Serie: Museen in Bayern (6):Bad und Spiele

Hier wurde geschwitzt, geklatscht und getratscht - und nicht selten wurden auch Intrigen und Verschwörungen ausgebrütet. Auf den Spuren der Römer durch den Archäologischen Park Cambodunum in Kempten

Von Evelyn Vogel, Kempten

Es war ein Ächzen und Keuchen, ein Klatschen und Quatschen, dass der nicht ganz unbedeutende Urlaubsgast sich bitterlich beschwerte: "Ich wohne gerade über einem Bad; stell dir das Stimmengewirr, das Geschrei in allen Tonarten vor, am liebsten möchte man taub sein!" Anlass für den Ärger gab aber nicht eines der modernen Spaßbäder, in denen sich der Erholungssuchenden dank einer Dezibelzahl ähnlich der des Mittleren Rings wie im Purgatorium fühlt, aus dem er mehr gestresst als erholt herauswankt. Was der Philosoph Seneca da im 1. Jahrhundert nach Christus in einem Brief an seinen Freund Lucilius beschrieb, war das Treiben im öffentlichen Bad im Kurort Baiae am Golf von Neapel.

Regelmäßig ein öffentliches Bad aufzusuchen, gehörte für die Römer zu jener Zeit zum guten Ton. Und dort ging es längst nicht mehr nur um die Reinigung, für die es bei den Wohlhabenden auch häusliche Badezimmer gab. Die konnten durchaus mit den in heutiger Zeit zu privaten Wellnessoasen mutierten Badezimmern mithalten. Und noch eine Parallele zur Moderne findet sich: Je mehr die öffentlichen Thermen zu Spaßbädern mit einem breiten Angebot an Massage, Dampfbad und Saunen mutierten und je größer sie wurden, desto populärer waren sie auch. Man traf sich dort zu Sport und Spiel - denn Sportareale gehörten in der Regel zu den größeren Thermen -, um ordentlich zu schwitzen, sich von kundigen Händen durchknubbeln zu lassen oder ganz einfach, um zu faulenzen. Besonders wichtig aber war die Kommunikation. Klatsch und Tratsch wurden in den feucht-warmen Hallen der römischen Thermen ebenso ausgetauscht wie Verträge vorbereitet, Staatsmänner bestochen, Intrigen und Verschwörungen ausgebrütet.

Serie: Museen in Bayern (6): Nur als Replik zu sehen: Die bronzene Büste des Handelsgottes Merkur mit Flügelhut wurde als Laufgewicht an einer Schnellwaage verwendet.

Nur als Replik zu sehen: Die bronzene Büste des Handelsgottes Merkur mit Flügelhut wurde als Laufgewicht an einer Schnellwaage verwendet.

(Foto: APC)

Man braucht schon ein wenig Phantasie, um sich beim Anblick der "Kleinen Thermen" im Archäologischen Park Cambodunum in Kempten ein solches Treiben vorzustellen. Still und staubig liegen die alten Mauerreste behütet von einem Schutzbau. Versiegt ist längst das Wasser, das einst in die Bäder hinein und - an und über Feuerstellen zum Erhitzen vorbei - unter den Böden hindurchfloss. Ein paar neuere Ergänzungen wie das Holz der Latrinensitze sollen die Sache anschaulicher machen. Über einen höher gelegenen, umlaufenden Steg kann man sich die etwa 2000 Jahre alte Thermenanlage anschauen. An einem Pult mit einem Modell darf man ein paar Knöpfe drücken. Dann leuchten die Bereiche auf, die im Modell beschriftet sind. So weiß man, wo der Umkleideraum und die Latrinen waren, wo sich die Bewohner von Cambodunum im Tepidarium aufwärmten, im Caldarium, Laconicum oder Sudatorium schwitzten und sich anschließend im Frigidarium erfrischten.

Seit 1885 - und bis ihn die 1980er Jahre über 40 Mal - wurde in Kempten nach den Überresten der Römersiedlung gegraben. Da sie am rechten Hochufer der Iller liegt, hat man von dort aus einen guten Blick auf das heutige Kempten mit einigen unschönen Bausünden, aber auch auf die historischen Türme der Kirchen und auf die Burghalde, wo die Ruinenreste der gleichnamigen Veste stehen. Gegründet wurde Cambodunum zu Beginn der Zeitenwende und gilt als erste Hauptstadt der Provinz Rätien - noch vor der späteren Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum (früher Vindelicorum), dem heutigen Augsburg.

Serie: Museen in Bayern (6): Die kleinen Thermen im Archäologischen Park Cambodunum.

Die kleinen Thermen im Archäologischen Park Cambodunum.

