Schauspieler "The Rock":Der nächste Präsident

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Der Felsen hat Risse bekommen: Die erstaunliche Wandlung des Wrestling-Champions Dwayne Johnson zu einem Schauspieler, der mit Worten und Gesten überzeugt.

Harald Hordych

Dwayne Johnsons Begrüßung übertrifft jede Erwartung an Freundlichkeit. Dreimal fragt er "How are you doing?" Dreimal ruft man zurück: "Fine!" Dann explodiert in seinem Gesicht das breiteste weiße Lächeln, zu groß für den Salon im Hotel de Rome am Berliner Gendarmenmarkt. Ein Lächeln, das immer groß genug war, um 60000 Zuschauer in einem Sportstadion von den Sitzen zu reißen.

Dwayne Johnson: Aus einem Kraftpaket ist ein Schauspieler geworden. (Foto: Foto: ap)

Dieses Lächeln und auch der Zorn, der Dwayne Johnsons Gesicht überziehen kann wie schwarze Tinte ein Blatt Papier, diese gewaltige Mimik stammt aus einer Zeit, als Dwayne Johnson "The Rock" hieß. Als er in einem schwarzen Tanga im Ring herumstolzierte und andere breitschultrige Männer auf den Boden warf, lieber noch aus dem Ring, als wären sie Gartenzwerge und nicht - wie er damals - mindestens 120 Kilogramm schwer. Einer von ihnen hieß Hulk Hogan.

Wer je eine Wrestling-Veranstaltung gesehen hat, versteht, warum Hulk Hogan in Film und Fernsehen immer nur Hulk Hogan spielen konnte. Dwayne Johnson, 36, hat das Gegenteil getan. Er hat - nachdem er in seinem ersten Film "Die Mumie kehrt zurück" einen menschgewordenen Riesenskorpion dargestellt hat und anschließend verschiedene Varianten des harten Action-Kämpfers im Stil von Van Damme oder Chuck Noris - die Kurve gekriegt. Aus einem Kraftpaket ist ein Schauspieler geworden, der mit Talent und Selbstironie seinem Ziel näherkommt, in allen Genres gute Rollen zu ergattern, von der Komödie bis zum Drama, und zwar bitte auch in den Varianten, bei denen das Wort "Action" nicht vorangestellt wird. "Schon als ich den Skorpion spielte, bewunderte ich die Vielfalt eines Will Smith oder eines Tom Hanks", sagt Dwayne Johnson.

Der siebenfache Wrestling-Weltmeister hat einen starken Nacken, aber ein schmales Gesicht und spricht mit eher weicher Stimme, die freundlicher klingt als seine raue deutsche Synchronstimme. Wie er da vorgebeugt sitzt, vergisst man fast, dass Johnson immer noch mehr als 100 Kilogramm wiegt und 1,93 Meter groß ist. Unter einem schwarzen Pullover zeichnet sich ein kolossaler Rücken ab. Dort und auf seinen Oberarmen sowie auf Teilen seiner Brust trägt er ein Breitwand-Tattoo, das an seine Zeit als "The Rock" erinnert.

Klar konnte so einer nur in einem Genre anfangen, bei dem Muskelkraft und Gewinner-Ausstrahlung punkten. Der Champion hatte sein Image aus dem Ring mit in die Filmwelt genommen. Also hieß er im Vorspann und auf Plakaten nur: "The Rock". Das klingt nicht schlecht für einen Mann, der den Madison Square Garden fülllt. Nur klingt es genau wie jene Sackgasse, in die ein Kraftmeier gerät. Heute steht im Vorspann Dwayne Johnson.

Es liegt ein langer Weg zwischen dem Actionschocker "Doom", in dem Johnson nur lächelte, wenn er eine noch größere Waffe in die Hand gedrückt bekam - und dem neuen Familien-Action-Film von Disney "Die Jagd zum magischen Berg", der am vergangenen Wochenende in den USA 54 Millionen Dollar einspielte. Auch da muss er mal die Muskeln spielen lassen. Die meiste Zeit aber ist Johnson als vorbestrafter Taxifahrer damit beschäftigt, sein Gesicht mit Ungläubigkeit oder Erstaunen zu füllen. Denn die zwei Kinder, die er in seinem Taxi mitnimmt, sind von einem anderen Planeten und dank telepathischer Fähigkeiten nicht nur intelligenter, sondern auch stärker als er. Sie dürfen Sachen zu ihm sagen wie: "Das ist wohl alles ein bisschen viel für Sie!" Der Felsen hat also Risse bekommen.

Johnson ist sich bewusst, dass sein Körper nicht nur sein Plus, sondern auch sein Handicap ist. Durchschnittsmenschen kann er nicht spielen. Er kommt nur für die verhältnismäßig kleine Gruppe von Soldaten, Sportlern, Verbrechern oder Aliens in Frage. Bei seinem Kampf, die Studios davon zu überzeugen, dass sie ihre Erwartung an Johnsons Fähigkeiten nicht nur nach dem letzten Actionfilm ausrichten, kommen ihm Neugier, Mut und Selbstironie zugute. "Ich hätte 15 Mal meinen Namen ändern können. Das nützt nichts, wenn sich die Sichtweise der Studios auf mich nicht verändert hätte."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Komödie "Be Cool" so wichtig für Johnsons Entwicklung war.

