Serie "Hass auf Kunst":Was soll der Hype um Tarantino und Christo?

Serie "Hass auf Kunst": Christo und Tarantino

Christo und Tarantino

(Foto: dpa; afp; Collage Jessy Asmus/SZ.de)

Wer Kunst hasst, wird schnell als Banause abgestempelt. Wir trauen uns trotzdem: Quentin Tarantino? Überschätzt. Und mal ehrlich, jede Karstadt-Mitarbeiterin kann schöner verpacken als Christo!

Von Paul Katzenberger und Johanna Bruckner

Quentin Tarantino

"Reservoir Dogs" (1992), "Pulp Fiction" (1994) und "Jacky Brown" (1997) - was waren das für Erweckungserlebnisse im Kinosessel? Quentin Tarantino hat mit seinen ersten drei Filmen ohne Zweifel Filmgeschichte geschrieben. Weil der Mann mit der herrlich spöttischen Mundpartie Geschichten neu erzählte: nicht-linear, vollgepackt mit originellen Dialogen und einer Passion für Zitat und Hommage.

Serie "Hass auf Kunst"

Was soll der Hype? Diesen Satz würde man gern am Mittagstisch, abends beim Bier oder auf einer Party rufen, wenn es mal wieder um den Künstler schlechthin geht. Egal ob er wie Georg Baselitz aus der Hochkultur kommt, oder wie Quentin Tarantino aus der Populärkultur. Um den einen, dessen Werk - Gemälde, Bücher, Alben, Filme - alle bejubeln. Alle, außer man selbst. Aber sich outen und der vorherrschenden Meinung entgegenstellen? Bloß nicht! Denn wer Kunst kritisiert, dem wird schnell vorgeworfen, dass er sie nur nicht verstehe. Banause, halt. Wir wagen uns trotzdem vor: SZ-Autoren setzen sich mit Kunst auseinander, die sie hassen.

Aber in "Django Unchained" (2012) gibt es diese eine Szene, die zeigt, wie übertrieben der Hype um den kultisch verehrten Regisseur eigentlich ist. Da wird ein entflohener und wieder eingefangener Sklave zur Strafe von drei deutschen Schäferhunden zerfleischt. Und ausgerechnet Brachial-Voyeurist Tarantino schaut weg. Die Hunde stürzen sich auf ihr Opfer, man hört das kaum zu ertragende Geräusch zerreißenden Fleisches, doch das Gemetzel selbst bleibt bis auf ganz kurze Momente im Off.

Die Feuilletons bekamen sich weltweit kaum noch ein. Mit dieser selbstauferlegten Zurückhaltung, die Abschlachtung nur auf der Tonspur erlebbar zu machen, habe Tarantino das System der Sklaverei besser erklärt als jeder vor ihm.

Geht es auch eine Nummer kleiner!? Denn von dieser einen Szene einmal abgesehen, wirkt Tarantinos konfuses Drei-Stunden-Blutbad wie ein Trailer für ein Sklaven-Melodram. Am Ende bleibt - wie schon bei manchem Vorgängerfilm - doch nur wieder lachhafte Gewalt übrig, die so übertrieben wirkt, dass sie nicht berührt. Dazu Gags, die durch ständige Wiederholung nicht lustiger werden. Als Zuschauer geht man mit dem schalen Gefühl aus dem Film, dass hier jemand ein ernstes Thema für Klamauk missbraucht hat. Und dass Tarantino inzwischen auserzählt ist.

Paul Katzenberger

Christo

Wenn der eigene Vater Kunsterzieher ist - nicht Kunstlehrer, so viel beamteske Korrektheit muss auch in der schulischen Kreativsparte sein -, kann es vorkommen, dass man sich sonntags im Kölner Museum Ludwig wiederfindet. Vor einer schwarzen, mit dicker Plastikfolie umwickelten und mit Paketschnur umwundenen Schreibmaschine. Künstler: Christo. "Versteh' ich nicht", sagt dann das erwachsene Kind, das durchaus wohlwollend vor Jasper Johns, Roy Lichtenstein und Edward Kienholz stand.

Der Kunsterzieher-Vater tut dann das, was ein Kunsterzieher-Väter in solchen Fällen himmelschreiender Ignoranz tun: Er klärt auf, dass die Verhüllung der Schreibmaschine deren Form verändere, die Oberfläche, und überhaupt zum Nachdenken über den Gegenstand anrege. "Versteh' ich immer noch nicht", denkt sich das Kind, "das könnte jede Karstadt-Mitarbeiterin schöner verpacken. Und diese ganzen Knoten sehen so aus, als habe hier ein Bondage-Meister für seine nächste Performance geprobt."

Sowas denkt man natürlich nur und sagt es nicht, Kunsterzieher-Vater hin oder her. Man will sich schließlich nicht als Banause outen, als Mensch, dem der nötige Horizont zum Verständnis von Objektkunst fehlt. Der niemals, nicht in sieben Leben Geld dafür ausgegeben hätte, ein Stückchen jenes silbrigen Stoffs zu erwerben, der Mitte der Neunziger den Berliner Reichstag verhüllte.

Ernsthaft: Was sollte das? Ja, es mag hohe Ingenieurskunst gewesen sein, ein so gewaltiges Gebäude komplett mit Stoff zu verhängen. Aber die künstlerische Botschaft bewegte sich dann doch eher zwischen Hommage an das Gerüstbauergewerbe und Persiflage auf die Waschmittelwerbung. Mal ganz davon abgesehen, dass keine Farbe so schlecht zum parlamentarischen Intrigantenstadl passt wie unschuldiges Weiß. In Sachen Symbolik hat Christo mittlerweile Erbarmen mit künstlerischen Kleingeistern: Zuletzt baute er schwimmende, leuchtend orangefarbene Brücken über den Lago d'Iseo. Immerhin versteht das jeder.

Johanna Bruckner

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