Schwabinger Kunstfunde:Fall Gurlitt: 499 Bilder, elf Ergebnisse

Gurlitt-Taskforce legt Ergebnisse vor

Taskforce-Gurlitt bei der Arbeit: Nach zwei Jahren Ermittlungen ist das Endergebnis ernüchternd.

(Foto: dpa)

Zwei Jahre hatte die "Taskforce Schwabinger Kunstfund", um die angebliche Raubkunst-Sammlung von Cornelius Gurlitt zu untersuchen. Die Ergebnisse sind mager.

Von Jens Bisky, Catrin Lorch und Jörg Häntzschel

Zwei Jahre stand die Ministerialdirektorin Ingeborg Berggreen-Merkel der "Taskforce Schwabinger Kunstfund" vor. Der Bund und Bayern hatten sie eingesetzt, um zu klären, welche Werke aus dem Besitz des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt einst, während des Nationalsozialismus, ihren rechtmäßigen Eigentümern abgepresst oder geraubt worden waren. Am Donnerstag übergab Berggreen-Merkel in Berlin der Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, einige Unterlagen, den "Schwabinger Kunstfund" betreffend. Grütters erhielt 76 bedruckte Seiten und eine Festplatte mit Daten zu den Kunstwerken aus Gurlitts Besitz. Dafür standen der Taskforce 1 886 600 Euro zur Verfügung.

Was also bleibt nach zwei Jahren Taskforce?

Von einer "beispiellosen Herausforderung" sprach Grütters, vom Konflikt zwischen Gründlichkeit und Schnelligkeit, und dass sich alle "mehr Erkenntnisse in kurzer Zeit gewünscht" hätten. Was also bleibt nach zwei Jahren Taskforce? Das Beispiel interdisziplinärer, internationaler Zusammenarbeit in der Forschergruppe, sagt Berggreen-Merkel, und die spezielle Art, Recherche-Ergebnisse in Form von "Object Record Excerpts" darzustellen.

Berggreen-Merkel verwechselt offensichtlich, dass sich zwar viele Menschen für einen Raubkunstfall interessieren, niemand aber für die Details und Probleme ihrer Arbeit. Was sie an Journalisten verteilte, war nämlich nicht der angekündigte, inzwischen ein Jahr überfällige "Abschlussbericht der Taskforce", sondern ein "Arbeitsbericht", der lediglich "Zwischenbericht" ist, wie sie gleich im ersten Satz zugibt. Offensichtlich ist man nicht einmal so weit, dass man sich eine Aussage darüber zutraut, ob das vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, dem Vater des 2014 verstorbenen Cornelius Gurlitt, zusammengetragene Konvolut nun eine Raubkunst-Sammlung ist - oder nur ungefähr so viele Werke mit belasteter Provenienz enthält wie jedes deutsche Museum.

"Arbeitsbericht" statt Abschlussbericht

Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass in Deutschland zwischen fünf und zehn Prozent einer Sammlung unter Raubkunst-Verdacht stehen. Nur hat man sich in Deutschland lange nicht um die Ansprüche der enteigneten Opfer des Nationalsozialismus gekümmert: Viele NS-Kunsthändler versteckten ihre Beute nach dem Krieg. Als Verjährungsfristen einsetzten, wurde aus Gestohlenem wieder Ware. Wer die - mageren - Ergebnisse der Taskforce durchgeht, wird Gurlitts Erbe attestieren müssen, dass es keine Raubkunst-Sammlung ist.

Und wer neue "Fälle" erwartete, also die Präsentation von Bildern, an denen sich ein Schicksal von Enteignung, Vertreibung oder Tod knüpft, der wurde gleichfalls enttäuscht: Ein paar beispielhafte Blätter finden sich im Anhang an den "Arbeitsbericht", die, teils als Tabellen, die Fortschritte der Recherche dokumentieren. Der historische Moment, in dem sich Deutschland vor den Augen der Weltöffentlichkeit mit seiner Aufarbeitung präsentiert, er fällt aus.

Die Komplexität der Aufgabe

Stattdessen lässt der Bericht, bevor er zu Ergebnissen kommt, den ganzen Fall noch einmal Revue passieren. Endlich bekennt man sich hier immerhin zu einigen der unrühmlichen Aspekten der Arbeit: Dass die Mitarbeiter sich nur sieben Mal getroffen haben, dass die meisten von ihnen die Provenienzrecherche neben ihren eigentlichen Tätigkeiten betrieben, und dass das "passwortgeschützte Portal", das den Rechercheuren den wechselseitigen Informationsaustausch erleichtern sollte, "den Anforderungen der Arbeit in keiner Weise genügte". Was an diesen merkwürdig ausführlichen Passagen aber auffällt, ist der apologetische Ton. Da ist gereizt die Rede von der "so oft angemahnten Transparenz", von der Erwartung der Öffentlichkeit, "dass Entdeckungen und Restitutionen von NS-verfolgungsbedingtem Entzug rasch möglich seien".