(Foto: APC)

Cambodunum besaß nicht weniger als drei Badehäuser. Mit dem Aufstieg Rätiens zur eigenständigen Provinz ließ sich der römische Statthalter im letzten Drittel des 1. Jahrhunderts nach Christus das Praetorium, einen palastartigen Bau aus Stein, im Herzen der Stadt errichten. Die "Kleinen Thermen" gehörten wohl zur Ausstattung für den Statthalter, seinen Hausstand, Freunde und Gäste, waren somit eher ein Luxus-Spa für einen exklusiven Kreis. Der ursprüngliche Thermenbau nahe dem Tempelbezirk fiel bald darauf einem Brand zum Opfer. So wurden die "Großen Thermen" erbaut als "städtisches Bad für jedermann", das mit seinen 4200 Quadratmetern glatt mit dem Cambo-Mare - einem 2003 auf der anderen Seite der Iller eröffneten Spaßbad - hätte konkurrieren können. Die "Großen Thermen" wurden zwar 1911 freigelegt, aber um 1960 vollständig überbaut. Nur eine optische Rekonstruktion auf einer der Glasfassaden der "Kleinen Thermen" erinnert daran.

Wichtiger Bestandteil von Cambodunum war der Gallo-Römische Tempelbezirk. Hier lebten romanisierte Kelten, Germanen und eingewanderte Römer friedlich miteinander. 13 Kultbauten, umgeben von einer U-förmigen Doppelhalle, hat man teilweise rekonstruiert. Die im Tempelbezirk ausgestellten Artefakte sind vielfach Repliken. Von dem, was an Mauern ungeschützt aus dem Boden ragt, ist nur wenig wirklich alt. Das gilt auch für Mauerreste, mit deren Hilfe das Forum und die Basilika nahe den Kleinen Thermen angedeutet werden. Wenigstens kann man mit ihrer Hilfe einen Teil der Ausmaße der Stadt erahnen. Hätte man die Ausgrabungen damals offen und ungeschützt dem Klima und der Luftverschmutzung ausgesetzt, wäre heute wohl kaum etwas davon übrig.

Wissenswertes

Adresse: Cambodunumweg 3, 87437 Kempten, ☎ 0831 / 797 31 (Park), 0831 / 2525-200 (Verwaltung)

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, März, April und November 10 - 16.30 Uhr, Mai - Oktober 10 - 17 Uhr (Dezember, Januar und Februar geschlossen)

Eintritt: Erwachsene 4 Euro (Kinder je nach Alter bis zu 2 Euro), Familien 8 Euro, jeden 1. Sonntag im Monat freier Eintritt

Internet: www.apc-kempten.de

Schwerpunkt: 2000 Jahre alte Stadtgeschichte in der Römerstadt Kempten

Aktuelles: im Rahmen des APC-Sommers: Samstag, 12. September, 20 Uhr: "Poetry? Dead or alive!"; diverse Besucherprojekte wie Düfte der Antike, Brot-Zeit, Homo ludens, Römische Mode, Schreiben in der Antike, Info und Buchung: ☎ 0831 / 2525-369

Trägerschaft: Stadt Kempten

1987 wurde der Archäologische Park Cambodunum, kurz APC, in Kempten eröffnet. Und das merkt man ihm schlichtweg an. Die Präsentationen wirken irgendwie rührend, aber weit entfernt von einer modernen Vermittlung. Es erinnert ein wenig an die älteren Abteilungen des Deutschen Museums in München. Einige der Vermittlungstafeln hat man interaktiv modernisiert. Im Tempelbezirk simuliert eine Multimediapräsentation ein bisschen römische Tempelatmosphäre. Und auch sonst soll die Präsentation noch an der einen oder anderen Stelle ein wenig aufgepeppt werden.

Wenn man als Besucher wenig Zeit hat, kann man sich in einer Stunde einen Eindruck von der Anlage verschaffen. Wer sich intensiver mit den Hintergründen auseinandersetzen will, sollte sich gut zwei Stunden Zeit nehmen. Immerhin bis zu 20 000 Besucher tun dies in den neun Monaten, die der Park jährlich geöffnet hat. Vielfach sind es Touristen, die das Cambodunum während ihres Allgäuurlaubs besuchen.

Gerhard Weber hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahre um den Archäologischen Park gekümmert. Davor war er zehn Jahre lang Kulturamtsleiter der Stadt. Weber erzählt, dass es Ideen für einen neuen Museumsbau direkt neben dem APC gebe. Dort könnten die originalen Artefakte aus dem Cambodunum ausgestellt werden, die derzeit im Depot lagern, während im Park meist Repliken zu sehen sind. "Zukunftsmusik" nennt Weber das. Persönlich wird er diese Zukunft nur noch als Privatmann erleben können. Weber ist dieser Tage in Ruhestand gegangen.

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