Schill will Hamburger Schauspielhaus schließen:Die Schill-Out-Zone

Ein charmanter Vorschlag: Ronald Barnabas Schill, Zweiter Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, will Deutschlands größte Sprechbühne, das Deutsche Schauspielhaus, schließen lassen, da es "nur sehr geringe Anziehungskraft auf das Publikum" ausübe. Die Opposition spricht von Barnabas..., äh: "Barbarei". Und sogar die eigentlich zuständige Kultursenatorin hat sich inzwischen geäußert.

Mit der Forderung nach Schließung des Deutschen Schauspielhauses hat Hamburgs Innensenator Ronald Schill für erheblichen Wirbel gesorgt.

Es gehe, sagte Schill, angesichts der desolaten Haushaltslage in der Hansestadt nicht an, dass die Kultur unangetastet bleibt." Das Schauspielhaus, Deutschlands größte Sprechbühne, habe "ohnehin nur sehr geringe Anziehungskraft auf das Publikum". Seine Forderung finde die Unterstützung von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), von Teilen der FDP sowie massive Zustimmung aus seiner eigenen Schill-Partei.

Für die Opposition in Hamburg meinte der kulturpolitische Sprecher der GAL, Willfried Maier, mit dem Vorschlag, "das größte und berühmteste Sprechtheater der Republik" zu schließen, sei belegt: "Die Barbaren sitzen im Senat." Wenn Schill sich künstlerisch betätigen wolle, "soll er sich lieber weiter um die Neukostümierung der Polizei kümmern".

Der SPD-Kulturexperte Holger Christier bezeichnete Schills Vorstoß als "peinliches Laientheater". Dies zeige vor allem die Schwäche der Kultursenatorin. "Nur weil Dana Horáková ein politisches Fliegengewicht ist, wildern alle in ihrem Revier."

Die aber hat dem Schill-Out-Plan eine Abfuhr erteilt und ließ erklären, dass sie sowieso schon bei den Haushaltsberatungen deutlich gemacht habe, dass das Schauspielhaus "nicht zur Disposition steht."

"Das Schauspielhaus ist ein Haus mit Geschichte, mit internationalem Renommee, das Hamburg auszeichnet". Die Kulturbehörde verschließe sich Vorschlägen zur Haushaltskonsolidierung nicht. "Die Schließung eines Theaters kommt aber nicht in Frage", wird die Senatorin zitiert, die im übrigen die volle Unterstützung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) habe.

"Der Senat hat seine Entscheidung über notwendige Sparpläne und gegen eine Theaterschließung getroffen. Da ist es wenig hilfreich, diese Entscheidung nachträglich in Frage Frage zu stellen", sagte denn auch CDU-Kulturexperte Karl-Heinz Ehlers. Nicht das Deutsche Schauspielhaus sei schlecht, "es ist nur im Moment schlecht geführt", meinte der CDU-Mann. Vorschläge wie die von Senator Schill "helfen der Senatorin nicht dabei, einen geeigneten Nachfolger für Tom Stromberg zu finden", kritisierte Ehlers.

Schill unternahm seinen Vorstoß wenige Tage vor einer mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung des Schauspielhauses am Freitag.

Dabei geht es auch um die Zukunft von Intendant Tom Stromberg, dem Kritiker eine verfehlte Finanzpolitik und die schlechte Auslastung des Staatstheaters vorwerfen.

Es sei nicht zu rechtfertigen, das "ohnehin leere Schauspielhaus" jedes Jahr mit 18 Millionen Euro zu subventionieren, meinte Schill. Bei einer vorübergehenden Schließung könne das Theater als Schauspielschule genutzt werden. Mit den gesparten Mitteln könnten geplante Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgewendet werden.

Stromberg kritisiert dies als populistisch.

"Dieses Zahlengerede ist Schwachsinn." Ein Defizit von 300 000 Euro aus den letzten zwei Jahren sei größten Teils unverschuldet und auf unvorhersehbare Kosten zurück zu führen.

"Am Ende der nächsten Spielzeit ist dieses Defizit ausgeglichen", sagte Stromberg. Um die Auslastung des 1200 Plätze großen Hauses zu verbessern, wurden eine Neuinszenierung von "Romeo und Julia" und das "Doppelte Lottchen" zusätzlich in den Spielplan aufgenommen. In der letzten Spielzeit seien 160 000 Karten verkauft worden. "Wir wollen auf 180 000 bis 190 000 kommen", sagte Stromberg. Durchschnittlich seien 600 Plätze verkauft. "Im überregionalen Vergleich ist das außerordentlich gut."

Stromberg, der seit langem im Dauerstreit mit der Kultursenatorin liegt, hat die Verlängerung seines 2005 auslaufenden Vertrages bis 2008 angeboten. Der Senat sucht angeblich aber längst einen Nachfolger. Darüber entscheidet der Aufsichtsrat, dem seit kurzem vier neue, von der Senatorin bestellte Mitglieder angehören. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Intendant des Bochumer Schauspielhauses, Matthias Hartmann. Er feiert am Freitag, dem Tag der Aufsichtsratssitzung, seinen 40. Geburtstag.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: