Schauspiel:Der Preis der Jugend

Das Bildnis des Dorian Gray

Gefährliches Spiel: Pascal Fligg (links) als diabolischer Verführer Sir Henry und Oleg Tikhomirov als Dorian Grey.

(Foto: Gabriela Neeb)

Regisseur Abdullah Kenan Karaca bringt Oscar Wildes einstigen Skandal-Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" im Volkstheater auf die Bühne

Von Petra Hallmayer

Nichts macht die Vergänglichkeit schmerzlicher bewusst als die Schönheit. Einen "Verwandten des Adonis" nannte Hofmannsthal den Tod. Bestürzt starrt Dorian Gray auf sein Bildnis. Der Gedanke, dass die Zeit diesen Körper zerstören wird, ist ihm unerträglich. Mittels eines faustischen Paktes setzt Oscar Wildes Antiheld die Naturgesetze außer Kraft: Während sein Porträt als Spiegelbild seiner Seele altert, kann er selbst ewig jung und schön bleiben.

Gleich zu Beginn beschwören im Volkstheater raunende Stimmen das Verhängnis, mit dem männliche Schönheit kulturgeschichtlich beladen ist. Abdullah Kenan Karaca hat den Roman stark gekürzt und sein Personal auf wenige Figuren reduziert, die unter einer golden gemaserten Wand hervorkriechen: den in Dorian vernarrten Maler Basil, den einen schrankenlosen Hedonismus predigenden Manipulator Sir Henry, dessen exaltierte Frau (Carolin Hartmann) und Sibyl Vane (Pola Jane O'Mara), die der Narziss in den Selbstmord treibt. Karacas Minimalismus macht es den Schauspielern nicht leicht, die auf der leeren Bühne die Stationen von Dorians Verwandlungen im Zeitraffer skizzieren müssen.

Oleg Tikhomirov lässt dessen Gesicht jungenhaft leuchten, im Rausch der ersten Verliebtheit erstrahlen und desillusioniert marmorhaft erkalten. Pascal Fligg trumpft als blasiert die Augenbrauen lüpfender diabolischer Verführer auf. Einen Tick mehr dandyhafter Leichtigkeit hätte man Sir Henry allerdings gewünscht, neben dem Jakob Geßner als Basil mit Entsetzensmimik ein wenig zur Überzeichnung tendiert. Durchbrochen wird die düster grundierte, lange wie ein Konversationsstück daherkommende Aufführung von symbolhaften und expressiven Momenten. Unvermittelt stürzen die Figuren zu Boden oder erstarren mit stummfilmhaft aufgerissenen Augen.

Es hätte sich natürlich aufgedrängt, anhand von Dorians Geschichte auf Spielarten des Narzissmus in Zeiten der Selfie-Mania zu verweisen. Karaca verzichtet auf jede aktuelle Anbindung und sprachliche Modernisierung. Seine Inszenierung hebt die Moral in Wildes einst als skandalös unmoralisch verpöntem Roman hervor. Das ist mutig und durchaus faszinierend. Doch Worte wie Sünde haben heute nicht mehr dasselbe Gewicht. Damit sie uns meinen und berühren, dafür hätte es etwas subtilerer Mittel bedurft, als in Karacas finsterem Finale, in dem Dorians innere Dämonen als wie aus einem Schauerroman entsprungene Gestalten über die Bühne geistern. Mit kohleschwarz beschmiertem Körper verfolgt ihn der ermordete Maler, mit zerzausten Haaren erscheint in wallendem rotem Gewand die tote Sibyl Vane. Allein um einen wirklich zu tangieren, dafür bleibt der Spuk zu äußerlich.

Das Bildnis des Dorian Gray, wieder von Montag, 30. April, an, Kl. Bühne des Volkstheaters

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