Skulptur:Obelisk

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(Foto: Alex Talash)

Köln, jeder städtebaulich interessierte Mensch weiß es, ist eine der hässlichsten Städte der Welt. Jetzt aber kam die US-Künstlerin Rita McBride des Weges und zauberte einen acht Meter hohen Obelisken auf den Breslauer Platz.

Von Michael Kohler

In Köln heißt die rechte Rheinseite seit Jahrhunderten "Schäl Sick", weil echte Kölner da höchstens mal rüberschielen. So richtig "schäl" wird es in der Stadt aber, wenn man den Hauptbahnhof zur falschen Seite hin verlässt: Statt vor dem Dom steht man dann auf dem Breslauer Platz, der selbst für das verbaute Köln ein Schandfleck ist. Aber sprechen wir nicht von der urinverseuchten Unterführung, nicht vom Busbahnhof, der die Brache vor einem Musical-Zelt notdürftig verdeckt, und auch nicht von den Wasserspielen, die sich so kläglich in einer Steinwüste verlieren, dass die Baufirma zunächst vergaß, die Wasserleitungen zu legen. Sprechen wir lieber vom "Obelisk des Tutanchamun", den die US-Künstlerin Rita McBride für den Kreisverkehr am Breslauer Platz geschaffen hat: Er besteht aus schwarzem Karbon, ist acht Meter hoch und soll, so McBride, seine Umgebung einem organisierenden Prinzip unterwerfen. Das ist entweder pharaonische Hybris oder ein guter Witz, denn wer verstehen will, warum in Köln zuletzt so viel schiefgelaufen ist, muss sich nur den Wildwuchs am Breslauer Platz ansehen. Hier spiegelt sich das unheilvolle Durcheinander aus unklaren Zuständigkeiten, einer kaputt gesparten Verwaltung und dem politischen Prinzip Einfach-mal-laufen-lassen, das an anderen Stellen durchaus den Charme dieser Stadt ausmachen kann. Und dank McBride gibt es jetzt das Mahnmal dazu. Ihr Obelisk ist so etwas wie ein verlorener Posten gegen das städtebauliche Chaos und auf Anhieb ein kölscher Klassiker, vergleichbar mit Wolf Vostells Skulptur "Ruhender Verkehr", einem in Beton gegossenen und auf den viel befahrenen Ringen abgestellten Opel. Beinahe drei Jahre dauerte es, bis McBrides Werk, eine Schenkung der Düsseldorfer Sparda-Stiftung, durch die Kölner Instanzen gegangen war, dann wurde es buchstäblich über Nacht installiert und von den naturgemäß weniger künstlerisch denn pragmatisch veranlagten Stadtwerken sofort zur Stütze für rot-weiße Absperrbaken umgewidmet. Die Mehrzahl der Kölner Bürger will von dem schmucklosen Obelisken ohnehin nichts wissen und betet lieber eine vor dem Domportal aufgestellte Replik der Domkreuzblumen an. Aber die steht ja auch auf der richtigen Seite.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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