Schweizer Verleger Daniel Keel gestorben:Diogenes verliert seinen Gründer

Er war ein Mann mit feiner Witterung, er setzte immer seinen Geschmack durch und er brachte Autoren groß heraus. Jetzt ist der Schweizer Verleger Daniel Keel gestorben. Was er mit Friedrich Dürrenmatt begann, hört mit Donna Leon oder Paulo Coelho noch lange nicht auf:

Lothar Müller

Ein"Plato Verlag", das wäre für ihn nichts gewesen. Er muss früh auf den Hund gekommen sein, das Wappentier der Kyniker. Jedenfalls machte Daniel Keel 1952 den für seine Spottlust und seine Frechheit berühmten Diogenes zum Namenspatron seines Verlages. Das war aber nicht nur ein Bekenntnis zur Frechheit, es steckte darin das Programm der feinen Witterung. Er war 1930 in Einsiedeln geboren, er hatte eine Buchhändlerlehre gemacht, aber vor allem hatte er diese Witterung. Und strahlte sie aus. So kam Friedrich Dürrenmatt, den er bewunderte, früh, von Arche herkommend, in seinen Verlag, und als Loriot 1954 für seine Stern-Serie "Auf den Hund gekommen" einen Verleger suchte, fand er ihn in Daniel Keel, der die Serie mit einem Nachwort von Wolfgang Hildesheimer zum Buch machte. Keel stellte just in diesem Jahr seinen Verlag auf festere Füße, indem er sich mit seinem gleichaltrigen Freund aus Jugendtagen, Rudolf C. Bettschart zusammentat, der fortan für das Kaufmännisch-Buchhalterische zuständig war. So wuchs ein Schweizer Verlag heran, der auf ein weltliterarisches, internationales Programm aus war. Natürlich kamen zu Dürrenmatt Hugo Loetscher und Urs Widmer hinzu, aber auch Patricia Highsmith und Ruth Rendell. Nicht mit einzelnen Büchern, sondern mit ihren Werken auf Deutsch, und Keel vergaß nicht, alle Autoren, die er gewann, vor einen großen Panorama-Hintergrund zu setzen: Der umfasste Diogenes, das Neue Testament in vier Sprachen und Montaigne, Balzac, dem Keel auf eine Weise die Treue hielt, wie es vielleicht nur jemand mit dem Hund im Wappen fertigbringt, er umfasste Anton Tschechow und Georges Simenon, in dem die Balzac- und die Tschechow-Traditionen einander überschnitten. Und was die angelsächsische Welt anging, stellte er dem bei näherer Betrachtung düsteren F. Scott Fitzgerald den tiefschwarzen Ford Madox Ford an die Seite, und beiden den Meister gründlicher Desillusionierung, Somerset Maugham. Und dann gab es, von Beginn an, für Daniel Keel noch eine zweite Grundlinie, die er seinem Verlag einzog. Dürrenmatt war nicht nur Buch- und Theaterautor, sondern auch Zeichner, und Loriot war nicht nur Zeichner, sondern auch Wortkünstler. Und der antike Diogenes hatte ja nicht nur mit seinen Sprüchen Aufsehen erregt, er lief als leibhaftige Illustration seines Denkens durch die Welt. Der Diogenes Verlag wurde ein Verlag in Wort und Bild. Keel verlegte immer neue Zeichner, von Ronald Searle bis Tullio Pericoli, von Sempé bis Maurice Sendak, von Paul Flora bis Michael Sowa, und auch seine Frau, die Malerin Anna Keel, die im vergangenen Jahr gestorben ist. Und er holte sich die Welt des Films ins Haus, indem er Federico Fellini und Woody Allen verlegte. Es gebe für ihn nur zwei Sorten von Büchern, hat Daniel Keel immer wieder gesagt: "solche, die mir gefallen, und solche, die mir nicht gefallen". In Sätzen wie diesen steckten seine Grenzziehungen. Als Gerd Haffmans noch bei Diogenes war, wollte er Arno Schmidt in den Verlag hereinholen. Damit stieß er an eine Grenze, die immer eine Grenze blieb. Diesseits dieser Grenze bewährte sich die Witterung Daniel Keels. Es ging dem Verlag nicht prächtig in den frühen achtziger Jahren, aber dann kam der große Erfolg mit Patrick Süskinds Roman "Das Parfum" (1984). Longseller wie diesen, der ein Buch zum Film wurde, und Autoren mit verlässlich hohen Auflagen hat Keel immer im Programm gehabt, von Donna Leon bis Bernhard Schlink, von Martin Suter bis Paulo Coelho. So ist der Diogenes Verlag fest mit immer noch wachsenden Werken verbunden, etwa mit dem des britischen Autors Ian McEwan, der noch kein Star war, als Daniel Keel begann, ihn auf Deutsch zu verlegen. Zugleich versuchte er immer wieder, die Diogenes-Linie des unsystematisch-essayistischen Philosophierens sichtbar zu halten und unternahm mehrmals Anläufe, den scharfzüngig-enzyklopädischen Wiener Schriftsteller Egon Friedell unter die Leute zu bringen, eben erst in einer neuen gebundenen Ausgabe. Alle Bücher, die Daniel Keel machte, sahen einander ähnlich, und als gelernter Buchhändler musste er wissen, dass ein serielles Format auch seine Risiken hat. Aber in dem Maß, in dem in weiten Regionen des Buchmarktes markante Linien der Buchgestaltung zurücktraten, gewann das Serielle die Anmutung des Charakteristisch-Individuellen hinzu. Sein eigenes Profil spiegelt sich nicht nur in seinem Verlag, sondern auch in dem Briefband "Lustig ist das Verlegerleben" (2010). Am Dienstag ist Daniel Keel im Alter von achtzig Jahren in Zürich gestorben.

Diogenes-Gründer Keel ist tot

Eine Verleger-Legende, gestorben im Alter von 80 Jahren: Diogenes-Gründer Daniel Keel.

(Foto: dpa)
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