Serie:Immer wieder

Claude Monet entwickelte das Konzept der Wiederholung des stets gleichen Motivs. Die Methode sollte in der Kunst wegweisend werden.

Von Sandra Danicke

Als Claude Monet um 1890 das Konzept der Serie erfand, hielten einige seiner Kollegen das für einen Verkaufstrick. Dem Künstler, so vermuteten sie, war nichts Neues eingefallen oder ein bestimmtes Motiv hatte sich so gut verkauft, dass er es variierte. Die Idee dahinter war jedoch eine andere, höchst moderne. Eine, die unsere zeitgenössische Kunst bis heute prägt.

Monet malte etwa diverse Heuhaufen, Pappeln oder 33 Versionen der Kathedrale von Rouen in verschiedenen Lichtsituationen, dadurch erscheint der abgebildete Gegenstand immer unwichtiger. Das Thema dieser Bilder ist das, was übrig bleibt. Der Künstler malte das Licht, mal warm, mal kalt, mal grell mit starken Schlagschatten, mal diffus vernebelt. Bis zur Abstraktion war es jetzt nur noch ein kleiner Schritt.

Der Niederländer Piet Mondrian adaptierte das Prinzip ab 1902, noch bevor er mit seinen abstrakten Kompositionen berühmt wurde. Die Tatsache, dass er Serien von Bäumen, einer Kirche oder eines Heuhaufens malte, zeigt, dass er sich damit bewusst an Monet anlehnte. Ähnlich wie sein Vorbild nutzte auch Mondrian die abgebildeten Gegenstände, um unterschiedliche Stimmungen und Atmosphären sichtbar zu machen - bis er den Gegenstand nicht mehr brauchte. In den Zwanzigerjahren schließlich begann er mit seinen streng geometrischen Bildern, auf denen er Rechtecke in den Primärfarben Rot, Blau, Gelb, in ein schwarzes Liniengitter vor Weiß oder Grau einpasste.

Josef Albers beschäftigte sich mit der Subjektivität der optischen Wahrnehmung

Künstlerische Serien bilden in der Regel keine Erzählungen mit einem Anfang und einem Schluss. Sie spielen Möglichkeiten durch, zeigen Facetten und Nuancen. Sie widersprechen der Idee des auratischen Einzelwerks. Zu Monets Zeiten ein unerhörter Gedanke.

Inhaltlich ist die Serie naturgemäß flexibel. Josef Albers etwa ging es um die Subjektivität der optischen Wahrnehmung. Die Bilder seiner berühmtesten Serie "Hommage to the Square", die seit 1950 entstanden, bestehen aus je drei oder vier Quadraten unterschiedlicher Größe, die hintereinandergestaffelt erscheinen. Allein dank der Serie konnte der Maler verdeutlichen, wie stark die Wirkung einer Farbe von ihren Nachbarfarben abhängt.

Seither bauten und bauen zahllose Künstler auf das Prinzip der Serie. Besonders radikal erschien 1965 die vom Amerikaner Ed Ruscha fotografierte Reihe "Every Building on the Sunset Strip", mit der er Dokumentarfotografie mit Konzeptkunst auf stilbildende Weise verschränkte. Legendär sind auch die Fotoreihen von Bernd und Hilla Becher, die Fachwerkhäuser und Industriebauten möglichst neutral fotografierten, nebeneinander stellten und so eine Art Lexikon der Industriekultur lieferten. Die Wiederholung schärft den Blick für architektonische Details.

Um das Verstreichen von Zeit ging es Künstlern wie On Kawara und Roman Opalka. Während Kawara seit 1966 bis zu seinem Tod 2014 "Date Paintings" fertigte, für die er das Datum ihrer Entstehung in weißer Farbe vor monochrome Bildhintergründe malte, schrieb Opalka von 1965 bis zu seinem Tod im Jahr 2011 aufeinanderfolgende Zahlen auf Leinwände, die seit 1972 mit jedem Mal minimal heller wurden. Erst das Wissen, dass jedes dieser Bilder Teil einer Serie ist, macht die Werke vollends verständlich. Ähnlich bahnbrechend war Sol LeWitts Serie "Cube", für die der Amerikaner 1988/90 einen Würfel mit neun Lampen in 511 unterschiedlichen Lichtsituationen fotografierte. Jedes Bild ist anders - obwohl das Motiv identisch ist. Es ist das Licht, dass das Bild macht. Ganz ähnlich wie Monets Heuhaufen einhundert Jahre zuvor.

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