Und dass diese Entdeckungen eben nicht möglich waren, so wird einmal mehr behauptet, war ganz sicher nicht die Schuld der Taskforce, sondern sei eben der Komplexität der Aufgabe geschuldet. Gurlitt und sein Vater führten keine sauberen Bücher, wird hier beklagt, die Staatsanwaltschaft habe bei der Beschlagnahmung alles durcheinandergeworfen, und der Nachlasspfleger habe immer wieder reingefunkt. Und dann musste man noch mehrfach umziehen!

Die Statistiken sind mager geblieben

Diese wenig professionell wirkenden Rechtfertigungen werden ergänzt durch pompöse Rhetorik. Wie berauscht von ihrer angeblichen historischen Rolle, sprechen die Autoren von den "Gurlitt Papers", den "business records Hildebrand Gurlitt" und den "Gerard-Listen". Und in ihrem Vorwort beschwört Ingeborg Berggreen-Merkel die "Einmaligkeit, die der Fall Gurlitt bei der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken einnimmt". Doch worin diese Einmaligkeit genau besteht, das führt sie an keiner Stelle aus. Nach allem, was bekannt ist, hätten zwei Jahre wissenschaftlicher Arbeit zum gegenteiligen Schluss führen müssen: Die anfangs behauptete Einmaligkeit dieses Falls hat sich nicht bewahrheitet.

Die Statistiken sind mager geblieben: Nach zwei Jahren der Arbeit gilt nur für elf der fraglichen 499 Werke die Provenienz als aufgeklärt. Darunter sind aber nicht nur die drei Werke, über die schon Cornelius Gurlitt selbst zu Lebzeiten mit den Nachfahren der jüdischen Vorbesitzer verhandelte, sondern auch ein Familienportrait, das Louis Gurlitt zeigt. Weitere vier Bilder vom Verdacht zu befreien, war nicht schwer, weil sie auf einer Händler-Liste verzeichnet waren. Und auch ein Bild von Jean-Louis Forain, das als beispielhaft im Bericht abgebildet wird, war wohl nicht allzu schwer zuzuordnen: Auf der Rückseite klebt ein Zeitungsausschnitt, aus dem die Provenienz hervorging.

Der Mythos von der Raubkunst-Sammlung

Dass die so schleppend arbeitende Berggreen-Merkel immer noch "117 Positionen" in ihrer Bilanz aufführt, bei denen Hinweise "auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug hindeuten" bestehe, hat sicher damit zu tun, dass diese hohe Zahl den Mythos von der Raubkunst-Sammlung stützt, dem auch die Öffentlichkeit lange glauben musste. Experten vermuten, dass immer noch fast alle von Hildebrand Gurlitt in Frankreich erworbenen Werke pauschal unter Verdacht stehen.

Echte Funde konnte Berggreen-Merkel nämlich auch nicht präsentieren: zwei Werke von Otto Dix aus der Sammlung Litmann, die einst von der Gestapo beschlagnahmt wurden, tauchen in dieser Rubrik nicht auf - offensichtlich sind sie den Provenienzforschern auch nach zwei Jahren der Sichtung und Analyse nicht als verdächtig aufgefallen. Ein anderes Indiz dafür, dass die Sammlung womöglich gar nicht so belastet ist, gibt die Zahl der Anspruchsteller, die sich bei der Taskforce meldeten. Der Bericht nennt 200 Anfragen, von denen aber viele lediglich pauschaler Art waren. Nur in 23 Fällen wurden konkrete Ansprüche formuliert.

"Anhaltender Mangel an Transparenz und Kommunikation"

Die Aufklärung, sie wurde wieder einmal vertagt: Sie soll in Magdeburg im Zentum für Kulturgutverluste fortgesetzt werden. Doch offensichtlich will die Weltöffentlichkeit nicht weiter vertröstet werden. Ronald S. Lauder, der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, kritisierte jedenfalls in einer Pressemitteilung die von Berggreen-Merkel vorgestellten Ergebnisse als "mager und wenig befriedigend" und beklagte einen "anhaltenden Mangel an Transparenz und Kommunikation". Er hätte erwartet, dass "Deutschland mehr leisten kann", die Fortschritte wären "sicher größer geworden, hätte die Leitung die Abläufe ordentlich organisiert". Dass sie weiter auf Ergebnisse warten müssen, sei ein Schlag ins Gesicht aller Opfer.

Zu den Kritikern von Berggreen-Merkel gehören übrigens auch viele Fachleute aus der 16-köpfigen Taskforce selbst (SZ vom 24. November 2015). Sie kündigten direkt nach der Pressekonferenz an, im Juli ein eigenes Symposium zu veranstalten, bei dem es um "echte Ergebnisse, Hilfestellungen für Museen und wissenschaftliche Fortschritte geht" und das in Berlin stattfindet. "Wir standen die ganze Zeit unter enormem Druck", heißt es aus dem Gremium, "aber wäre die Arbeit professionell organisiert worden, hätten wir auch bessere Ergebnisse vorlegen können."

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