Schwabinger Kunstschatz:Staatsanwalt will keinen Deal mit Gurlitt

Das Geschäft hätte so funktioniert: Cornelius Gurlitt überlässt alle Kunstwerke dem Staat, im Gegenzug werden alle Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Daraus wird nun nichts. Aber Staatsanwalt Nemetz will schnell überprüfen, was "zweifelsfrei" Gurlitt gehört.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es war wirklich ein nettes und elegantes Konzept, mit dem man das internationale Gezerre und Gemaule um den Münchner Kunstfund beenden wollte: Kanzleramt und Justiz hatten vorgeschlagen, dem Gemälde-Besitzer Cornelius Gurlitt einen Deal anzubieten. Er solle all seine Bilder freiwillig dem Staat überlassen. Im Gegenzug werde das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung eingestellt.

Doch aus der Idee wird wohl nichts werden. Denn nach Gurlitt ("Freiwillig gebe ich nichts zurück") hat sich nun auch die Staatsanwaltschaft Augsburg dagegen ausgesprochen. "Solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung in kantigem Juristendeutsch, "solange kann die Staatsanwaltschaft auch nicht mitteilen, welches das Ermittlungsergebnis ist und wie sie damit umgeht". Kein Gegengeschäft also - jedenfalls bis auf weiteres.

In anderer Hinsicht will Nemetz allerdings Gurlitt sehr wohl entgegenkommen. Per Pressemitteilung kündigte er an, die "zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehenden Kunstwerke unverzüglich zur Rücknahme" anzubieten. Nemetz: "Ich habe deshalb heute die neu eingerichtete Taskforce gebeten, mir gerade diese Kunstobjekte so schnell wie möglich zu benennen."

Wer jetzt angesichts dieser Kehrtwende meint, zwischen dem Chefermittler und dem Kunstliebhaber bahne sich eine Männer-Freundschaft an, der irrt. Auf die jüngste Kritik Cornelius Gurlitts im Spiegel, wonach die Staatsanwaltschaft keinen Kontakt zu ihm pflege, reagiert Nemetz mit maximaler Sachlichkeit: "Es ist nicht vorgesehen, dass ein Beschuldigter über den Gang des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten wird." Auch eine Bemerkung der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger löste bei Nemetz wenig Begeisterung aus. Die FDP-Politikerin hatte betont, dass der Beschuldigte das Recht auf ordnungsgemäße Behandlung habe. Nemetz entgegnet: "Das ist der Staatsanwaltschaft Augsburg auch ohne einen solchen Hinweis bekannt." Er könne jedenfalls "nicht erkennen", dass sein Team "gegen eine strafprozessuale Vorschrift verstoßen hätte".

Unterdessen nimmt die neue Task-Force zur Provenienz-Recherche allmählich Gestalt an. Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel hat ihre Crew zusammengestellt. Die wissenschaftliche Leitung übernimmt Uwe Hartmann, der Leiter der "Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und Provenienzforschung am Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin - Stiftung Preußischer Kulturbesitz".

Die Herkunft der Werke sollen zehn Fachleute aus dem In- und Ausland beleuchten. Eine davon ist Meike Hoffmann, die zuvor schon im Auftrag der Augsburger Ermittlungsbehörde das Material gesichtet hatte. Die Namen der anderen Experten sollen geheim bleiben. Mit dabei sind auch ein Staatsanwalt sowie die Jewish Claims Conference. Die Organisation, die sich um die Restitution geraubten jüdischen Eigentums kümmert, hatte eine Beteiligung gefordert. Sie sitzt mit zwei Experten mit am Tisch.

Die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) fordern ein Bundesgesetz zur Rückgabe von NS-Raubkunst. Das deutsche Recht begünstige den Eigentümer problembehafteter Kulturgüter, nicht zuletzt wegen der Verjährung, kritisieren die Anwälte Mel Urbach und Markus Stötzel. Deutschland müsse die Restitution auf eine "verlässliche, transparente und justiziable Basis stellen", fordern sie.

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