Schauspieler und Musiker Robert Gwisdek:"Ich habe noch Triebe"

Robert Gwisdek

Schauspieler, Rapper und Autor Robert Gwisdek

(Foto: Leni Wesselman)

Robert Gwisdek alias Rapper Käptn Peng hat einen Roman geschrieben: "Der unsichtbare Apfel" verführt zu einer phantastischen Reise ans Ende des Verstandes. Ein Gespräch über Verrücktheit, Bewusstseinsexperimente und den Drang zu schreiben.

Von Bernhard Blöchl

Die einen kennen Robert Gwisdek als Sohn des Schauspielers Michael Gwisdek und der Schauspielerin Corinna Harfouch. Andere kennen den 30-jährigen Berliner als Rapper Käptn Peng. Kürzlich hat das Multitalent mit "Der unsichtbare Apfel" (Kiwi-Verlag) seinen Debütroman vorgelegt, den er in diesen Tagen vorstellt.

SZ.de: Eine wunderbare Zeile von Käptn Peng lautet: "Ich bin nicht verrückt geworden, ich hab mich selbst verrückt." Ähnlich ergeht es Igor bei seiner fantastischen Reise aus der Realität, die wir normal nennen. Wie lautet Ihre persönliche Definition von verrückt?

Robert Gwisdek: Verrückt ist, wie das Wort schon sagt, etwas, das seinen Ursprungsort verlassen hat. Scheinbar durch Krafteinwirkung. Das kann man natürlich auch psychisch sehen. Dann ist sowas oft nicht angenehm. Es sei denn, es passiert freiwillig. Dann ist es oft sehr gesund.

Sie haben ein Faible für Bewusstseinsfragen und Philosophie. Woher kommt dieser Drang? Was hat Sie dazu gebracht, sich verrückte Fragen zu stellen?

Ich habe keine Ahnung, warum. Auch wenn ich mich mit dem Warum sehr gerne auseinandersetze. Irgendwie kann mich alles inspirieren. Nur lasse ich mich nicht immer von allem Inspirieren.

Was ist wichtiger: Verstand oder reines Bewusstsein?

Beides ist Teil des gleichen erstaunlichen Organismus und ist absolut hoch anzusehen. In beiden kann man sich ausbreiten. Der Verstand ist wundervoll. Nur gibt es viele Menschen, die einen fantastisch funktionierenden Verstand, aber keinen Begriff von dem Bewusstsein haben, in dem er stattfindet. Dadurch fühlt sich ihr armer Verstand oft heimatlos und verloren, weil er ja nicht so recht sieht, worin er gerade passiert. Die beiden müssen eine Brücke zueinander schlagen.

Verrückt im Sinne von ungewöhnlich und erstaunlich liest sich Ihre Karriere: Schule abgebrochen, um als Schauspieler zu arbeiten. Inspirierend und drohend, der Schatten der berühmten Eltern. Später als Rapper dem Genre in Deutschland neuen Schwung und Esprit verpasst. Jetzt der Debüt-Roman. Welche Kraft treibt Sie an?

Ich würde gerne verstehen, warum das Universum existiert. Außerdem habe ich noch Triebe wie Hunger, Lust, Gier, Angst und Liebe. Die bringen einen auch dazu, sich zu bewegen.

Wie stark haben Sie Ihre Eltern dabei beeinflusst?

Wie Eltern das halt so machen. Die Kinder bekommen davon ja nicht immer alles mit.

Im vergangenen Jahr waren Sie für den Deutschen Filmpreis nominiert, den Ihnen dann aber Ihr Vater weggeschnappt hat. Wie war das für Sie?

Schön. Ich wollte nicht auf die Bühne.

Erfindungs-Reflexions-Aufarbeitungs-Kreativstrudel

Was Sie unbedingt wollten, war, einen Roman zu schreiben. Wie lange gärte die Idee in Ihnen, und wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Es gibt einen Mittelteil, in dem Igor seinen Verstand verliert, der war mal 70 Seiten lang und den habe ich vor acht Jahren geschrieben. Diesen hat dann jemand vom KIWI-Verlag gelesen und meinte, dass das herausgebracht werden sollte. Ich habe gesagt, schön, ich schreibe noch eine Vorgeschichte dazu, damit man versteht, was los ist und nicht gleich vom Irrwitz überrollt wird. Das Manuskript war ja sehr kryptisch und bestand zu großen Teilen nur aus abstraktem Wortschlamm, dem man eigentlich niemandem zumuten konnte. Damit habe ich dann begonnen und begab mich in einen derart starken Erfindungs-Reflexions-Aufarbeitungs-Kreativstrudel, dass ich innerhalb von zwei Monaten 300 Seiten geschrieben habe und von dem ursprünglichen Manuskript nur fünf Seiten übrig blieben. Ich weiß bis heute nicht, was das war, was mich getrieben hat, aber es war anscheinend wichtig.

Wer Bücher schreibt, weiß, wie schwierig es ist, einen Verlag zu finden. Wie kamen Sie zu Ihrem Verlag? Weiter weg vom Mainstream oder von den etablierten Genre-Schubladen geht es bei Ihnen kaum.

Ich und mein Verlag haben uns an der Bushaltestelle getroffen. Deshalb habe ich auch keinen Rat für andere. Vielleicht hilft hingehen und so lange "Hallo!" sagen, bis sie aufgeben und einen verlegen.

Im Kern der Geschichte wagt der Protagonist ein steiles Selbstexperiment: 100 Tage will er allein in einem dunklen Raum sich selbst und seinen Geist beobachten und Veränderungen feststellen. Haben Sie selbst derartige Versuche unternommen, oder wie haben Sie recherchiert?

Ich habe früher, als ich so alt war wie Igor in dem Buch, ein paar Wahrnehmungsexperimente gemacht. So mit Augen verbinden und nicht sprechen oder Rückwärtslaufen den ganzen Tag. 100 Tage habe ich nicht gemacht, aber das ist ja auch eine Verzweiflungstat, weil Igor sein Augenlicht verliert. Ich hatte eine glücklichere Jugend als er.

Jetzt haben Sie den Vergleich: Welche Vorzüge hat die Romanform, und wann eignen sich Hip-Hop-Miniaturen besser, wenn es darum geht, die Grenzen des Verstandes neu auszuloten?

Beides hat seine Vorteile. Bei Hip-Hop ist das oft rhythmusgetrieben und man kann jemandem in einer Minute so viele Bilder, Vergleiche und Abstraktionen um die Ohren hauen, dass der Verstand kurzzeitig ausklinkt. Oft hören viele dann aber auch einfach nicht mehr zu. Beim Roman hingegen kann man eine Figur über einen langen Zeitraum aufbauen, was eine wahnsinnige Bindung herstellt. Wenn der Autor diese Figur dann irgendwo hineinlaufen lässt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man mitgeht.

Sie geben in Ihren Texten gerne Rätsel auf. Verraten Sie uns ein Geheimnis über sich selbst?

Ich habe keins. Aber verraten Sie das bitte niemandem.

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