Der wichtigste Film für seine Entwicklung? Ausgerechnet die Komödie "Be Cool", in der er einen schwulen Bodyguard spielt, der zum Film will. "Eine kleinere Rolle, ich weiß", sagt Johnson. "Aber die entscheidende, weil sie mir erlaubte, mit großen Darstellern auf der Leinwand zu erscheinen, mein Timing zu testen, mein Talent auf die Probe zu stellen." Auch in der wirren Weltuntergangssaga "Southland Tales" scheute er sich nicht, einen verstörten Boxer zu spielen, der mit der Tochter eines republikanischen Politikers verheiratet ist und eine Affäre mit einem Pornostar anfängt. In beiden Fällen lag seine Schlagkraft bei null. Geschadet hat ihm das nicht. Gut ist eine Rolle für Johnson, wenn der Mann Schwächen zeigen kann, wenn er Verantwortung übernimmt und anderen hilft.

Was simpel klingt, hört sich aus seinem Mund überzeugend an. Denn Johnson ist alles andere als der wortkarge Hüne, der sich nur über seine Taten definiert. Der Erfolgsmensch Johnson hat so seine Erfahrungen abseits des Ruhms gemacht. Diese Erlebnisse haben ihn mit einem Sendungsbewusstsein erfüllt - seine erstaunliche Redegewandtheit belegt das. Johnson redet in eindringlichen Wiederholungen, um einer Aussage Gewicht zu verleihen. Wie früher mit den Fäusten hämmert er nun seinem Zuhörer seine Botschaften von guten Filmen ein, die helfen, die Welt ein bisschen besser zu machen, wenn die Menschen sich danach besser fühlen, weil die Charaktere sie berührt haben.

Diebstahl, Schlägereien, Überfälle

Dwayne Johnson wurde in Kalifornien geboren und wuchs in einer aus Samoa stammenden Wrestler-Familie auf. Sein Vater und sein Großvater feierten ähnlich große Erfolge im Ring wie er. Zeitweilig lebte seine Familie auf Hawaii, oft genug aber auch im Rhythmus der Tourneen seines Vaters. Das ruhelose Leben seiner Kindheit ist ihm nicht gut bekommen. Abzulesen ist das an seinem persönlichsten Film, "Spiel auf Bewährung". Da spielt er einen Bewährungshelfer, der aus einer Gruppe junger, überwiegend farbiger Schwerverbrecher ein Footballteam formt, um ihnen Respekt zu vermitteln. Während seines Studiums an der University of Miami gehörte Johnson zu den besten Nachwuchsspielern Amerikas, nur eine schwere Verletzung verhinderte eine Profi-Karriere.

Hat ihn der Film berührt, weil er selbst Footballspieler war? "Ich war selbst eines dieser Kinder, die in solchen Schwierigkeiten stecken. Ich wurde unzählige Male verhaftet, und ich habe eine Menge schwacher Entscheidungen getroffen." Warum wurde er verhaftet? "Wegen allem Möglichen. Von Diebstahl über Schlägereien bis Überfällen. Jede Menge schlechte Entscheidungen, die viele Leute in den Knast bringen. Aber ich hatte Glück und hatte Menschen, die an mich glauben. Ich habe diesen Film gemacht, obwohl damit keine 300 Millionen Dollar zu machen waren. Nein, es ging darum, ein paar wichtige Grundsätze unter die Leute zu bringen."

Kein Wunder, dass so jemand Arnold Schwarzenegger vor allem für sein Vorbild hält, weil er es geschafft hat, Hindernisse zu überwinden: "Bodybuilder waren nicht beliebt. Dazu sein Akzent. Aber er hatte diese Entschlossenheit: Ihr könnt mich nicht stoppen. Ihr könnt mich nicht stoppen. Ich werde es schaffen." Johnson macht eine Pause: "I love that!"

Kämpfer für die gute Sache

Überrascht es, dass Dwayne Johnson schon einmal darüber nachgedacht hat, Schwarzenegger in die Politik zu folgen? In "Spiel auf Bewährung" beeindruckt er durch die Art, wie er den Jugendlichen Werte näherbringt. Actionhelden sind nun mal Kämpfer für die gute Sache. Zumal Johnson zugibt, gerne Reden zu halten. Aber noch ist er der Meinung, dass andere bessere politische Arbeit abliefern können als er. Noch glaubt er, dass Film der beste Ort für ihn ist, um seine größte Wirkung für eine gute Sache zu entfalten.

Man darf nicht unterschätzen, dass dieser smarte Kraftprotz sein Handwerk in einem Ring gelernt hat, um den jeden Abend bis zu 60000 Menschen saßen, die unterhalten werden wollten. Sogar in der Welt der Superhelden galt er als "Overseller", der die Aktionen durch Überspielen ins Lächerliche zog. Diese furiose Mimik herunterzufahren, war die größte Aufgabe für ihn. Das hat er geschafft. Was ihn von den anderen Film-Wrestlern unterscheide, sei, aus Respekt für die Schauspielerei mit dem Wrestling aufgehört zu haben. Beides gehe nicht.

Wenn er jetzt noch Menschen irgendwohin wirft, dann höchstens als Barack Obama in "Saturday Night Live", der in einem Sketch der amerikanischen Satiresendung seine berühmte Gelassenheit aufgibt. Ihm platzt im Wortsinn der Kragen, seine Muskeln wachsen und dann wirft "The Rock Obama" einen Republikaner zum Fenster hinaus. Nicht um den Präsidenten lächerlich zu machen, hat Johnson, geschieden, Vater einer siebenjährigen Tochter, das getan, sondern weil er ihn sehr bewundert. Dwayne Johnson glaubt an den Präsidenten und den Erfolg seiner Mission. Das lässt uns hoffen für Amerika, denn Dwayne Johnson hat auch immer an sich geglaubt.

© SZ vom 04.04.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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