Dimitré Dinev, geboren 1968, lebt in Wien. Sein jüngster Essayband "Barmherzigkeit" erschien 2010 im Residenzverlag.
Ich schreibe mit der Hand, mit der rechten. Während meines zweijährigen Armeedienstes hat sich herausgestellt, dass ich mit der Linken schieße, dass sie die Hand ist, mit der ich die besten Treffer lande. Aber ich war nie versucht, darin eine versteckte Metapher zu sehen.
Ich schreibe mit Füllfeder. Aber am liebsten diktiere ich das Geschriebene. So kann ich jeden Satz hören, noch bevor er getippt wird, und ein besseres Gefühl für den Rhythmus bekommen. Während ich diktiere, mache ich schon die ersten Korrekturen. Am liebsten diktiere ich meiner Frau. Sie ist der einzige Mensch, der meine Werke liest, bevor ich sie wegschicke. Die Meinung eines geliebten Menschen, eines Menschen, mit dem ich das Leben teile, ist mir viel wichtiger als jede andere.
Meine Texte überarbeite ich so gut wie kaum, höchstens, dass ich hier und dort ein Wort austausche. Dafür aber denke ich lange nach, bevor ich einen Satz niederschreibe. Wenn er aber einmal aus der Feder ist, dann steht er.
Sollte ich beim Schreiben zu aufgeregt sein, oder eine Stelle erreichen, die sehr schwer zu knacken ist, dann greife ich zu den Spielkarten, die sich immer in unmittelbarer Nähe befinden, und lege entweder Patiencen oder spiele Bridge mit mir selbst. So warte ich ab, bis die Aufregung sich auflöst und ich wieder klar denken kann. Sollte aber die Stelle auch danach nicht zu knacken sein, überspringe ich sie, schreibe an der Geschichte weiter und versuche, erst am nächsten oder übernächsten Tag die Lösung zu finden.
Jahrelang habe ich ausschließlich nachts geschrieben. Erst bei der Arbeit an meinem ersten Roman habe ich eingesehen, dass ich diese Praxis ändern muss, wenn ich nicht zugrunde gehen will. Seitdem schreibe ich am liebsten in den frühen Morgenstunden. So genieße ich zwischen vier und sieben Uhr morgens nicht nur jene Stille, derentwegen ich die Nacht früher so geliebt habe (denn es kostet einiges an Kraft, die Geräusche des Alltags auszublenden), sondern auch die Dankbarkeit meines Körpers, in dessen Genen der Urrhythmus unzähliger Geschlechter von Bäuerinnen und Bauern gespeichert ist, die jahrhundertelang mit ihren Tieren aufgestanden sind.
Während ich schreibe, brennt eine Kerze auf meinem Schreibtisch. Es brennt so einiges, während ich schreibe, meine Augen, meine Seele, eine Zigarette. Ich trinke dabei Kaffee und schaue immer wieder auf die Bewegungen des Rauches, der hinaufsteigt, hinauf zu meinen Literaturgöttern.
Ja, so haben jahrelang meine Schreibgewohnheiten ausgeschaut, doch dann ist meine Tochter auf die Welt gekommen, und mit ihrer Geburt hat sich alles in ein fröhliches Chaos aufgelöst. Nur die Angst ist gleich geblieben, die Angst, dass ich irgendwo eine brennende Kerze vergessen habe.
Foto: imago/Rudolf Gigler