Schauplatz Zürich:Universum mit Lala-Bar

Im September eröffnete das Kulturhaus Kosmos mitten in der Stadt. Die Zürcher waren irritiert - das fast 5000 Quadratmeter große Haus erschien ihnen deplatziert. Neun Monate später haben sich sogar die Kinosäle im Haus gefüllt.

Von Charlotte Theile

Als im September das Kulturhaus Kosmos eröffnete, waren viele Zürcher irritiert. In der Schweiz, wo man kleine, bescheidene, überschaubare Projekte schätzt, schien das fast 5000 Quadratmeter große Haus seltsam und deplatziert. Zeitungen schrieben vom Urknall, von einem neuen Universum, und machten sich sonst vor allem große Sorgen. Gegen das neue Haus sprach einiges. Zürich hat nicht mal eine halbe Million Einwohner, aber das Kulturprogramm einer Großstadt. Die Kinos der Stadt waren auch ohne die sechs neuen Säle ziemlich oft leer, von einem plötzlichen Boom der Buchbranche, der dringend neue, großräumige Buchhandlungen erforderlich machen würde, hatte auch niemand gehört. Podiumsdiskussionen? Ein weiteres Restaurant für gestresste Städter, Feierabendbier?

Man wünschte viel Erfolg - und hatte das sichere Gefühl, an diesem wichtigen Platz, zwischen der Partymeile Langstraße und dem sterilen Neubaugebiet Europaallee, könnte schon bald eine ziemlich teure Ruine stehen. Ein Quader aus Beton und Glas, eines dieser Gebäude, die eigentlich nur für Großraumbüros infrage kommen und seit einigen Jahren auch Wohnungen, Kindergärten und Boutique-Hotels beinhalten.

Das Kulturhaus will niemandem etwas wegnehmen. Wirklich nicht

Die erste Veranstaltung im Kosmos trug den Titel: "Feigenblatt der Gentrifizierung?" Man wolle die "Gegenbewegung zur trumpschen Verblödung" sein, kündigte einer der Gründer an. Alles ansprechen also, als Erstes mal die Kritik am eigenen Haus, die sei nicht falsch, man wolle ja Geld verdienen, kulturelles Warenhaus, für jeden etwas dabei, Lesungen, Konzerte, überteuerte Businesslunches, Firmenanlässe. Viele, die der alten Langstraße mit Rotlichtmilieu und zwielichtigen Gestalten nachtrauerten, wollten das Kosmos auf keinen Fall mögen.

Journalisten gingen allein ins Kino und schrieben darüber, doch so richtig funktionierte die Häme nicht. "Das auffällig gut besuchte Bistro", der Buchsalon, in dem schon nachmittags Kinder, Studenten, Pensionäre ihre Zeit vertrödelten, all das musste auch mit in den Text. Schlecht stand es nicht um das Kulturhaus, das konnte jeder sehen.

Die Irritation blieb. Wer auf einen Kaffee ins Kosmos ging, wurde permanent auf komische Veranstaltungen hingewiesen. Eine Serie heißt Blockchain Culture und versucht, so tief wie möglich in die dezentralen Währungen einzusteigen, der feministische Salon lädt zu Gesprächen über Wut und transkulturelle Migration - und lockt damit zuverlässig einige Hundert Besucher an. Es geht aber auch um Marx, Generalstreiks, die 68er und Meditation. Immer mal wieder kamen sich Veranstaltungen in die Quere, eine Vernissage im Buchsalon störte die Diskussion im Forum, nach ein paar Monaten füllten sich sogar die Kinosäle.

Neun Monate nach der Eröffnung: Im Zentrum des Hauses werden die WM-Spiele der Schweiz übertragen, vor der Tür steht ein Holzschiff namens "Lala-Bar". Die Presseverantwortliche schreibt von "lauen Sommerabenden" und betont die friedlichen Absichten des neuen Universums. Man nehme niemandem etwas weg, wirklich nicht.

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