Schauspielerin Rose McGowan:"Ich will das Wort Geschlecht nie wieder hören"

Rose McGowan

Mit ihr begann eine Bewegung: Schauspielerin Rose McGowan.

(Foto: Paul Sancya/AP)

Mit ihren Anschuldigungen gegen Harvey Weinstein ist Rose McGowan zur "Me Too"-Ikone geworden. Inzwischen äußert sie sich jedoch ziemlich vorsichtig.

Von Susan Vahabzadeh

Es gäbe die Debatte um Belästigung vielleicht nicht, hätte die New York Times nicht im Oktober den Fall des Filmproduzenten Harvey Weinstein aufgearbeitet und dabei als eine der Frauen, deren Schweigen er sich mit Druck erkauft hat, die Schauspielerin Rose McGowan genannt. Eben diese bewies daraufhin sehr viel Mut: Sie brach den Vertrag und erzählte öffentlich, Weinstein habe sie vergewaltigt, dafür sei das Schweigegeld geflossen.

Für diesen Mut hat sie am Sonntag bei der diesjährigen DLD-Digitalkonferenz, die am Wochenende in München begann, einen Preis bekommen - und vielleicht auch einfach einen halbwegs angenehmen öffentlichen Auftritt. Sich mit halb Hollywood anzulegen, wie sie es getan hat, kann teuer werden und gefährlich; es muss aber wohl auch sehr, sehr anstrengend gewesen sein.

Man merkte ihr das bei ihrem Auftritt allerdings nicht an, sie sprach zu einer dicht gedrängten, begeisterten Menschenmenge, nachdem die Kollegin Sibel Kekilli eine Laudatio auf sie gehalten hatte. Es sei eine seltsame, furchteinflößende Zeit, die wir gerade durchmachten, sagte McGowan, und dass es eigentlich "We Too" und nicht "Me Too" heißen müsste.

Die Rede war insgesamt womöglich ein bisschen zu vorsichtig und allzu poetisch, als habe sie Angst, sich feministisch oder politisch in die Nesseln zu setzen: Jeder, sagte Rose McGowan, besetze ein Stück des Lebens anderer Menschen. Oder: "Wir sind Blumen, wir werden immer da sein, wir werden blühen". Das klang hübsch, es bringt die Debatte nur leider nicht wesentlich weiter. Wie soll es denn nun weitergehen? Wie drängt man Belästigung und Machtmissbrauch zurück?

McGowan will vor allem über Identität diskutieren: "Ich will das Wort Frau nie wieder hören; ich will das Wort Mann nie wieder hören; ich will das Wort Geschlecht nie wieder hören."

Nun dürfte es vielen Menschen lieber sein, nicht dauernd über ihr Geschlecht definiert zu werden, insbesondere in Fragen, die damit gar nichts zu tun haben. Nur: Ein neuer Ansatz ist das nicht.

Protest gegen Trump, Protest für Frauenrechte

Andererseits hat sie schon recht, wenn sie feststellt, dass immer noch fast jeder Mensch in seine Geschlechterrolle hinein erzogen werde. Auf Twitter habe sie einmal ein Video gesehen, das eine Mutter von ihrem zweijährigen Sohn gemacht habe, der perfekt Rambo imitieren konnte.

Bei der DLD gab es anschließend eine Veranstaltung, die deutlich machte, wie weit entfernt wir davon sind, nicht über unser Geschlecht definiert zu werden. Da redeten auf dem Podium vier Journalisten über die Rolle der amerikanischen Medien während und vor der Ära Trump und darüber, wie Ablenkungspolitik funktioniert. Miriam Meckel war dabei und drei amerikanische Journalistinnen - ja, es war tatsächlich ein rein mit Frauen besetztes Podium, obwohl es nicht um Frauen ging und die DLD auch keine Frauenkonferenz ist - das gibt es sonst fast nie.

#MeToo war auch Thema der zweiten Auflage des des "Women's March", die mit Rose McGowans Auftritt in München zusammenfiel und am Wochenende die Menschen in den USA und dem Rest der Welt auf die Straßen zog. Überschattet nur von der Finanzierungskrise der amerikanischen Regierung, weil die Abstimmung über den Haushalt gescheitert war. Es mischte sich also, wie schon im vergangenen Jahr, Protest gegen Trump mit der Demonstration für Frauenrechte. Manche Reden waren trotzdem sehr konkret. In Los Angeles, wo eine halbe Million Menschen demonstrierten, war Natalie Portman eine der Rednerinnen, die einen sehr durchdachten, sehr persönlichen Beitrag zur "Me Too"-Debatte vorbrachte: Sie sprach über die Angst, die Bewegung könne die Gesellschaft prüder machen.

Natalie Portman war ein Kinderstar. Als sie 1994 ihren ersten großen Auftritt in Luc Bessons Film "Der Profi" hatte, war sie erst 13 Jahre alt - ein Teenager, der gerade den eigenen Körper entdeckte, sagte sie in Los Angeles. Über die Reaktionen auf den Film sei sie sehr erschrocken. Es habe sogar einen Brief gegeben, in dem ein Zuschauer ihr seine Vergewaltigungsfantasien geschildert habe. Ein Radiosender wiederum habe einen Countdown zu ihrem 18. Geburtstag initiiert, dann sei es schließlich endlich legal, "mit mir zu schlafen".

Sie habe auf die Art, wie die Öffentlichkeit ihren Körper diskutierte, mit Abschottung reagiert: "Mit 13 war die Botschaft unserer Gesellschaft an mich klar: Ich hatte das Gefühl, meinen Körper verhüllen und aufpassen zu müssen, wie ich mich ausdrücke, was ich spiele, um meine eigene Botschaft an die Gesellschaft zurückzuschicken, dass ich es wert bin, mich sicher zu fühlen und respektiert zu werden."

An dieser Idee ist etwas dran: Zu viele Regeln, sagen "Me Too"-Kritiker, erzeugen Prüderie. Zu wenige Regeln in einer sexualisierten Gesellschaft tun das aber auch - mit dem, was Natalie Portman dann mit einem drastischen Namen belegte. Sie nannte es sexuellen Terror.

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