Schlöndorff-Rauswurf:"Es geht um Geld, viel Geld"

Die Produktionsfirma Constantin hat dem Filmemacher Volker Schlöndorff gekündigt, nachdem er in der SZ vor dem Tod des Kinos gewarnt hat.

Fritz Göttler

Am Freitag ist dem Filmemacher Volker Schlöndorff von seiner Produktionsfirma Constantin Film, für die er die Verfilmung des Romans "Die Päpstin" von Donna Cross vorbereitete, gekündigt worden. Der Kündigungsgrund war ein Text, den er in der Süddeutschen Zeitung vom 12. Juli veröffentlicht hatte. Schlöndorff hatte hier auf eine Tendenz hingewiesen, die ihn beunruhigte - neue große Kinoprojekte, die, unter Ausnutzung von Filmfördermitteln, in Koproduktion mit dem Fernsehen entstehen, im Kino laufen, danach zu TV-Mehrteilern umgearbeitet und als definitiver Director's Cut vermarktet werden. Unter den Beispielen waren Constantin-Produktionen wie "Der Untergang" oder "Baader-Meinhof-Komplex". Schlöndorff sah durch derartige Amphibienfilme das Kino wie das Fernsehen in ihrer ästhetischen Stringenz gefährdet.

Schlöndorff-Rauswurf: Wird nicht weiter "Die Päpstin" drehen: Volker Schlöndorff.

Wird nicht weiter "Die Päpstin" drehen: Volker Schlöndorff.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Schlöndorff, Ihr SZ-Beitrag hatte bedauerlicherweise einen unerwarteten persönlichen Nebeneffekt . . .

Volker Schlöndorff: Ich habe am Freitag die Kündigung als Regisseur der "Päpstin" erhalten. Man wirft mir vor, durch den Artikel in der SZ der Constantin Film Schaden zugefügt zu haben. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, die Finanzierung der "Päpstin" schwierig geworden. Mir war nicht klar gewesen, wie sehr sich mein Bemühen um eine allgemeine filmpolitische Auseinandersetzung arbeitsrechtlich gegen mich verwenden lassen würde.

SZ: Aber es wird Ihnen schon klar gewesen sein, dass es sich um eine brisante Angelegenheit handelt.

Schlöndorff: Ich musste mich äußern zur Praxis dieser Amphibienfilme. Es kommt da stillschweigend etwas auf uns zu, was neu ist. Ich wollte, aus meiner Effahrung heraus, darauf aufmerksam machen - ohne mich auf die "Päpstin" im besonderen zu beziehen.

SZ: Das ist ein Projekt, das Sie seit vielen Jahren vorbereiten. Der Drehbeginn war für Mai angekündigt, ist aber inzwischen verschoben worden.

Schlöndorff: Ja, sechs Wochen vor Drehbeginn. Das hatte andere Gründe. Bei diesem Projekt hatte ich mich mit der Doppelform Kinofilm und TV-Zweiteiler abgefunden. Seit sieben Jahren, erst bei der UFA, dann bei Constantin Film, habe ich mich immer solidarisch und mit vollem Einsatz um das Projekt bemüht. Ich habe selbst Probeaufnahmen mit Franka Potente finanziert, um andere von ihr zu überzeugen, habe weltweit Schauspieler getroffen und überredet, Donna Cross umworben und über die lange Strecke bei Laune gehalten.

SZ: Inzwischen hat Günter Rohrbach auf Ihren Text geantwortet (SZ vom 19. 7.) . . .

Schlöndorff: Ich will das nicht hochkochen, aber ich frage mich, wer da spricht. Der ehemalige Leiter des WDR Fernsehspiels, der Präsident der Filmakademie oder ein Produzent der Constantin Film? Egal, wir alle sind befangen, deshalb leidenschaftlich. Ich habe immer gut mit dem Fernsehen zusammengearbeitet - auch mit Günter Rohrbach, bei "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", und habe an der Gesetzgebung und dem Regelwerk Zehnerkommission mitgearbeitet.

In den letzten Jahren habe ich mit dem BR die Filme "Der neunte Tag", "Straik" und "Ulzhan" gemacht und auch einen reinen TV-Film, "Enigma", mit Mario Adorf. Deshalb weiß ich, wie wichtig es ist, die Rolle des Fernsehens und seines Einflusses zu diskutieren - es geht hier um Mischformen der Genres und des Erzählens, um Entscheidungen in den Gremien, wo die Vertreter des Fernsehens die Verteilung der Gelder erheblich mitbestimmen. Das sind öffentliche Anliegen. Bei uns werden Filme eben in verschiedenen Medien ausgewertet, da mischen sich alle Finanzierungen - umso wichtiger also, Urheberrechte zu verteidigen und Erzählformen klar zu definieren. Ich selbst habe ja "Untergang" als gelungenes Beispiel zitiert.

SZ: Sie sind also durchaus offen für Experimente, für neue Formen.

Schlöndorff: Ich bin kein Purist, ich bin nur gegen Mogelpackungen. Dostojewski musste Fortsetzungsgeschichten schreiben, die heute als Klassiker gelten. Eine gute Serie wie "Rom" ist so aufwendig wie ein Spielfilm, in Format und Dramaturgie aber genau auf Sendeplatz und Werbeunterbrechung zugeschnitten. Das kommt nicht aus der Bastelwerkstatt, das entsteht nicht einfach im Schneideraum. Es wird Aufgabe einer neuen Generation sein, sich in Ästhetik und Erzählweise auf diese schöne neue Welt einzustellen. Das wird nicht ohne Diskussion gehen, und ich hoffe, man wird sich nicht ganz vom Kino verabschieden müssen. Wer sollte denn noch mit der Freundin für mehr als 20 Euro ins Kino gehen, wenn er in sechs oder zwölf Monaten den Film umsonst sehen kann, auf der Couch, den Director's Cut!

SZ: Hat sich mit dem neuen Fördermodell des BKM die Situation verändert?

Schlöndorff: Deshalb ist die Debatte ja so heftig. Es geht um Ästhetik und Kunst, aber auch um Geld, viel Geld. Ursprünglich waren die Fördertöpfe nicht zur direkten oder indirekten Finanzierung von TV-Mehrteilern vorgesehen. Die Regisseure der Berliner Schule, die Filmautoren und die Unabhängigen werden sich teilen müssen, was übrig bleibt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: