, deren wahre Identität auch streng geheim bleiben müsse, und könne zu deren Motiven und Überzeugungen auch nichts sagen. Genaugenommen habe er für die Levitian AG nur die Website der Band gestaltet, im Übrigen für einen Hungerlohn - "jeder kleine Depp produziert doch heute Webseiten, ich könnte stattdessen auch kellnern gehen."

Seine Freunde und Geschäftspartner aus dem Hochadel kennt er noch aus der Schulzeit, das seien "ganz normale Leute, normaler als mancher Geldadel". Klares Ziel der Levitian-Firmengründung, sei seinerzeit gewesen, "an Metro-Großmarktkarten ranzukommen", und die aufwendige Gesellschaftsform einer AG wurde schließlich gewählt, "um die Leute flexibler am Gewinn zu beteiligen".

Je länger er redet, desto weniger Sinn ergeben seine Sätze. Am Ende klingt er wie ein kleiner Junge, der Angst vor den eigenen Streichen bekommen hat, und so hört sich dann auch sein beschwörendes Fazit an: Im Grunde gäbe es Levitian AG schon gar nicht mehr, die Gesellschafter hätten sich doch längst in alle Winde zerstreut, und die Starnberger Gang sei sowieso in Auflösung begriffen.

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